26.12.2001 Goa, Balsam für Augen und Seele,
1.Teil
Dienstag, 25. Dezember 2001
Nachdem wir uns so sehr auf unsere "Ferien" gefreut hatten,
hatten wir ganz präzise Vorstellungen im Kopf, wie denn unser Traumstrand
nun aussehen müsse. Und weil wir ihn im Norden noch nicht gefunden
hatten, suchten wir heute die südlichen Strände ab.
Der Süden ist touristisch etwas weniger erschlossen als der Norden.
Dies ist eigentlich verwunderlich, weil es hier im Süden eher die
typischen Südseestrände mit feinem, weissem Sand und Palmen
gibt. Der Sand an den nördlichen Stränden ist rot und grob und
wir haben gehört, dass das Meer dort gefährliche Unterströmungen
haben soll.
Leider (für uns) und glücklicherweise (für Goa) darf man
in der Uferzone seit einigen Jahren nicht mehr bauen. Dies bedeutet, dass
alle der neueren und besseren Hotels ziemlich weit vom Strand entfernt
sind. Die meisten Unterkünfte direkt am Strand sind einfache Lodges
oder Hütten ohne Komfort. Und dann gibt es noch eine Reihe Luxushotels,
die "Ghettos" wie wir sie nennen, ummauerte Anlagen mit Pool,
Restaurants und Shops. Und da das Meer wie gesagt weit weg ist, verbringen
die Urlauber hier ihre Ferien meistens in der Anlage. Man könnte
also genauso gut nach Mallorca fliegen.
Wenn wir Lust hätten, könnten wir weiter im Süden unter
den Palmen direkt am Meer campen. Und um Silvester/Neujahr, wenn die meisten
Hotels ausgebucht sind, werden wir das vielleicht auch tun. Im Moment
aber haben wir uns auf ein Hotel direkt am Strand versteift. Dies umso
mehr als wir seit gestern wissen, dass wir am 4. Januar Besuch bekommen.
Eine Freundin hat spontan einen Flug nach Goa gebucht und wird eine Woche
mit uns verbringen. Wir freuen uns wahnsinnig und nach fünf Monaten
Zweisamkeit wird uns das auch gut tun.
In Colva fanden wir endlich ein etwas besseres Hotel mit direktem Zugang
zum Strand und hatten Glück, dass noch ein Zimmer frei war.
Am Strand von Colva herrscht ein trautes Nebeneinander von Fischerhütten
und -booten und einigen Strandbars, welche auch ein paar Liegestühle
zur Verfügung stellen. Der Tourismus hat hier noch nicht allzu heftig
zugeschlagen, es gibt keine scheusslichen Betonklötze und die paar
wenigen Sonnenschirme verlieren sich auf dem langen, breiten Strand. Dass
man sich fast mitten im goanischen Alltagsleben befindet, hat aber auch
seine Nachteile. Es stinkt manchmal ein wenig nach Fisch und die Palmenhaine
zwischen denen die Fischerhütten stehen, sind zum Teil nicht so sauber,
wie wir uns das wünschten.
Mittwoch, 26. Dezember 2001
Wie wir schon anlässlich des Ramadan-Endes geschrieben haben, lässt
man sich in Indien keinen Grund zum Feiern entgehen. Christen sind zwar
etwa nur 2,5% der Bevölkerung, aber gestern war trotzdem nationaler
Feiertag. Hier in Goa gibt es allerdings mehr Christen als in den nördlichen
Staaten, die wir bisher besucht haben. Und so hat sich Goa nicht nur für
die Touristen weihnächtlich herausgeputzt. An vielen Strassenecken
wurden grosse Krippen aufgebaut, die meisten Häuser sind mit Sternen
oder Lametta geschmückt und am Strand hat man sogar einige Tannenbäume
eingegraben und mit Lichterketten versehen. Die Kellner in der Strandbar
tragen rote Zipfelmützen mit weissem Pelzrand (bei etwa 35°C
und über 90% Luftfeuchtigkeit!), ein kleiner Weihnachtsmann mit Maske
und Rute macht die Runde (und sammelt Geld, wir sind ja schliesslich immer
noch in Indien) und allenthalben kommen die Menschen auf einen zu um die
Hand zu schütteln und
"Merry Christmas" zu wünschen.
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Ja, ja, ich war immer brav!
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Was wir bis jetzt von Goa gesehen haben, hinterlässt etwas zwiespältige
Gefühle in uns. Landschaftlich ist Goa tatsächlich wunderschön
mit seinen weissen Stränden, den Palmenhainen, den grünen Reisfeldern
und den dichten Urwäldern im Hinterland. Die Spuren der Portugiesen
sind unübersehbar: weisse Kirchen blitzen zwischen den Palmen hervor,
schattige Friedhöfe mit ummauerten Gräbern, am Strassenrand
kein rot bemalter Ganesh sondern ein Kreuz und die Wirtin der Strandbar
ist eine Inderin mit unverkennbar südeuropäischen Zügen.
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Kirche in Goa
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Der hohe Bildungsstand und der, im Vergleich zu anderen Staaten bessere
Lebensstandard bringen aber auch schon die Schattenseiten der Konsumgesellschaft
mit sich, werden doch die landschaftlichen Schönheiten durch immer
mehr und immer grössere Reklametafeln verdeckt. Eine weitere Eigenheit
(und auch ein Problem) Goas ist der freizügige Umgang mit dem billigen
Alkohol. Etwas, das wir uns von Indien bisher nicht gewohnt sind. Nicht
nur die Goaner selbst trinken ziemlich viel (manchmal zu viel), es hat
sich hier auch ein regelrechter Alkoholtourismus entwickelt. Dies ist
uns schon aufgefallen, als wir in Bombay die Tageszeitungen lasen und
viele Angebote für Kurz- oder Wochendurlaube in Goa fanden, bei denen
explizit "Alkoholische Getränke ohne Limite" im Preis inbegriffen
sind. Tatsächlich kostet in der Bar ein Cocktail mit viel Schnaps
darin umgerechnet etwa zwei Schweizer Franken und eine grosse Flasche
Bier etwa einen Franken. Und an jeder Strassenecke gibt es Läden,
welche Alkohol zu noch viel tieferen Preisen verkaufen. Wir vermuten deshalb,
dass die ohnehin astronomisch hohen Unfallzahlen Indiens hier noch höher
sind.
Eine, damit ebenfalls in Zusammenhang stehende traurige Folge ist die
Tatsache, dass jedes Jahr viele junge Westler im Sarg von Goa nach Hause
zurückfliegen. Die jungen Leute jetten nach Goa, mieten sich ein
Motorrad und fahren ohne Helm durch die Gegend, natürlich oft nach
dem Genuss von Alkohol oder einem Joint. Aber wir sind immer noch in Indien
mit all den wahnsinnigen Bus- und Lastwagenfahrern, den Kühen und
Kindern auf den Wegen, den Verkehrsmitteln und Strassen ohne Licht und
dem ungewohnten Linksverkehr.
Wir haben heute unseren ersten Ferientag und schlafen mal so richtig
aus (bis neun Uhr, weil es sonst kein Frühstück mehr gibt).
Und dann pendeln wir zwischen unserem Balkon und dem Strand hin und her
(das Meer ist etwa 28° warm), machen ein Nickerchen, lesen und geniessen
es einfach.
Und vielleicht macht auch unser Reisetagebuch die nächsten zwei Wochen
auch ab und zu Ferien. Mal sehen.
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An "unserem" Strand
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