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19.01.2002  Unterwegs in Karnataka: Hampi, Bangalore unbd Mysore

Sonntag, 13. Januar 2002

On the road again. Wenn man von Goa aus gegen das Landesinnere fährt, verlässt man bald einmal die Ebene mit den grünen Reisfeldern, dschungelartiger Wald bedeckt die Flanken der Berge im Osten und die Strasse windet sich schnell auf etwa 700 Meter über Meer. Termitenhügel ragen wie Sandburgen aus dem Unterholz, bunte Schmetterlinge tanzen um Bäume mit roten Blüten, Affenhorden hocken wieder am Strassenrand (in Goa sahen wir praktisch keine) und auf der Höhe geht der dichte Urwald über in lichte Laub- und Bambuswälder. Nach der Grenze zum Bundesstaat Karnataka ändert sich der Zustand der Strasse schlagartig von sehr gut zu sehr schlecht. Je weiter wir ins Landesinnere kommen, umso trockener wird es. Angebaut wird, was weniger Wasser benötigt wie zum Beispiel Baumwolle, Zuckerrohr, Zwiebeln und Chili. Die Leute sind plötzlich wieder dünner als an der Küste, die Männer tragen wieder Turban, es gibt kaum noch Christen, dafür jede Menge Muslime mit völlig schwarz verschleierten Frauen. Das Land ist nicht allzu dicht besiedelt und der Verkehr glücklicherweise spärlich.
Wir wurden heute wiedermal von "Wegelagerern" angehalten, welche die Strasse mit einem Seil abgesperrt hatten und Geld für irgend einen Anlass sammelten. Unser Ärger verrauchte aber schnell, als wir beim nächsten Stopp von einer Bauernfamilie köstliche, mit Feigen gefüllte Fladen geschenkt bekamen.
Natürlich erreichten wir unser Tagesziel Hospet wegen den Horrorstrassen nicht und mussten irgendwo unterwegs ein Hotel suchen. Jetzt sind wir in Gadag und die indische Realität in Form moskitoverseuchter, dreckiger Zimmer hat uns wieder (besser nicht an Gestern denken...).
Wie üblich machten wir vor dem Abendessen noch einen Spaziergang durch die Stadt und wie üblich an solchen Orten hatten wir bald das halbe Quartier im Schlepptau. Dieses Mal mussten wir in einem Tempel an der Opferzeremonie teilnehmen. Unter anderem wurde uns ein Schluck Wasser in die Hände gegossen, welchen wir trinken sollten (natürlich liessen wir die Brühe mehr oder weniger diskret im Ausschnitt verschwinden) und ein Stück der gesegneten Banane wurde uns in den Mund gesteckt (die konnten wir nicht gut ausspucken, das wäre dann doch zu auffällig gewesen). Nachdem wir die obligaten Fotos (Tempel mit Bevölkerung und Tara, dito mit Zoltan, dito ohne Tempel usw.) geschossen hatten, schleppte man uns noch in einen anderen Tempel und erklärte uns dort ausführlich aber unverständlich (wahrscheinlich in der Sprache von Karnataka) alle anwesenden Götter. Und am Schluss kam es noch zu einem Missverständnis, als einer der Einheimischen die Hand zum Mund führte und Essensbewegungen machte, wir daraus schlossen, dass er uns zum Essen einladen wolle und dankend ablehnten um schlussendlich zu kapierten, dass er ganz einfach Geld von uns wollte. Tja, anscheinend haben uns all die bakschisch-heischenden Inder doch noch nicht ganz verdorben, weil wir nicht sofort die richtigen Schlüsse zogen.
Und dann haben wir noch ein paar bettelnde Kinder glücklich gemacht, als wir ihnen Spielzeug schenkten, welches Lara und Nico uns aus der Schweiz geschickt hatten. Vor allem die blonde Barbie-Puppen sind ein "Renner" bei den indischen Mädchen.

Barbie in Indien  

Barbie in Indien

Montag, 14. Januar 2002

Im fahlen Morgenlicht wirken die erwachenden Dörfer wie immer besonders trist, wenn sich mehr Schweine als Menschen auf den Strassen tummeln und der Rauch und Gestank der brennenden Abfallhaufen die Luft verpesten. Vorbei an endlosen Hirse- und Sonnenblumenfeldern erreichten wir gegen Mittag Hampi. Die Tempel und Ruinen liegen weit verstreut in einer grandiosen Landschaft mit riesigen Felsbrocken, Palmen und einem Fluss, an welchem heute unzählige Inder ein Bad nehmen. Wir haben wieder einmal einen Feiertag erwischt und Hampi Bazar, der kleine Ort am Flussufer quillt über vor Menschen. Es herrscht Jahrmarktstimmung und fliegende Händler bieten Schmuck, Opfergaben, Farbpulver, Früchte und vieles mehr an.

Die Hauptstrasse von Hampi Bazar  

Die Hauptstrasse von Hampi Bazar

Und auch die immer noch nach dem Sinn des Lebens suchende westliche Jugend, welche ihn an diesem spirituellen Ort mit Hilfe einiger Joints zu finden versucht, ist zahlreich vertreten. Goa ist nahe und zu jedem Goa-Urlaub gehört scheinbar ein Ausflug nach Hampi dazu.
Da wir in Hampi Bazar keinen geeigneten Stellplatz für unser Auto finden und da das Gelände um die Ruinen laut den warnenden Tafeln in der Nacht wegen den vorkommenden Gewaltverbrechen gemieden werden soll, fahren wir ins etwa 4 km entfernte Kamalapuram und quartieren uns im staatlichen Hotel ein. Unsere Reisekasse freut's, da das Zimmer etwa 12 Franken kostet (und das für die "luxuriöseste" Unterkunft in der Gegend).
Am späten Nachmittag besichtigten wir dann einige Ruinen, kletterten auf den Felsen herum, liessen uns wieder zig-mal von indischen Touristen fotografieren, welche ihrerseits mit Ghettoblastern in den Felsen herumturnten (wenigstens die Jugend), schauten den Leuten beim abendlichen Bad im Fluss zu, liessen uns mit der Menge durch den Tempel treiben, lauschten dort der fremdartigen Musik, schauten den Opferungen zu und umkreisten den Tempelelefanten. Indien pur!

Bananenverkäuferin  

Als Opfergabe oder zum Essen: Bananenverkäuferinnen vor dem Tempel

Und dann tauchte die untergehende Sonne die Landschaft in ein magisches, wunderschönes Licht was leider auch der Startschuss für das Anrücken einer ganzen Armada von Moskitos war. Wir sprayten was das Zeug hielt, setzten uns zum Abendessen zwischen zwei Räucherspiralen, stopften die Hosenbeine in die ebenfalls eingesprayten Socken, aber diese Scheissviecher setzen sich sogar noch auf das Essen. Es ist schon eine Plage und dazu noch eine gefährliche, denn hier ist Malariagebiet.

Über den Fluss führt keine Brücke. Wer rüber will, muss sich in so eine Nussschale setzen  

Über den Fluss führt keine Brücke. Wer rüber will, muss sich in so eine Nussschale setzen

Dienstag, 15. Januar 2002

Dass es im Dorf zwei Moscheen hat merkten wir heute Morgen um Fünf Uhr, als wir in den Genuss eines sich überschlagenden Soprans und eines etwas begabteren Tenors kamen. Das war das Zeichen für alle guten Hindus, ihrerseits alle verfügbaren Radios und Kassettenrekorder dagegen aufzubieten. Von dem Lärm geweckt, begannen die Hähne zu krähen und die Hunde zu jaulen. Als die Kakaphonie eine Stunde später etwas verebbte, standen dafür die indischen Hotelgäste auf und liessen uns an ihrer guten Laune teilhaben. Und als endlich Ruhe eingekehrt war, war es auch für uns Zeit aufzustehen.

Da die vielen Ruinen auf einer grossen Fläche verstreut liegen, fuhren wir heute kreuz und quer mit dem Auto herum (man könnte auch Fahrräder mieten, aber dafür ist es uns zu heiss), bewunderten vor allem die Landschaft und liessen diejenigen Tempel aus, für die wir 5 Dollar Eintritt hätten zahlen müssen. Vor rund einem halben Jahr hat Indien die Eintrittspreise für die wichtigsten Sehenswürdigkeiten etwa halbiert, wahrscheinlich wegen dem massiven Protest der ausländischen Reiseveranstalter. Aber wir finden auch die heutigen Preise immer noch zu hoch (vor allem im Vergleich zu den 10 Rupees, welche Einheimische bezahlen) und wir sind nicht die Einzigen. Andere Touristen haben vor den Kassenhäuschen ebenfalls kehrt gemacht. Nun, die frei zugänglichen Orte sind immer noch sehenswert genug und wir haben nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

Kleiner Tempel inmitten der wunderschönen Landschaft Hampis  

Kleiner Tempel inmitten der wunderschönen Landschaft Hampis

Es ist immer noch Feiertag (fragt uns nicht, wann hier eigentlich mal ein paar Tage nacheinander gearbeitet wird....) und fast genauso aufdringlich wie die Moskitos sind heute die sonst so zurückhaltenden Inder. Wir hatten zuerst den Verdacht, dass die Meisten dem berühmt-berüchtigten Schnaps aus Palmwein zugesprochen haben. Aber da für die Mehrzahl der Hindus Alkohol kein Thema ist, muss die Aufgedrehtheit der Leute wohl auf religiöse Verzückung zurückzuführen sein. Bei einigen traf unser erster Verdacht aber eindeutig zu, konnten sie sich doch kaum mehr auf den Beinen halten. Und wir entwickeln schon einen leichten Verfolgungswahn, weil sich andauernd Horden von Menschen - meist junge Männer - um uns scharen. Natürlich immer mit gezückter Kamera.

Wie bereits gestern Abend assen wir auch heute in Hampi Bazar. Wir bestellten ein Thali und bekamen ein Bananenblatt auf den Tisch, darauf drei Häufchen mit Gemüse, Joghurt und Currykartoffeln, dazu eine Schale Reis und Fladenbrot. Gegessen wird mit den Fingern, das Ganze kostet etwa 70 Rappen und das Beste daran ist, dass am Schluss alles kompostierbar ist und nicht einmal Abwaschmittel gebraucht wird.
Da wir danach noch die paar Kilometer ins Hotel zurückfahren mussten, brachen wir wie Gestern schon wieder unser "eisernes Gesetz", niemals bei Dunkelheit zu fahren. Aber Zoltan hat das souverän gemeistert und keine einzige Kuh überfahren.

Mittwoch, 16. Januar 2002

Wir schliefen trotz Ohropax wieder nicht allzu viel, weil im Innenhof des Hotels einige Gäste die halbe Nacht sangen und grölten und die andere Hälfte der Nacht dröhnte der Stromgenerator alle halbe Stunde los.
In der Provinzhauptstadt Hospet fuhren wir heute Früh durch den Stadtteil der Bambushändler. Die 5 bis 10 Meter langen Stangen lehnen in so grosser Anzahl an den Mauern, dass kein einziges Haus mehr zu erkennen ist, Ausserdem werden auf der Strasse sämtliche Gebrauchsgegenstände angeboten, die man aus Bambus fertigen kann: Körbe, Leitern, Möbel, geflochtene Matten und vieles mehr. Es sah wirklich sehr eindrücklich aus.
Unterwegs auf den Landstrassen haben auch wir unseren Beitrag zur indischen Landwirtschaft geleistet. Überall wird das geerntete Getreide auf der Strasse ausgebreitet und die darüber rollenden Lastwagen und Autos übernehmen das Dreschen. Zum Glück leiden wir nicht unter Heuschnupfen, wirbelte doch das Stroh und der Staub immer mehr auch in unserem Auto herum.

Die Bauern warten am Strassenrand, um die nächste Lage Getreide auszubreiten  

Die Bauern warten am Strassenrand, um die nächste Lage Getreide auszubreiten

Nach Süden zu wurden die Strassen immer besser und kurz vor Bangalore sogar 2-spurig (natürlich mit den üblichen "Geisterfahrer"). Leider verführt der gute Zustand der Strassen die Bus- und Lastwagenfahrer zu noch riskanterer Fahrweise und so kommen wir heute wieder an ausserordentlich vielen Wracks im Strassengraben und Unfällen vorbei. Und wenn es hier mal kracht, dann gibt es wegen den überfüllten Autos und Bussen immer gleich mehrere Tote. Eine kurze Meldung aus dem Lokalteil der heutigen Zeitung: Auto gegen Lastwagen, 9 Tote und mindestens ebenso viele Schwerverletzte.

Kokosnussverkäufer  

Ein Kokosnussverkäufer (auch so ein gefährliches "Verkehrshindernis")

Eine dumme Angewohnheit der Inder (und der Verkehrssicherheit nicht eben zuträglich) ist übrigens, bei einer Panne nicht etwa noch zwei Meter auf die Seite zu fahren, sondern auf jeden Fall mitten auf der Strasse stehen zu bleiben. Pannendreiecke sind unbekannt und so wird das Fahrzeug mit Ästen und Steinen umgeben und damit die Fahrbahn praktisch gesperrt. Das Reparieren wird an Ort und Stelle erledigt - auch wenn der ganze Motor ausgebaut und in alle Einzelteile zerlegt werden muss - und kann unter Umständen mehrere Tage dauern, falls zuerst noch Ersatzteile beschafft werden müssen. In diesen Fällen wird unter oder neben dem Auto campiert, damit man das Gefährt und die Fracht nicht alleine lassen muss. In der Regel sind auch immer mindestens zwei Leute (Fahrer und Mechaniker?) mit so einem Lastwagen unterwegs und wir vermuten, dass die Führerkabine ihr Zuhause ist.

Am späten Nachmittag kamen wir in der 5-Millionen-Stadt Bangalore an und machten vor dem Abendessen noch einen kurzen Bummel durch eine der Einkaufsstrassen. Hier gibt es nun wirklich alles, sogar Warenhäuser nach westlichem Stil, auf fünf Etagen, mit Rolltreppen und einem, für indische Verhältnisse riesigen Angebot. So etwas haben wir seit sechs Monaten nicht mehr gesehen, nicht einmal in Bombay. Und das Schönste am ganzen ist, dass man die Sachen in aller Ruhe anschauen, berühren und die Preisschilder (!) vergleichen kann, ohne angequatscht und zum Kauf genötigt zu werden. Was das bedeutet kann wohl nur jemand nachvollziehen, der selbst einige Zeit in Indien war. Tara konnte sich jedenfalls kaum mehr aus der Kleiderabteilung losreissen. Und es hat Strassencafés, Boutiquen, Pubs, Fast-Food-Restaurants wie Pizza Hut oder KFC und die meisten jungen Frauen laufen in Jeans und T-Shirt herum. Bangalore ist wirklich speziell. Schon wir liefen mit offenem Mund herum, wie muss es erst einem indischen Bauern ergehen? Dieser hätte wohl in seinem eigenen Land einen veritablen Kulturschock.
In unserem Reiseführer lasen wir, dass es hier sogar ein Restaurant hat, in welchem es Wienerschnitzel gibt. Also nichts wie hin, indisch können wir morgen wieder essen. Das Schnitzel war gar nicht mal so schlecht, aber Kalbfleisch ist halt doch besser als Wasserbüffel und bei Mama oder Elsa schmeckt's immer noch am Besten. Und die Metzgereien in der Schweiz sind auch etwas vertrauenserweckender.

Eine der üblichen Metzgereien  

Eine der üblichen Metzgereien

Noch eine kleine Rikschafahrer-Story. In Bangalore hielten wir vor dem ersten Hotel an, welches uns von aussen einen einigermassen guten Eindruck machte. Eine Rikscha hielt neben uns und der Fahrer fragte, wohin wir wollen und ob er uns helfen könne. Wir antworteten, dass wir ihn nicht brauchten, weil wir in das Hotel auf der anderen Strassenseite wollen. Darauf der Fahrer: dieses Hotel sei voll aber für 10 Rupees führe er uns zu einem anderen Hotel. Natürlich fielen wir auf diesen uralten Trick nicht herein (beim anderen Hotel hätte er nämlich Provision bekommen) und gingen selbst ins Hotel, um uns zu erkundigen. Das Schlitzohr gab aber noch nicht auf und versuchte, vor uns das Hotel zu betreten um dann am Empfang behaupten zu können, ER habe uns hierher gebracht (und so doch noch zu seiner Provision zu kommen). Das Hotel war natürlich fast leer und Provision gab's auch keine. Zum Glück sind nicht alle Rikschafahrer so, aber leider viel zu viele.

Donnerstag, 17. Januar 2002

Das Ziel von heute heisst "ein weiches Bett muss her!". Nach der fünften Nacht in Folge auf steinharten Brettern fühlten wir uns beide, als hätte uns jemand verprügelt.

Südlich von Bangalore ist heute Rindermarkt. Kilometer um Kilometer, von Dorf zu Dorf standen Tausende herausgeputzter Kühe am Strassenrand und auf den umliegenden Feldern. Es schien fast, als ob heute sämtliche Kühe Karnatakas ihren Besitzer wechseln. Interessant ist, wie in jeder Region die Kühe wieder anders geschmückt werden. Hier sind die Hörner oft golden angemalt oder mit farbigem Staniolpapier umwickelt, manche tragen schwere, goldene Ketten um den Hals oder vergoldete Kappen auf den Spitzen der Hörner und wieder anderen wird das ganze Fell eingefärbt.

Gelbe Kuh  

Oder als weitere Variante werden die weissen Flecken gelb eingefärbt

Karnataka ist überhaupt sehr farbenprächtig. Die Tempel sind oft wunderschön-kitschig mit lebensgrossen, schreiend bunten Götterfiguren und Fabelwesen geschmückt und genauso bunt präsentiert sich die ursprüngliche Tracht der Frauen. Dabei wird über den Kleidern noch eine Art Brustlatz und Schürze getragen, welche mit grossen Spiegelplättchen versehen sind und ausserdem tragen sie schweren Silberschmuck, auch in den links und rechts des Gesichtes herunterhängenden Zöpfen.

Mysore ist wieder eine sehr "indische" Stadt (im Vergleich zu Bangalore), mit schönen Märkten auf denen die Stände mit den Früchten eine wahre Augenweide sind. Und natürlich auch kunstvoll aufgeschichtetes Gemüse, Gewürze, Blütenblätter, Räucherstäbchen, Sandelholz, Parfüm und Dinge des alltäglichen Lebens sind hier zu finden.

Ein Stand mit Haushaltswaren  

Ein Stand mit Haushaltswaren

In Mysore hat es aber auch wieder viele Bettler und Obdachlose. Und Strassenkinder, welche leim- oder benzingetränkte Lappen vor Nase und Mund halten und sich so einen kleinen Rausch verschaffen, um den tristen Alltag einen Moment zu vergessen.

kleines Nickerchen  

Ein Arbeiter (oder ein Obdachloser?) macht ein kleines Nickerchen neben den Marktständen

Freitag, 18. Januar 2002

Der Stadtpalast von Mysore wird gerne als "Realität gewordener Traum aus Tausendundeiner Nacht" bezeichnet und ist tatsächlich äusserst eindrucksvoll. Da der Palast in seiner heutigen Form erst 1912 erbaut wurde (entworfen wurde er von einem britischen Architekten), ist er bis zum letzten Detail praktisch vollständig originalgetreu erhalten und bietet einen interessanten Einblick in das prunkvolle Leben der Fürstenfamilie von Mysore, welche immer noch in einem Teil des Palastes wohnt.

Der Stadtpalast von Mysore  

Der Stadtpalast von Mysore

Leider sind Kameras im Inneren verboten und so müssen Worte genügen, um die verschwenderische Pracht zu beschreiben. Der Weg durch den Palast führt durch lange Gänge mit grossen Wandmalereien, die Szenen eines Festes von 1930 wiedergeben. Wie wenn man in einem Bilderbuch spazieren geht, ziehen die Pferde, Elefanten, Soldaten und die schaulustigen Menschen an einem vorbei. Detailgetreu wurden auch die ersten Strommasten und Autos abgebildet, ebenso wie die ersten Reklametafel für Shell in Mysore.
Durch verschiedene riesige Hallen, welche mit Kristalllüstern, Decken- und Glasmalereien, goldverzierten Säulen und schönen Gemälden berühmter indischer Künstler auf das verschwenderischste dekoriert sind, führt der Weg auch durch die Galerie der Fürstenfamilie, deren Mitglieder so hübsche Namen wie "Kempachaluvarajammanniyavaru" tragen (Vorname einer der Töchter).

Die Leibgarde des Fürsten  

Die Leibgarde des Fürsten

Vor dem Betreten des Palastes muss man übrigens die Schuhe abgeben. Und um das danebenliegende Museum zu besuchen, muss man ein Stück auf Schotterwegen durch den Park laufen, immer noch barfuss. Da die meisten Inder ständig barfuss laufen, fallen die paar zartbesohlten Westler wie wir besonders auf, die vorsichtig Fuss vor Fuss setzen und wie Tara zwischendurch fluchen, weil man sie solch "unzivilisierten" Bräuchen aussetzt.

Samstag, 19. Januar 2002

Zum Sightseeing-Programm von Mysore gehört auch der Tempel auf dem Chamundi Hill. Zum Glück kann man mit der Rikscha hinauffahren, denn zum Runterlaufen sind die über 1000 Treppenstufen etwas weniger anstrengend. Ausserdem kommt man auf dem Rückweg an einer schönen, etwa 5 Meter hohen Statue eines Bullen vorbei. Die Figur aus schwarzem Granit wird von den Gläubigen eifrig umrundet und mit Blumengirlanden geschmückt.

Der Bulle als Reittier Shivas wird besonders verehrt  

Der Bulle als Reittier Shivas wird besonders verehrt

Zurück in der Stadt besuchten wir noch einen der unzähligen Läden, in denen ätherische Öle verkauft und Räuscherstäbchen hergestellt werden. Die Letzteren werden immer noch von Hand gerollt und eine geschickte Arbeiterin schafft über 6000 Stäbchen am Tag. Besonders bekannt ist die Gegend um Mysore für die Herstellung von Sandelholzschnitzereien und Sandelholzöl. Das kostbare Öl wird vor allem für Massagen benutzt, scheint aber für fast alle Gebrechen anwendbar zu wein (wenn man dem Verkäufer glaubt). Und sonst gibt es ja noch weitere Essenzen wie Rosenöl, Wasserlilienöl, Lotusöl, Moschusöl, Jasminöl und viele mehr, welche von Haarausfall bis zu Potenzstörungen für die ganze Spanne menschlicher Leiden gut sein sollen. Wir stanken wie eine ganze Parfümerie als wir ins Hotel zurückkamen und mussten uns erst mal waschen, um das Farbpulver auf der Stirn, das Öl auf den Armen und den Kuhmist an den Füssen loszuwerden (das ganze Tempelgelände war natürlich wieder nur barfuss zu betreten).

Gestern entdeckten wir in der Nähe unseres Hotels eine Pizzeria und da die Pizzas dort wirklich nicht schlecht waren und die Potato Wedges fast perfekt, gingen wir heute wieder hin. Endlich wieder einmal Kartoffeln ohne Currysauce! Im Moment hängt uns das indische Essen etwas zum Hals heraus. Aber das liegt wohl auch daran, dass wir von Indien überhaupt langsam genug haben. Wir streichen also die geplante Route noch mehr zusammen und werden bereits morgen nach Kerala und somit wieder an die Küste fahren.

Noch ein Nachtrag zum Kastenwesen. Gestern sahen wir im Lokalfernsehen einen Bericht, von dem wir hier nur kurz die Fakten wiedergeben: Junge und Mädchen lieben sich, wollen heiraten, gehören aber verschiedenen Kasten an und damit diese Verbindung nicht zustande kommt, werden sie von ihren eigenen Eltern umgebracht.

 

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