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20.12.2001  Geisterstädte, Höhlen und Felsentempel

Freitag, 14. Dezember 2001

Fast ausgetrocknete Seen, von der Sonne verbrannte Felder, abgeholzte und der Erosion freigegebene Hügel; aber auch spektakuläre Schluchten, Palmen und Flaschenbäume, leuchtende Bougainvilleas; Licht, welches in den Augen schmerzt, dann wieder eine schattige Allee; schmutzige Kinder vor ärmlichen Hütten inmitten von Abfall und Kuhdung, freundliche, neugierige Menschen; rot bemalte Steine unter einem Baum als Ort der Besinnung und des Gebetes; verfallene Paläste und Ruinen riesiger Festungsanlagen - Madhya Pradesh. Ein zerklüftetes Hochland inmitten von Indien, reich an bedeutenden Kulturgütern und landschaftlicher Schönheit, aber schwierig zu bereisen. Der Staat ist arm und fast 60% der Bewohner sind Analphabeten. Das bedeutet natürlich ebenfalls, dass die Wenigsten englisch sprechen. Mit der Armut und der relativ dünnen Besiedelung ist auch der katastrophale Zustand der Strassen zu erklären, der uns sehr zu schaffen macht.

Irgendwo unterwegs...  

Irgendwo unterwegs...

Mandu ist ein kleines Dorf auf einem grossen Felsplateau von etwa 20 Quadratkilometern, welches fast vollständig von einer Mauer umgeben ist. Früher war Mandu eine riesige Festungsstadt und von diesen vergangenen Zeiten zeugen die mehr oder weniger gut erhaltenen Ruinen grosser Paläste, Tempel und Pavillons.

Zeugnisse vergangener Kulturen in Mandu  

Zeugnisse vergangener Kulturen in Mandu

Wir waren fast den ganzen Tag unterwegs, um die wichtigsten Überreste dieser vergangenen, glorreichen Zeit zu besuchen. Dass einige der Paläste so gross sind, kommt nicht von ungefähr. Soll doch einer der Könige hier einen Harem von bis zu 15'000 Frauen gehabt haben. Auch wenn dem Hofschreiber vor 500 Jahren eine Null zuviel unterlaufen sein sollte, wäre es immer noch eine "beeindruckende" Zahl.

Pilger in einem der Paläste von Mandu  

Pilger in einem der Paläste von Mandu

In das abgelegene Mandu verirren sich vor allem indische Touristen und wir werden immer wieder gefragt, ob sie sich zusammen mit uns fotografieren dürfen. Na klar doch, wir fotografieren die Einheimischen ja auch gerne (mit dem Unterschied allerdings, dass wir gratis zu haben sind).

Samstag, 15. Dezember 2001

Von Mandu aus fuhren wir aufgrund der Empfehlung eines Fremdenführers, welchen wir hier getroffen haben, ins nur etwa 50 km entfernte Maheshwar. Es soll dort eine teure, aber alles in den Schatten stellende Unterkunft in einem Schloss geben. Nach einigem Herumirren fanden wir diesen Palast dann tatsächlich. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass hier Zimmer vermietet werden. Es gibt auch keine Reception und der Mahardscha, welcher üblicherweise hier wohnt, ist leider momentan in Delhi. Natürlich konnte wieder niemand englisch, aber immerhin hatte die Angestellte den Zimmerpreis auf einem Zettel notiert. Wir liessen uns die zwei Zimmer zeigen von welchen aus man direkt auf die wirklich sehenswerten Ghats, den Fluss und weit über das Land blickt. Direkt am Ufer unterhalb des Palastes gibt es eine Ansammlung von sehr schönen Tempeln und die ganze Anlage der Festung mit den Tempeln und den Ghats ist tatsächlich einen Umweg wert und sehr beeindruckend.

An den Ghats von Maheshwar  

An den Ghats von Maheshwar

Ebenso beeindruckend war leider der Preis der Unterkunft. Also verliessen wir Maheshwar wieder und machten uns auf den beschwerlichen Weg nach Süden. Kurz vor Dunkelwerden erreichten wir endlich Dhule, eine grössere Stadt und fanden ein annehmbares Hotel. Das Zimmer ist zwar völlig moskitoverseucht, aber immerhin sind die Betten nicht ganz so hart wie die letzten Nächte. Wir haben jetzt drei Nächte hintereinander auf Holzbrettern mit dünnen Maträtzchen gelegen und kaum geschlafen.

Unterwegs überquerten wir die Grenze zum Staat Maharashtra. Die Männer tragen hier eher Käppis als Turbane und Wickelröcke statt dem Dhoti, man sieht wieder mehr Muslime und infolgedessen auch wieder verschleierte Frauen (was die Tara immer wieder auf's Neue nervt), die Strassen sind etwas besser (was sofort Schwerverkehr nach sich zieht) und es wird hauptsächlich Zuckerrohr und Baumwolle angebaut. Die Zuckerrohrernte ist in vollem Gange und wir kommen an endlosen Kolonnen von Ochsengespannen mit ihren hoch beladenen Wagen vorbei.

Unterwegs, wartend vor einem geschlossenen Bahnübergang  

Unterwegs, wartend vor einem geschlossenen Bahnübergang

Sonntag, 16. Dezember 2001

Wir sind beide etwas reisemüde und die letzten paar Nächte waren auch nicht dazu angetan, unsere Stimmung zu verbessern. Einen kurzen Moment lang überlegten wir uns sogar, unsere nächsten Ziele Ellora und Ajanta links liegen zu lassen und direkt nach Mumbai zu fahren, um so etwas schneller nach Goa und zu unseren wohlverdienten Ferien zu kommen. Aber erstens haben wir wegen den Felsentempeln von Ellora und Ajanta einen mehr als 1000 km weiten Umweg über wirklich schlimme Strassen gemacht und zweitens sind wir jetzt kurz vor dem Ziel. Also fuhren wir plangemäss weiter nach Aurangabad, machten aber zwei Kompromisse. Erstens werden wir nur Ellora besuchen (da näher an Aurangabad) und zweitens fuhren wir schnurstracks ins beste Hotel der Stadt, ins noble Taj Residency und kümmerten uns mal nicht um unser Budget. Am frühen Nachmittag kamen wir an und verliessen das komfortable Zimmer nur kurz zum Abendessen. Ansonsten genossen wir jede Minute im sauberen, klimatisierten Raum, auf den bequemen Betten, vor dem Fernsehe mit Satellitenprogrammen und der Kuchen- und Früchteplatte, welche zur Ausstattung gehört. Und "luden unsere Batterien auf".

Morgen ist Montag und wir haben gehört und gelesen, dass Montags alle vom Staat geführten Monumente geschlossen sind. Aber da wir Indien mittlerweile etwas kennen, fuhren wir - da es auf dem Weg lag - bei Ellora vorbei um uns zu erkundigen. Und siehe da, neuerdings ist Dienstags geschlossen. Zum Glück haben wir das noch überprüft. Sonst wären wir morgen in Aurangabad rumgehangen und am Dienstag vor verschlossenen Portalen gestanden und hätten uns sehr geärgert. Und vielleicht werden wir uns eines Tages ärgern, dass wir Ajanta nicht auch noch besichtigen. Aber das wären wieder 200 km Umweg und ausserdem haben wir im Moment so genug von Sehenswürdigkeiten, dass wir sie gar nicht mehr richtig schätzen können.
Jedenfalls schätzten wir unsere Ruhe heute Nachmittag mehr als die Stadtrundfahrt, welche im Zimmerpreis auch noch inbegriffen gewesen wäre.

Montag, 17. Dezember 2001

Heute hatten wir Pech und Glück.
Als wir vom Hotel wegfuhren fiel uns schon auf, dass praktisch ausnahmslos alle Läden geschlossen hatten. Wir fragten einen Passanten, ob heute ein Feiertag sei und unsere Befürchtung wurde bestätigt. Heute ist der letzte Tag des Ramadan, des alljährlichen islamischen Fastenmonates. Dass lediglich knapp 10% der Inder Muslims sind, spielt keine Rolle. Die Gelegenheit für einen zusätzlichen Feiertag lässt sich kein Inder entgehen. Nachdem wir gestern, Sonntag, Ellora nicht besichtigten um den Scharen von indischen Touristen auszuweichen, schwante uns für heute Schlimmes. Und tatsächlich war der Parkplatz vor Ellora noch voller als gestern. Das war unser Pech.
Man muss dazu vielleicht noch sagen, dass indische Touristen sicherlich zu den Unangenehmsten gehören. Selbst an den spirituellsten und ehrfurchtgebietendsten Orten wird herumgebrüllt, gedrängelt, gespuckt und was der besinnlichen Dinge sonst noch sind. Das Geschrei der lieben Kinderchen wird mit dem eigenen Geschrei übertönt und das rücksichtsvolle Beiseitestehen bis man das Foto gemacht hat, ist hierzulande gänzlich unbekannt.

Unser Glück war, dass wir den Umweg hierher gemacht haben. Ellora ist phantastisch, unglaublich, monumental, einzigartig.
Auf einer Länge von etwa zwei Kilometern wurden im Zeitraum von etwa 500 bis 1000 n.Chr. vierunddreissig Höhlen und Tempel in den Berg gehauen und zwar nacheinander von Buddhisten, Hindus und Jains. Manche Höhlen umfassen drei Stockwerke, gehen bis dreissig Meter in den Fels hinein und sind je nach Religion der Erbauer mit grossen, Harmonie und Ruhe ausstrahlenden Buddhafiguren oder mit der ganzen Üppigkeit der hinduistischen Götter- und Fabelwelt ausgeschmückt.

In einem der Tempel von Ellora  

In einem der Tempel von Ellora

Um einen der Tempel zu beschreiben, zitieren wir hier ausnahmsweise aus unserem Reiseführer ("Indien - der Süden" aus der Reihe "Reise Know-How"):
"Zu behaupten, der ziemlich genau in der Mitte der 34 Höhlentempel platzierte Kailashanatha-Tempel sei das grossartigste Bauwerk Elloras, kommt noch einer gewaltigen Untertreibung gleich. Ohne Frage zählt dieses ... Heiligtum zu einem der grossartigsten Sakralbauten Südasiens. Einzigartig, ja geradezu abenteuerlich erscheint allein die architektonische Grundidee. Im eigentlichen Sinne handelt es sich bei dem Kailashanatha nicht um ein Bauwerk, sondern um eine gigantische Skulptur in Form eines Tempels. In jahrelanger, mühsamer Kleinarbeit mussten die Arbeiter insgesamt 150'000 Tonnen des harten Vulkangesteins abtragen, bis ein 60 x 90 m grosser und 30 m tiefer Hohlraum entstand, in dessen Mitte ein 30 x 60 m grosser Felsblock stehen gelassen wurde. Hieraus meisselten die Steinmetze und Bildhauer einen Tempel im typisch südindischen Stil mit Torbau, Hof, Schrein, mehreren Vorhallen und einem sich nach oben verjüngenden Stufenturm. So symbolisiert dieses gigantische Felsheiligtum den Berg Kailash in Tibet, der nach dem Glauben der Hindus der Mittelpunkt der Erde und Wohnsitz der Götter ist und auf dessen Spitze Shiva thront."

Der Kailashanatha-Tempel in Ellora  

Ein Teil des Kailashanatha-Tempels in Ellora

Mit etwas Ruhe und weniger Leuten wäre es noch eindrücklicher gewesen und leider lief uns auch die Zeit davon, wollten wir doch vor dem Dunkelwerden wieder im Hotel sein (erste Autofahrregel in Indien: fahre absolut NIE bei Dunkelheit!). So sahen wir nicht mal die Hälfte der Felsentempel. Wir haben aber auch ziemlich viel Zeit damit verplempert, in indische Kameras zu lächeln. Wenn wir heute jedes Mal 10 Rupies für ein Foto von uns verlangt hätten, wäre mindestens ein gutes Abendessen dabei herausgesprungen. Immerhin hat es keiner der jungen Männer auf dem Bild unten gewagt, Tara auch nur mit dem kleinen Finger zu berühren (dank den warnenden Blicken von Zoltan).

Beliebtes Fotomotiv der Inder  

Beliebtes Fotomotiv der Inder

Und jetzt geniessen wir wieder unser Luxus-Zimmer im Taj-Hotel. Damit man diesen Genuss nachvollziehen kann, hier noch ein paar Worte zu indischen Hotelzimmern. In jedem Zimmer findet man mindestens einen der folgenden Mängel, meistens aber eine Kombination von mehreren: Das WC ist verstopft oder der Spülkasten ist defekt; es gibt kein Toilettenpapier oder keine Handtücher; aus der Dusche (sofern vorhanden) kommt nur ein Tröpfeln; der Warmwasserboiler ist gerade defekt; die Bettwäsche ist schmutzig; das "Bett" ist nur ein Holzbrett; wenn es einen Fernseher hat, ist gerade die Satellitenschüssel defekt; damit nichts den Blick auf die vergammelten Wände ablenkt, wird gar nie ein Bild oder ein Spiegel oder sonst was "gemütliches" aufgehängt; das Moskitonetz vor dem Fenster hat grosse Löcher; die Vorhänge kann man nicht zuziehen, weil die Hälfte der Vorhangringe fehlt; der Teppich ist so schmutzig, dass man die Schuhe lieber nicht auszieht; die Standardbeleuchtung ist eine Neonröhre an der Decke und man ist auch nie alleine im Zimmer - immer hat es irgendwelche Viecher. Und wir sprechen hier wohlgemerkt nicht von den billigen Hotels sondern von der sogenannten "Touristenklasse". Meistens haben wir auch kein Problem mit diesen Problemchen sondern versuchen, es mit Humor zu nehmen. Aber wenn dann mal alles stimmt, ist es schon toll und umso mehr geniessen wir es.

Dienstag, 18. Dezember 2001

Von Aurangabad bis Mumbai sind es etwa 400 km, also an einem Tag nicht zu schaffen. Mitte Nachmittag waren wir erst in Nashik, etwa auf der Hälfte des Weges. Und als wir ausgangs Stadt eine grosse Toyota-Garage und direkt daneben ein Hotel sahen, änderten wir spontan unsere Pläne. In Mumbai wäre sowieso ein grosser Service auf dem Programm gestanden. Aber in einer 15-Millionen-Stadt mit dem Auto auf der Suche nach einer Toyota-Garage rumzufahren, wäre wahrscheinlich ziemlich nerven- und zeitraubend gewesen. So nutzen wir die Gelegenheit, verbringen hier zwei Nächte und lassen morgen den Service machen.

Da es noch hell war, besuchten wir noch einen kleinen Gemüsemarkt in der Nähe. War das ein Aufruhr! Keiner interessierte sich mehr für Kohlköpfe, dafür umso mehr für uns. Man wollte fotografiert werden, wir wurden um Autogramme gefragt (!), man schleppte Stühle für uns herbei und drückte uns je eine Cola in die Hände (von einer Marktfrau spendiert), den Chef (der Marktes?) mussten wir natürlich auch begrüssen und der Menschenauflauf war so gross, dass kein Durchkommen mehr war. Leider konnten lediglich zwei junge Burschen ein paar Brocken englisch und so gestaltete sich die Kommunikation etwas schwierig. Jedenfalls wussten wir schon gar nicht mehr, wie wir uns bedanken sollten und waren richtig gerührt. Es ist wirklich sensationell, wie freundlich und herzlich diese Leute sind.

Die Marktfrauen hier posieren gerne für uns  

Die Marktfrauen hier posieren gerne für uns

 

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