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13.04.2002  Ausnahmezustand in Chiang Mai: Songkran

Freitag, 12. April 2002

In der Stadt ist der Teufel los! Man hat absolut keine Chance, nicht innerhalb kürzester Zeit klatschnass zu werden und dies den ganzen Tag über auch zu bleiben. Zum Glück hatten wir Geld und Fotoapparate in wasserdichte Plastikbeutel verpackt, denn es war noch viel, viel "schlimmer" als wir uns das vorgestellt hatten. Der Wassergraben um die alten Stadtmauern wurde heute wohl fast leergeschöpft und die übelriechende Flüssigkeit auf alles, was sich bewegte gegossen und gespritzt. Es werden richtige Strassenschlachten abgehalten, unterstützt von mobilen "Einsatzkommandos" - Pickup's mit einigen Tonnen voll Wasser und einer johlenden Bande auf der Ladefläche. Das Ganze wird von ebenfalls in Strömen fliessendem Bier unterstützt, so dass man bald einmal klatschnass auf den Tischen der Strassencafes tanzt.
Eigentlich ist Songkran ein Fruchtbarkeitsfest und eine religiöse Angelegenheit, soll doch bitteschön bald der Monsun und damit der lebensnotwendige Regen kommen. Aber sogar die Thais nennen dieses Fest selbstironisch "the biggest wet t-shirt contest in the world" (und wir wissen nun genau, dass alle Thailänderinnen BH's tragen und die meisten Ausländerinnen keinen). Was haben wir es bedauert, keine wasserdichten Kameras dabei zu haben!
Daneben wird in den Tempeln eifrig gebetet und geopfert, die Buddhas geschmückt und die Mönche reichhaltig bekocht und grosszügig beschenkt.

Betende Mönche  

Betende Mönche

Natürlich kommen auch alle Anderen essensmässig nicht zu kurz, Essstand reiht sich an Essstand und wir zwei versuchen Hühnchen im Bambusrohr und anschliessend (zum Ausgleich) Erdbeertörtchen.

Ganze Strassen werden zu Restaurants  

Ganze Strassen werden zu Restaurants

Als wir Abends - immer noch feucht - im Hotel angekommen waren, kannten wir immerhin einige Schleichwege durch Chiang Mai.

Samstag, 13. April 2002

Eigentlich wollten wir heute Vormittag an der Eröffnungszeremonie von Songkran teilnehmen. Als wir aber an der Rezeption vorbeikamen teilte man uns mit, dass wir unser Zimmer räumen müssen, weil es anderweitig vergeben sei. Wir hatten beim Einchecken zwar gesagt, dass wir etwa eine Woche bleiben wollen, aber da man es uns frei liess, wie viel wir zum Voraus bezahlen wollten, zahlten wir nur für zwei Nächte an. Da nun scheinbar jemand Anderer ab heute für unser Zimmer bezahlt hat, hätte man uns nun kurzerhand auf die Strasse gestellt. Denn, wie man uns unverfroren mitteilte, es sei auch schon vorgekommen, dass Leute für eine Nacht anbezahlt hätten, eine Woche blieben und dann einfach verschwanden. Sie könnten uns für heute Nacht aber eine Suite (zum doppelten Preis) geben und ab Morgen sei wieder ein Zimmer frei. Oder wir sollten uns doch ein anderes Hotel suchen, irgendwo sei sicher noch Platz.
Wir sassen wiedermal am kürzeren Hebel, denn wir wussten genau, dass es heute schwierig wenn nicht gar unmöglich ist, ein freies Zimmer zu finden. Wir haben gestern Vormittag einige Hotels angeschaut (weil dieses hier etwas abseits liegt) und überall ist für heute Nacht ausgebucht.
Thailänder scheuen Auseinandersetzungen und Konflikte wie der Teufel das Weihwasser. Und jetzt stehen da zwei Ausländer an der Rezeption, die zwar lächeln aber offensichtlich wütend sind, die man kaum versteht (weil man zu wenig englisch kann) und die partout nicht einsehen wollen, dass sie für die Suite den doppelten Preis zahlen müssen. Es war für alle eine höchst unangenehme Situation und als die beiden Empfangsdamen den Tränen nahe waren, gaben wir klein bei. Was blieb uns auch anderes übrig? Den zwei Damen, die offensichtlich einen Fehler gemacht hatten, blieb wohl die Wahl, ob sie vor uns das Gesicht verlieren wollten oder vor ihren Landsleuten (seien dies die neuen Gäste oder ihr Chef). Das kleinere Übel waren da sicher wir, die Farangs. Also blieb man uns gegenüber hart, verweigerte das Gespräch, flüchtete sich hinter irgendwelche Papiere und wünschte uns wohl ins Pfefferland.
Natürlich konnten wir erst um 12 Uhr in die Suite (Eröffnungszeremonie ade) und natürlich können wir morgen auch erst um 12 Uhr wieder wechseln. Dafür haben wir ein sehr eindrückliches Beispiel erlebt wie schwierig es wird, wenn zwei so völlig unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen und sei es auch nur wegen so einer Kleinigkeit.

Hier in Chiang Mai ist Songkran eine Mischung aus Fronleichnamsprozession, Street Parade und Oktoberfest. Wir mussten in die Stadt laufen, da kein Taxifahrer sich in dieses Gewühl traute. Alles was Räder oder Beine hat ist unterwegs und es herrscht Rowdytum und Anarchie. Sieger ist, wer die grössten Wasserbehälter auf der Ladefläche oder am meisten Druck auf dem Schlauch hat und die Passanten werden gejagt wie die Karnickel. Wobei man fairerweise sagen muss, dass die meisten Passanten Spass daran haben, am nächsten Wasserkübel ihre Pumpguns laden und ihrerseits zurückschiessen, was das Zeug hält. Immer begleitet von Schreien, Kreischen und Johlen. Für diejenigen, die zu weit vom Stadtgraben entfernt sind, ist auch gesorgt. Grosse Tankwagen der Feuerwehr zirkulieren in den Strassen und alle können dort ihre Behälter auffüllen. Vielen ist das ständige Wasserschöpfen aber zu blöde und sie haben einfach einen Gartenschlauch irgendwo angeschlossen und spritzen damit herum. Den Höhepunkt erreicht die nasse Angelegenheit, wenn der Umzug mit den vielen Buddhastatuen durch die Strassen rollt; um die Wagen herrscht ein riesiges Gedränge, alle wollen einen Teil des Wassers auf die Statuen leeren und ihrerseits von den Begleitern dieser Statuen bespritzt werden.

Alle wollen den Buddha mit Wasser begiessen  

Alle wollen den Buddha mit Wasser begiessen

Wenn man von jemandem einen kleinen Becher Wasser mit Blütenblättern drin über den Rücken gegossen bekommt, sollte man sich höflich bedanken.

Ein paar symbolische Spritzer Wasser genügen  

Dieser Mann hält sich noch an die traditionellen Spielregeln von Songkran: ein paar symbolische Spritzer Wasser genügen

Und wenn einem jemand einen grossen Kessel voller Wasser mitten ins Gesicht klatscht, sollte man sich nicht allzusehr ärgern (leichter gesagt als getan), denn sonst folgen garantiert noch weitere, weil der blöde Farang keinen Spass versteht. Immerhin können wir das Gerücht, es kämen auch Eier und Ketchup zum Einsatz, nicht bestätigen (wobei das Wasser aber dreckig genug ist!). Alle haben riesigen Spass und auf der Strasse tanzen alte Leute, Gogo Girls und Katoeys zu Technoklängen.

Niemand zu alt, um das Tanzbein zu schwingen  

Niemand zu alt, um das Tanzbein zu schwingen

Ein Katoey ist übrigens ein Transvestit, und sich als Mann geschminkt und in Frauenkleidern auf der Strasse zu zeigen, ist in Thailand nichts Aussergewöhnliches. Thais sind Ästheten und finden als solche nichts dabei, wenn man sich "schönmacht". Früher war es scheinbar sogar Sitte, dass in einer Familie mit lauter Söhnen dem Jüngsten Mädchenkleider angezogen wurden, damit man etwas "Schönes" in der Familie hat. Die meisten Katoeys sieht man in Bangkok, wo sie als Gogo Girls und Prostituierte arbeiten.

Frauen eines Bergvolkes verkaufen Handwerkskunst auf der Strasse  

Frauen eines Bergvolkes verkaufen Handwerkskunst auf der Strasse

Am Abend sollte noch eine Miss Songkran gewählt werden (scheinbar gibt es in Thailand kein Fest ohne Miss-Wahl, was wiederum in das Kapitel "Thais lieben alles, was schön ist" gehört). Aber wir waren mittlerweile viel zu müde und unsere Sinne zu sehr strapaziert. Und wir wollten endlich raus aus den nassen, dreckigen Klamotten.

HAPPY NEW YEAR, THAILAND!  

HAPPY NEW YEAR, THAILAND!

 

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