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03.11.2002  Keine Kurven, keine Bäume, kein Wasser - die Nullarbor

Mittwoch, 30. Oktober 2002

Auf dem Weg vor uns sehen wir Emus, Schlangen, eine Füchsin mit ihren Jungen und einige Kängurus, die sich die Strasse zum Schlafen ausgesucht haben (ausser uns stört sie hier auch niemand); hinter uns sehen wir gar nichts, denn wir ziehen eine riesige, weisse Staubwolke hinter uns her. Die Abkürzung von Esperance zum Balladonia Roadhouse am Eyre Highway erspart uns gut 150 Kilometer an Distanz, aber gar nichts an Zeit. Der Track ist anstrengend und tückisch, mit weichen Sandpfannen, spitzen Steinen und grossen Löchern, die man manchmal zu spät sieht (und ein Achsbruch wäre auf dieser ziemlich einsamen Strecke nicht gerade optimal). Zur Abwechslung ist das Auto innen mal weiss gepudert statt rot und sogar Zoltan findet, dass es noch nie so schlimm war mit dem Staub.
Beim Balladonia Roadhouse empfing uns ein grosses Schild "Kein Wasser" und deshalb missbrauchten wir das bereitstehende Tröpfchen Scheibenwaschwasser und die Druckluft (für die Reifen), um wenigstens aussen ein wenig Staub zu entfernen. Der Mann, der uns dabei neugierig zusah, entpuppte sich als Chef des Roadhouses. Aber er war von unserem Auto so hingerissen, dass er nicht nur keinen Ton wegen unserem Wassermissbrauch sagte, sondern uns auch noch das Mineralwasser und das Stück Pizza zum Mittagessen schenkte.
Für die erfolgreiche Durchquerung der Nullarbor gibt es hier ein "Zertifikat", aber natürlich ist das ein Witz, denn heutzutage ist das Nullarbor-Crossing kein Abenteuer mehr, sondern erfordert nur noch Ausdauer. Nullarbor bedeutet übrigens "Kein Baum" und bezeichnet das riesige Gebiet zwischen der Eyre Halbinsel und den Goldfeldern im Süden Australiens. Die Nullarbor wird als "die trockenste Kalksteinwüste der Welt" bezeichnet und ist etwa so gross wie die Schweiz plus England plus Holland plus Belgien.

Zwischen dem Balladonia Roadhouse und Caiguna gibt es nicht viele Kurven, genau genommen auf 146 Kilometern keine Einzige. Auch sonst bietet die topfebene Landschaft nicht viel Abwechslung, ausser den unzähligen Kängurus, die gegen Abend wie aus dem Nichts links und rechts der Strasse auftauchen.

Australiens längste, schnurgerade Strasse  

Australiens längste, schnurgerade Strasse

Nach dem Bombenattentat von Bali und dem Geiseldrama von Moskau ist die extreme Dürre wieder Thema Nummer Eins in den Medien. Ab diesem Wochenende wird sogar in Melbourne das Wasser rationiert, etwas, das seit 20 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Man befürchtet bereits eine nationale Wirtschaftskrise und sogar der mögliche Selbstmord verzweifelter Farmer wird thematisiert.

Beim Roadhouse von Caiguna schlagen wir unser Camp auf und auch hier steht an der Einfahrt ein Schild "Bitte fragen Sie nicht nach Wasser, wir müssten Sie enttäuschen".

Donnerstag, 31. Oktober 2002

Es ist unglaublich, aber mindestens alle Hundert Meter liegt ein totes Känguru (und manchmal auch ein Emu oder ein Wombat) am Strassenrand. Wir fragen uns, von was die Tiere in dieser staubtrockenen Landschaft leben. Einen reichgedeckten Tisch haben dafür die Aasfresser wie Elstern, Raben und die riesigen Adler.

Achtung: Kamele, Wombats und Kängurus  

Achtung: Kamele, Wombats und Kängurus

Unser Reiserhythmus ist gemächlich. Wir machen mindestens jede Stunde eine Pause, wechseln alle hundert Kilometer hinter dem Steuer ab und fahren selten schneller als 80 Stundenkilometer. So schaffen wir etwa fünfhundert Kilometer am Tag.
Es gibt aber auch Einiges zu sehen. Zum Beispiel die alte Telegrafenstation, deren Ruinen schon fast unter den Sanddünen verschwinden. Oder - als Kuriosum - der "Golfplatz" in der Nähe von Eucla, dessen Fairways zwei Meter breite Schneisen durch den Busch sind.

Die alte Telegrafenstation von Eucla  

Die alte Telegrafenstation von Eucla

Die grosse Attraktion ist aber sicher der Nullarbor National Park, respektive dessen Küstenlinie, "The Great Australian Bight". Das Ende eines Kontinentes könnte nicht markanter sein; die Landmasse ist wie mit einem Messer abgeschnitten und hundert Meter weiter unten, am Fusse senkrechter Klippen tost die stürmische See. Auf einer Länge von etwa zweihundert Kilometern bieten sich immer wieder spektakuläre Aussichten.

The Great Australian Bight  

The Great Australian Bight

Wir schafften es heute noch bis zum Nullarbor Roadhouse, wo wir (wie schon gestern) den Abend im windgeschützten Auto verbrachten.

Freitag, 1. November 2002

In der Nacht drehte der Wind um 180 Grad, statt kalter Meerluft haben wir nun heisse Landluft. Nicht nur, dass die Temperaturen auf einen Schlag um mindestens zwanzig Grad anstiegen, es herrscht auch ein veritabler Sandsturm.

Die Gegend östlich vom Nullarbor Roadhouse ist absolut gewaltig. Man kann sich irgendwo hinstellen, um die eigene Achse drehen und nichts, aber auch gar nichts unterbricht den Horizont. Man meint sogar, die Krümmung der Erdkugel zu sehen.

Unterwegs in der Nullarbor  

Unterwegs in der Nullarbor

Wie fast an der ganzen West- und Südküste kann man auch hier vom Juni bis Oktober Wale beobachten. In der Bucht "Head of Bight" sollen sie bis zu zehn Metern an die Klippen herankommen und so hoffen wir, dass die Wale nicht wissen, dass heute schon der Erste November ist. Die Bucht ist auch ohne Wale spektakulär: Links weisse, riesige Dünen soweit das Auge reicht (respektive soweit man durch den Sandsturm sieht) und rechts die schroffen Klippen. Und vor uns, praktisch zu unseren Füssen - Wale! Zwei Kühe mit ihren Kälbern schwimmen langsam durch die Bucht. Die Zeit scheint stillzustehen beim Beobachten dieser majestätischen Tiere.

Die Wale nähern sich  

Die Wale nähern sich

Die Nullarbor-Strecke scheint eine besondere Anziehungskraft auf Radfahrer zu haben. Täglich sehen wir die armen Kerle (Frauen machen so etwas seltener) gegen den Wind und die unendlich scheinende Strasse ankämpfen. Die zwei, die letzte Nacht neben uns ihr Zelt aufgeschlagen hatten, legten heute aber angesichts des heissen Sturmes klugerweise einen Ruhetag ein.
Uns macht der plötzliche Wetterumschwung ebenfalls zu schaffen und als wir endlich Ceduna erreichen, sind wir fix und fertig.

Samstag, 2. November 2002

Gestern hat man am Quarantäneposten zwischen Western und Southern Australia die Früchte- und Gemüsekontrolle so richtig ernst genommen. Zum ersten Mal wurde sogar unsere Kühlbox durchsucht und zum ersten Mal hatten wir tatsächlich vorher alles aufgegessen oder weggeworfen, was man nicht über die Grenze nehmen darf (sogar den Rest Honig).
Der Honig wird übrigens bald unbezahlbar sein in Australien. Wegen der Dürre ist der Ertrag sowieso schon auf etwa einen Viertel gesunken und jetzt wurde auch noch irgend ein Käfer aus Südafrika eingeführt, gegen den die hiesigen Bienen keinen Abwehrmechanismus haben und der die ganzen Waben zerstört. Australien leidet ja immer wieder unter absichtlich oder versehentlich importierten Plagen.

Wir sind jetzt auf der Eyre Halbinsel und eigentlich gäbe es hier wiederum viel zu sehen. Nationalparks, anspruchsvolle Tracks für Geländewagen, schöne Küsten, eine Robbenkolonie und sogar die Möglichkeit, mit den Robben und Delfinen zu schwimmen. Aber wir fahren heute weiter und nehmen den direkten Weg Richtung Adelaide. Wir müssen nämlich etwas früher als geplant in Melbourne ankommen, denn wir haben uns in den letzten Tagen spontan dazu entschlossen, die letzten zwei Wochen unserer Reise (als krönenden Abschluss sozusagen) auf einer Insel im Great Barrier Reef zu verbringen. Nachdem man uns mit den wunderschönen Stränden im Südwesten den Mund wässerig gemacht hat, müssen wir unbedingt noch einmal in dieses blaue Wasser eintauchen, bevor es endgültig zurück in die kalte Schweiz geht. Wir haben in Esperance im Internet etwas recherchiert, telefonisch von einem Roadhouse aus Flüge und Zimmer gebucht und fliegen nun Ende November nach Heron Island.
Wir haben also nur noch etwa drei Wochen Zeit für die Strecke bis Melbourne und da muss man halt leider Prioritäten setzen (die Zeit vergeht plötzlich unglaublich schnell).

Mit vereinten Kräften schafften wir es heute noch bis Post Augusta, womit sich sozusagen ein Kreis schliesst.
In den vergangenen vier Tagen haben wir fast 2'000 Kilometer zurückgelegt, mussten die Uhren um insgesamt 2½ Stunden vorstellen (inklusive Umstellung auf Sommerzeit) und Tara hat deshalb das Gefühl, einen leichten Jetlag zu haben.
Etwa hundert Kilometer vor Port Augusta hatten wir übrigens den vierten Plattfuss auf unserer Reise - aber dieses Mal entwich die Luft schlagartig bei voller Geschwindigkeit. Wir hatten Glück, aber den Reifen können wir höchstwahrscheinlich wegwerfen.

Sonntag, 3. November 2002

Wohlverdienter Ruhetag! Wir verbrachten einige Stunden im höchst interessanten Outback Center von Port Augusta und die restliche Zeit auf dem Bett und vor dem Fernseher. Wir sind beide ziemlich müde von den letzten Tagen und brauchten eine kleine Verschnaufpause.

Und hier noch etwas Fernseh-Realität: In den Nachrichten brachten sie die Geschichte des Mannes, der nach der Scheidung herausgefunden hat, dass er gar nicht der Vater des gemeinsamen Kindes ist und nun von seiner Exfrau sämtliche Auslagen in Zusammenhang mit dem Kind zurückfordert - inklusive jeden Hamburger bei Mac Donalds. Im anschliessenden Werbeblock dann das Labor, welches mit dem Text: "Sind Sie sicher, nicht für ein fremdes Kind zu bezahlen?" für anonyme Vaterschaftstests wirbt.

 

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