06.08.2002 In und um Alice Springs
Freitag, 26. Juli bis Mittwoch, 31. Juli 2002
Wir verbrachten fast eine Woche in Alice Springs. Zuerst zwei Nächte
im Motel (um wieder einmal in einem richtigen Bett zu schlafen und weil
wir in der Stadt viel zu erledigen hatten) und dann noch einige Tage auf
einem Campingplatz etwas ausserhalb der Stadt. Und manchmal sind "Ferien"
anstrengender als ins Büro zu gehen. Entweder waren wir am Rumrennen
um Dichtungen für die hinteren Autotüren zu bestellen, einen
Stuhl zum Sattler zu bringen und wieder abzuholen, Bewilligungen für
die Durchfahrt durch Aboriginalgebiet zu besorgen, mit dem Auto in die
Waschanlage zu fahren, Klemmleisten und Wasserschläuche zu suchen,
einzukaufen, zu tanken, die Wasserkanister aufzufüllen und so weiter
und so fort, oder wir waren damit beschäftigt, das ganze Auto komplett
auszuräumen, alles vom Staub zu befreien, allfällige Löcher
abzudichten, den Zeltstoff am Dach zu flicken, Wäsche zu waschen,
Schubladenscharniere zu flicken etc. Und ab und zu waren wir ganz schön
frustriert, wenn mal gar nichts klappen wollte. Zum Beispiel war ein Wasserschlauch
im Auto undicht und in ganz Alice Springs gab es keinen Ersatz, der gepasst
hätte. Also mussten wir den ganzen Schlauch abmontieren und haben
jetzt keine Outdoor-Dusche mehr. Oder als wir die Wäsche aus der
Waschmaschine beim Campingplatz nahmen und diese über und über
mit Ölflecken beschmiert war (welche natürlich nicht mehr rausgehen),
weil die Maschine irgend einen Lagerschaden hatte. Oder als das High-Tech-Kerzenlicht
mit automatischer Nachschubvorrichtung sich mit geschmolzenem Wachs füllte
und wir das teure Superding nach nur einer Stunde Betriebsdauer auf den
Müll warfen. Und als wir dann endlich zwischendurch hinsitzen wollten
um etwas zu essen, ging einer der Stühle schon wieder kaputt und
wir assen halt im Stehen.
Na ja, zum auf dem Liegestuhl zu liegen wäre es sowieso zu kalt gewesen,
zum Arbeiten sind die Temperaturen aber perfekt.
Einen ganzen Tag lang haben wir uns aber immerhin Zeit genommen, um die
neueste Attraktion von Alice Springs zu besuchen, den Desert Park. Auf
einem grossen Gelände am Fusse der westlichen MacDonnel Ranges, welche
eine einmalig schöne Kulisse abgeben, kann man hier durch drei typische
Wüstenlandschaften wandern.
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Die Kulisse der Western MacDonnell Ranges
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Man kann Tiere in ihrer natürlichen Umgebung erleben und erfährt
eine Menge über Flora und Fauna. Wir lernten, wie die Ureinwohner
gejagt haben, welche Früchte essbar sind und wie man in der Wüste
Wasser findet. Und wir fanden bestätigt, was wir schon immer so erlebt
haben: die Wüste ist abwechslungsreich, faszinierend und voller Leben.
Allen Besuchern des Outback - vor allem den Kurz- und Erstbesuchern -
können wir diesen Park wärmstens empfehlen.
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Auch diese Vögelchen sieht man im Desert
Park
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In Alice Springs ist das Elend der Aboriginal - der Ureinwohner - augenfälliger
und präsenter als sonstwo in Australien. Entwurzelt, nicht mehr in
der alten Tradition als Nomaden leben könnend, aber auch keinen Ersatz
findend in unserer, der westlichen Lebensart, suchen viele Zuflucht im
Alkohol. Zerlumpt, dreckig und stinkend stehen sie an den Kassen der Bottle
Shops (Alkoholläden), sitzen in den öffentlichen Grünanlagen
oder im ausgetrockneten Flussbett des Todd River. Niemand scheint sich
um sie zu kümmern, sie selbst am allerwenigsten. Nur um die Randalierer
kümmert sich die Polizei. In hundekäfigartigen Aufbauten auf
den Pickups werden solche allabendlich aufgelesen und abgeführt.
Die Regierung unternimmt hier relativ viel, um den Aboriginals eine Chance
und eine Zukunft zu bieten. Von den tollsten Skaterbahnen für die
Jungen, über spezielle Schulen und Bibliotheken, bis zu Gemeinschaftszentren
für die Älteren; verschiedenste Behörden, die sich vom
Landrecht bis zur Erhaltung der Kultur um alle Belange der Eingeborenen
kümmern - glaubt man dem Augenschein, nützt das alles nicht
viel. Vielleicht - wahrscheinlich - hat das alles auch gar keine Bedeutung
für sie. Als lebender Vorwurf an die Siedlungs- und Unterdrückungspolitik
der Weissen macht einen der Anblick dieser traurigen Gestalten zutiefst
betroffen. Ein Einheimischer meinte aber, wir sollen das Bild der Aboriginals
hier nicht als repräsentativ für ganz Australien nehmen. Auf
dem Land und in den 'Communitys' sei es ganz anders. Hier in Alice sehe
man vor allem die Gestrandeten, diejenigen, welche nicht mehr in ihre
Gemeinschaft zurückkönnen, die Alkoholiker, die Verwahrlosten.
Donnerstag, 1. August 2002
Nachdem wir gestern nebst den Dichtungen an den hinteren Türen auch
noch die Glühkerzen auswechseln liessen (bei den Minustemperaturen
am Morgen hatten wir immer grössere Mühe, das Auto zu starten)
und Vorräte für die nächsten Tage eingekauft hatten, sind
wir nun wieder unterwegs. Den Abend des heutigen Nationalfeiertages werden
wir zusammen mit Roger und Tanja verbringen. Wir trafen die beiden ja
schon ein paar Mal in Indien und haben unsere Australienreise gegenseitig
verfolgt in der Hoffnung, uns hier nochmals zu sehen. Auf diesem riesigen
Kontinent ist das nicht ganz einfach, aber schlussendlich kreuzen sich
unsere Wege nun doch wieder.
Das Wechseln der Glühkerzen hat Rosinante sichtlich gut getan. Ohne
zu bocken und zu husten sprang sie heute früh brav an. Die morgendlichen
Temperaturen liegen heute auch wieder über dem Gefrierpunkt und so
haben auch wir beide etwas weniger Anlaufschwierigkeiten.
Auf dem Weg nach Norden überquerten wir den Wendekreis des Steinbockes.
Die ersten Termitenhügel tauchen auf und oft dient die Strasse als
Feuerschneise - auf der einen Seite ist alles schwarz verbrannt und auf
der anderen Seite blühen die ersten Frühlingsblumen. Aber auch
auf den verbrannten Flächen wächst bereits wieder frisches Grün.
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Die Termitenhügel haben den Brand gut
überstanden
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Die Roadtrains fahren zum Glück alle schneller als wir, überholen
müssen wir deshalb nie. Komisch ist es nur, wenn neben dem Fenster
des Beifahrers eine Lastwagenschnauze auftaucht und es dann etwa eine
Minute dauert, bis das ganze Auto vorbei ist. 53 Meter lang dürfen
diese Ungetüme sein und drei Anhänger mit je 5 Achsen schleppen.
Unsere schweizerische 28-Tonnen-Limite wird wohl schon fast vom Zugfahrzeug
überschritten. Auf dem asphaltierten Stuart Highway sind diese Begegnungen
kein Problem. Auf den unbefestigten Tracks wo die Viehtransporter verkehren,
überlässt man den Weg mit Vorteil dem Stärkeren und sucht
möglichst Deckung vor den auffliegenden Steinen.
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Roadtrain (dieser ist ein leerer Viehtransporter)
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Am Roadhouse von Wauchope warteten Roger und Tanja schon auf uns. Wir
fuhren dann noch bis zum Campground bei den Devil's Marbles und verbrachten
dort den Abend unseres Nationalfeiertages mit einem feinen BBQ, viel Rotwein
und viel zu erzählen.
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Mit Tanja und Roger bei den Devil's Marbles
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Freitag, 2. August 2002
Abgeschliffen, von Wind und Wetter zu runden Kugeln geformte Granitblöcke,
zum Teil über zehn Meter Durchmesser, rot aufleuchtend in der tiefstehenden
Sonne - Devil's Marbles (des Teufels Murmeln). Beeindruckend in Form und
Grösse und wunderschöne Kulisse für den einfachen Campground,
welcher allerdings (da nahe am Highway) etwas überlaufen war.
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Die Devil's Marbles
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Kurz nach den Devil's Marbles in Richtung Norden zweigt eine Piste nach
Osten ab, in den Davenport Range National Park. Via Kurundi und Epenarra
erreichten wir am Nachmittag das Old Police Station Waterhole. Einige
tiefere Pfützen mussten wir bei Kurundi durchqueren, in einer Aboriginal-Siedlung
haben wir nochmals unsere Wassertanks gefüllt und die letzten paar
Kilometer waren dann ziemlich sandig und nur mit einem Geländewagen
zu befahren.
Auf diesen Sandpisten zieht man eine kilometerlange Staubfahne hinter
sich her. Das heisst auch, dass man entsprechenden Abstand halten muss,
wenn man mit zwei Fahrzeugen unterwegs ist. Und so merkten wir erst nach
etwa 15 Kilometern, dass Roger und Tanja nicht mehr hinter uns waren.
Wir fuhren zurück und bis wir sie erreicht hatten, war das Rad schon
gewechselt. Glücklicherweise haben sie zwei Ersatzräder dabei,
denn in den nächsten Tagen werden wir garantiert an keiner Werkstatt
vorbeikommen.
Als wir dann am Ziel angekommen unser Auto öffneten, waren wir ziemlich
frustriert. Trotz zugeklebten Löchern und ausgewechselten Dichtungen
hatten wir wieder alles voll Sand!
Das Buschcamp hier am Wasserloch ist wunderschön und nachdem es heute
sehr heiss wurde (und natürlich auch wir alle voll Staub waren),
genossen wir zuerst mal ein kühles Bad.
Samstag, 3. August bis Sonntag, 4. August 2002
Da das Old Police Station Waterhole wahrscheinlich das letzte Wasser ist,
welches wir in den nächsten Tagen sehen werden, blieben wir gestern
noch dort und verbrachten einen geruhsamen Tag. Leider wehte ein ziemlich
bissiger Wind, so verlockte das Wasser nicht so richtig zum Baden. Und
leider nimmt mit den steigenden Temperaturen auch das lästigste Problem
Australiens wieder zu, die Fliegenschwärme. Bis jetzt hatten wir
ja ziemlich Ruhe und schon fast vergessen, wie einen diese Plagegeister
quälen können. Wenn sie nur nicht so gerne in Mund, Nase, Ohren
und Augen kriechen würden! Vor allem, wenn man beide Hände beschäftigt
hat (zum Beispiel beim Gemüse putzen) und sich nicht wehren kann,
machen diese Biester einen halb wahnsinnig. Zum Glück gibt es diese
dämlich aussehenden Kopfnetze und Tara hat sich (wie noch jedes Mal
in Australien) entschlossen, bei nächster Gelegenheit eines zu kaufen
und lieber dämlich auszusehen als verrückt zu werden.
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Spaziergang am Old Police Station Waterhole
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Auf sehr, sehr sandigen, ab und zu auch steinigen Pisten, welche aber
Ross und Reiter (pardon, natürlich Auto und Fahrer) souverän
meisterten (obwohl, so ein hübsches Foto "Roger und Zoltan beim
Autoausbuddeln" hätte sich an dieser Stelle sicher gut gemacht)
fuhren wir heute etwa 280 km nach Süden. Entgegen kamen uns genau
zwei Autos und die einzige Bezeichnung die man allenfalls auf der Karte
finden könnte (wenn man wissen will, wo wir stecken), ist diejenige
der Homestead Derry Downs, die sich jetzt etwa noch 20 km weiter südlich
befindet.
Am Nachmittag wurde der Track immer schmaler und schmaler und sah bald
einmal so aus, als ob hier in den letzten paar Monaten niemand durchgefahren
ist. Kurz bevor die Sonne unterging, suchten wir uns einen hübschen
Platz mitten im Busch, wo wir heute garantiert die einzigen Menschen weit
und breit bleiben werden.
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Irgendwo unterwegs im Outback
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Unser abgelegener Campground von gestern wurde nämlich gegen Abend
von einer Horde Aussies mit ihren Geländefahrzeugen überfallen
(wahrscheinlich irgend ein "4x4-Treffen am Wochenende"). Überhaupt
scheinen die Australier ihr Outback in der letzten Zeit so richtig entdeckt
zu haben. Wo vor fünf oder zehn Jahren noch unberührte Natur
war, schiessen heute die Resorts und Campingplätze aus dem Boden.
Tracks werden planiert und begradigt (Wohnwagentauglich gemacht) und das
Neueste, das wir hörten, war, dass die warmen Quellen von Dalhousie
gesperrt wurden (in denen wir vor einigen Jahren noch badeten), weil verantwortungslose
Touristen ihr Geschirr oder ihre Wäsche darin gewaschen haben.
Falls sich jemand über unsere Ernährung Gedanken macht: Vorgestern
gab es Steak, Hörnlisalat, gemischter Salat und Röstzwiebeln,
gestern gab es Ragout mit Rüebli, Kartoffelstock und Salat und heute
gibt es Gschwellti mit Käse, Quark und Krautsalat. Und immer alles
frisch und selbstgemacht (nix Büchsen!). Aber jetzt gehen uns langsam
die frischen Lebensmittel aus und dann kommen die Vorratsbüchsen
halt doch noch zum Zuge.
Montag, 5. August 2002
Den Kaffee mussten wir heute früh um das Lagerfeuer sitzend trinken,
so kalt war es. Natürlich haben wir für das Feuer eine Grube
ausgehoben und die Asche am Schluss dann wieder mit Erde bedeckt (die
Buschbrandgefahr hier ist enorm). Übrigens muss auch für andere
Bedürfnisse ein möglichst tiefes Loch gegraben werden...
Der Track wurde heute noch abwechslungsreicher. Nebst langen, weichsandigen
Passagen und Flussdurchquerungen gab es auch einige steile, felsige Abschnitte
und gefährliche Auswaschungen. Stellenweise war der Weg so stark
mit Spinifex und Gebüschen überwuchert, dass man ihn kaum mehr
sah. Auf jeden Fall eine der schönsten Pisten, die wir je gefahren
sind.
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Ein Bewohner Australiens: der Dornenteufel
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Gegen Mittag erreichten wir den Plenty Highway, welchem wir einige Kilometer
nach Westen folgten, um dann wieder auf einen schmalen Track nach Süden,
Richtung MacDonnell Ranges abzubiegen. Was dann folgte, war 4x4-"Vergnügen"
pur. Zum Glück haben wir letztes Jahr in der Kiesgrube bei Ins schon
mal geübt und erlebt, wie viel Schräglage mit unserem Auto noch
zu bewältigen ist. Sonst wäre es mindestens der Tara Angst und
Bange geworden.
Mach neun anstrengenden Stunden Fahrt erreichten wir Arltunga und damit
einen Campground mit Dusche. Tat das gut!
Dienstag, 6. August 2002
Der Track ins Ruby Gap wird mit Schwierigkeitsstufe 5 ("extrem")
angegeben, aber da es Ende Winter ist, ist der Sand noch relativ fest
und problemlos zu befahren. Und unsere beiden Männer können
sich ja mittlerweile schon zu den routinierten Geländewagenfahrern
rechnen (wobei es doch beruhigend ist, mit zwei Fahrzeugen unterwegs zu
sein und sich so notfalls gegenseitig aus dem Sand ziehen zu könnte).
Die Fahrt hierher lohnt sich auf jeden Fall, wird man doch mit einer der
schönsten Landschaften Zentralaustraliens belohnt. Schroffe, rote
Felswände säumen den ausgetrockneten Flusslauf, an den verbliebenen
Wasserstellen wuchert das Schilf, gelbes Gras und die Flusseukalypten
mit ihren blendendweissen Stämmen setzen weitere Farbakzente unter
einem strahlend blauen Himmel. Ausserdem ist man hier alleine und wenn
wir Glück haben, sehen wir heute Abend sogar ein paar Felsenkänguruhs.
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Im Ruby Gap
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Leider sind wir schon seit fünf Tagen an keinem Laden oder Pub vorbeigekommen
und uns ist sogar der Wein ausgegangen. Das bedeutet, dass es morgen zurück
in die Zivilisation geht, nach Alice Springs. Dort werden wir einige Tage
verbringen, uns wieder startbereit machen für das nächste Stück
Outback und natürlich Ena und Christoph vom Flughafen abholen (worauf
wir uns sehr freuen).
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