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Newsletter vom 29. Oktober 2022: Indian Summer in den Appalachen

Seit unserem letzten Newsletter aus Washington DC sind wir fast 1000 km gegen Süden gefahren und sind nun in Atlanta, Georgia. Grosse Teile der USA wurden vor einer Woche von einer extremen Kältewelle erfasst, welche in der Nacht Minus-Temperaturen brachte und uns vor sich hertrieb. Als die Wasserleitungen begannen einzufrieren, hielt uns definitiv nichts mehr im Norden.

Unser Weg gen Süden führte uns immer entlang der Appalachen, einem bewaldeten Gebirge im Osten der USA.
Der Shenandoah National Park bedeckt das Gebiet der nördlichen Appalachen. Zu jeder anderen Jahreszeit würden wir sagen, dass der Park nicht viel hergibt (es soll zwar sogar Schwarzbären haben, aber wir sahen nicht einmal einen Waschbären). Die Strasse führt über die Krete von Berg zu Berg und da der Park sehr schmal ist, bietet jeder Aussichtspunkt links und rechts lediglich die Sicht auf weite, urbanisierte Täler. Aber jetzt, Mitte Oktober, haben wir Indian Summer und die Strecke durch die farbigen Laubwälder ist wunderschön. Vor allem bei Sonnenschein, wenn die bunten Blätter das Licht reflektieren und regelrecht zu strahlen scheinen.

Unterwegs tankten wir vor allem amerikanische Geschichte. Zum Beispiel in Staunton, wo wir das Frontier Culture Museum besuchten, welches an die frühen Siedler des 17. bis 19. Jahrhunderts erinnert. Damit man den Einfluss der Siedler auf die amerikanische Kultur und vor allem Architektur sieht, wurden originale Häuser aus England, Irland und Deutschland Stein für Stein über den grossen Teich transportiert und hier wieder aufgebaut. Ein amerikanisches Ballenberg sozusagen. Man sieht aber auch Beispiele für Zelte aus Baumrinde, in denen die frühen Siedler lebten, bis die ersten Holzhäuser entstanden.
Oder in Charlottesville, welches ausser für den Amoklauf eines Neonazis von 5 Jahren auch für Monticello bekannt ist, dem schönen und vor allem architektonisch interessanten Landgut von Thomas Jefferson, dem dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Jefferson interessierte sich sehr für Architektur und liess sein Haus nach seinen Vorstellungen bauen. Da gibt es auch einige witzige Details, zum Beispiel sein Bett in einem Wandschrank direkt im Arbeitszimmer (damit er mit dem Ins-Bett-gehen nicht so viel Zeit verlor). Oder einen Warenaufzug vom Weinkeller direkt ins Esszimmer. Weniger witzig ist die Tatsache, dass damals im Keller jeweils ein Sklave stand, der die Befehle ausführte.

Im südlichen Teil der Appalachen befindet sich der Great Smoky Mountains National Park. Aber den Umweg machten wir hauptsächlich wegen einem Indianer-Reservat, damit wir auch noch etwas in die Geschichte der First Nations eintauchen konnten, genauer gesagt derjenigen der Cherokee. Im gleichnamigen Ort gibt es ein Museum, mit einem tollen Totempfahl am Eingang. Leider war der das Tollste am Museum.
Der Ort Cherokee selbst bietet billige Unterhaltung, billiges Essen, ein Casino und die Souvenirläden entlang der Strasse verkaufen industriell gefertigte "Handwerkskunst", Lederhemden, Mokassins und viel Tinnef. Und trotzdem stehen die Leute Schlange, kämpfen um jeden Parkplatz und fahren im stockenden Kolonnenverkehr durchs Dorf.

Das gab uns bereits einen Vorgeschmack auf den Nationalpark. Wie üblich in der Nähe von Ballungszentren ist jeder Nationalpark so gut besucht, dass er an seine Kapazitätsgrenzen stösst. Tatsächlich ist der Great Smoky Mountains NP mit etwa 10 Mio. Besuchern der am meisten frequentierte Nationalpark der USA (der Grand Canyon NP hat "nur" etwa 5 Mio. Besucher). Die endlos scheinenden Autokolonnen fahren denn auch im Stopp and Go über die schmalen, manchmal sehr kurvigen Strassen. Dort wo die Aussicht auf die bunten Wälder oder ein Wasserfällchen lockt, stehen kilometerlang parkierte Autos am Strassenrand. Klar ist der Wald wunderschön, klar kann man unzählige Wanderungen unternehmen (trotz der etwa 1800 Schwarzbären, die hier leben) und ja, im Morgenlicht kann man die Nebel erahnen, die aus den Tälern aufsteigen, die Gebirgsketten in bläuliches Licht tauchen und dem Park ihren Namen gaben - trotzdem ist es einfach ein grosser Wald und für den Durchschnittseuropäer insofern nichts Besonderes.

Etwas Besonderes - im negativen Sinn - ist dagegen Gatlinburg, am westlichen Eingang des Nationalparks und ein besonders übles Beispiel der Vergnügungs- und Freizeitindustrie. Die mit Souvenirshops im Holzfäller- oder Indianerstil gesäumten Strassen sind brechend voll Menschen. Wiederholen tut sich das Ganze im nächsten Kaff, wo zum ganzen Klimbim auch noch diverseste Vergnügungsparks, Haifischaquarien, Minigolf-Anlagen, Geisterbahnen, Cowboyläden und Erinnerungen an Dolly Parton sowie unzählige Hotels, Motels, Tankstellen und die allgegenwärtigen Fastfoodketten dazukommen. Disneyland ist dagegen geradezu zurückhaltend.

Wie fast überall in Amerika konnte der Mensch die Natur zum Glück noch nicht ganz verdrängen. Im besten Fall sieht man sich auf einem Campingplatz umringt von Rehen und Kaninchen, im schlechtesten Fall sind die Strassenränder gesäumt mit überfahrenen Tieren.

Wir sind jetzt in Atlanta, Georgia und versuchen immer wieder, uns ohne Unfall durch den Mega-Verkehr zu schlängeln. Sei es für einen Ölwechsel, einen Reifenwechsel oder einen Grosseinkauf (andere Gründe um in die Stadt zu fahren gibt es nicht). Atlanta ist DIE Metropole des Südens und im Grossraum Atlanta leben etwa 5 Mio. Menschen.

Übrigens: vor der Kälte zu fliehen war zu erfolgreich - gestern hatten wir fast 30 Grad!

 

Im Shenandoah National Park

 

 

Alles verfärbt sich gelb, orange, rot

 

 

Indian Summer in den Appalachen

 

 

Happy Holiday Campground, Cherokee

 

 

Lunch bei Kathy's in Staunton

 

 

Einstimmen auf Hallowen

 

 

Hütten aus Baumrinde im Frontier Culture Museum

 

 

Etwas komfortabler - Hütten aus Holz

 

 

Landgut von Thomas Jefferson: Monticello

 

 

Campen auf der Sanders Ridge Winery

 

 

Cherokee Totem in Cherokee, am Eingang zum Great Smokies NP

 

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