07.12.2001 Rajastan, Träume aus Tausendundeiner
Nacht
Donnerstag, 29. November 2001
Die meisten Kamele haben Pushkar bereits verlassen und so machten auch
wir uns heute auf den Weg, ohne den religiösen Höhepunkt der
Pushkar Mela abzuwarten. Rajastan ist riesig und wir haben mit Schrecken
festgestellt, dass wir Weihnachten wahrscheinlich irgendwo auf der Landstrasse
um Mumbai verbringen müssen statt an einem idyllischen Strand in
Goa, wenn wir uns nicht langsam sputen.
Unser heutiges Ziel war Jodhpur, auch "Gateway to the desert"
genannt. Nach fünf Tagen im Auto hausend sehnten wir uns nach einem
grösseren Zimmer, in dem man sich nicht ständig auf die Füsse
tritt und in dem man das anstrengende Indien einfach mal für ein
paar Stunden ausschliessen kann. In Jodhpur gäbe es eines der schönsten
Hotels Indiens, mit Suiten für über 1000 Dollar pro Nacht. So
viel Luxus muss nicht sein aber immerhin haben wir wieder mal einen Fernsehen
im Zimmer und können unsere Neugierde darüber stillen, was in
den letzten Tagen so alles passiert sein mag auf der Welt.
Mittagspause machten wir irgendwo auf der Strecke zwischen Pushkar und
Jodhpur und wären dort fast hängengeblieben. Wie immer wenn
wir anhalten, erregen wir das Interesse der Einheimischen. Diesmal interessierte
sich der Bürgermeister des Dorfes höchstpersönlich für
uns. Ein ziemlich junger, gebildeter Mann dessen Sippe die "Landlords"
dieser Gegend stellen. Wir haben fast zwei Stunden mit ihm und seinem
Onkel über Gott und die Welt diskutiert und es war höchst interessant.
Obwohl er, wie gesagt, sehr gebildet und intelligent schien hat er unter
Anderem allen Ernstes behauptet, dass ein 40 kg schwerer Stein aus einem
bestimmten Tempel in seinem Dorf auf dem Wasser schwimmen würde.
Er lud uns wiederholt ein, bei ihm zu wohnen und das "richtige"
indische Dorfleben zu erleben. Und ausserdem hat er uns, respektive Zoltan
aus den Händen gelesen. In Zoltans rechter Hand hat er gelesen, dass
Zoltan stur sei aber warmherzig und in seiner Linken (der Frauenhand)
hat er gelesen, dass Tara beliebt sei und Politik als Hobby oder Beruf
habe. Und ausserdem seien wir beide reich. Wobei er aber eingeräumt
hat, dass dies eine einfache Aussage sei, weil alle Touristen reich sind,
denn sonst könnten sie sich so eine Reise gar nicht leisten. Es war
sehr lustig und hätten wir beide nicht das Bedürfnis nach einem
komfortablen Hotelzimmer gehabt, hätten wir seine Einladung wahrscheinlich
angenommen. Wir haben sicher etwas verpasst, aber wir waren einfach nicht
in der richtigen Stimmung für noch mehr Landleben.
Freitag, 30. November 2001
Jodhpur ist die blaue Stadt Rajastans, auch "Stadt des Lichtes"
genannt (man ist hier sehr erfinderisch, was Namen aber auch Geschichten
und Sagen betrifft). Fast alle Häuser in der Altstadt welche sich
rings um das Fort ausdehnt, sind blau gestrichen - ein einzigartiger Anblick.
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Blick über die Altstadt von Jodhpur mit
ihren blauen Häusern
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Am beeindruckendsten jedoch ist das Mehrangarh-Fort, welches sich auf
einem 120 Meter hohen Felsen mitten aus der Stadt erhebt; gewaltig, monumental,
märchenhaft. Die Palastanlage ist etwas vom Schönsten, was wir
bisher gesehen haben. Die mehrstöckigen Gebäude mit ihren Erkern,
Balkonen, Simsen und Türmen sehen aus, wie wenn sie aus Holz geschnitzt
wären, so filigran und üppig sind die Steinmetzarbeiten. In
den Räumen selbst sind viele Wandmalereien, Glasfenster, Spiegelmosaike,
goldverkleidete Kastendecken und sogar einige Möbel und Teppiche
erhalten geblieben. Böden, Wände und Säulen sind aus weissem
Marmor, welcher effektvoll zum roten Sandstein kontrastiert. Alles ist
gut erhalten und in den Ställen stehen sogar Pferde. Die dicken,
zinnenbewehrten Mauern sind mit unzähligen alten Kanonen bestückt
und in den mächtigen Felsen unterhalb der Mauern nisten Geier.
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Das Mehrangarh-Fort in Jodhpur
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Neben einem der riesigen Festungstore haben Ehefrauen früherer Mahardschas
ihre Handabdrücke hinterlassen, bevor sie ihren verstorbenen Männern
auf den Scheiterhaufen folgten. Die letzte Wittwenverbrennung in Jodhpur
soll übrigens 1956 stattgefunden haben. Man munkelt aber, dass Sati
immer noch vorkomme in Indien.
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Makabres Zeugnis eines grässlichen Rituales
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Auch das Museum im Fort war sehenswert. Wissen wir jetzt doch, dass richtige
Rajputen jeden Monat eine andere Turbanfarbe tragen und dass man vom Turban
auf Kaste, Glaube und Herkunftsort schliessen kann.
Um 13 Uhr wurden dann alle Besucher aus dem Museum getrieben, weil das
Personal eine Stunde Mittagspause macht. Ansonsten ist die Anlage ziemlich
untypisch für Indien; es hat keine Bettler oder falsche Fremdenführer,
dafür jede Menge Abfallkörbe und im Museum gibt es die Erklärungstafeln
auch in englisch!
Etwas entfernt vom Fort aber auf der gleichen Hügelkette liegt das
Grabmal Jaswant Thada, welches einer der Maharadschas für seine verstorbene
Frau errichten liess. Eher ein Palast denn ein Grabmal wiederspiegelt
auch dieser Traum aus weissem Marmor den unermesslichen Reichtum dieser
Fürsten.
Wir beschlossen den Tag mit einem Spaziergang durch die engen Gassen der
Altstadt mit ihren blauen, zum Teil ebenfalls mit wunderbaren Steinmetzarbeiten
verzierten Häusern. Leider erstickt auch Jodhpur in Dreck und Abgasen
und nach einer Stunde in solchen Städten sehnt man sich nur noch
nach zwei Dingen: Ruhe und frische Luft.
Samstag, 1. Dezember 2001
Und genau das haben wir jetzt - Ruhe und frische Luft. Wir sitzen auf
den Zinnen eines alten Forts in der Wüste, vor uns der Sonnenuntergang,
neben uns ein kühles Bier und unter uns das Dorf Pokaran in dessen
Mitte das Fort steht. Ein Teil des Palastes wurde in ein Hotel umgewandelt
und in einem der, eher einem Museum ähnelnden Zimmer haben wir uns
für heute einquartiert.
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Wir geniessen die Ruhe im Garten des Forts
von Pokaran
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Wir sind die einzigen Gäste und der Manager liess es sich nicht
nehmen, mit uns vorher einen ausgedehnten Spaziergang durchs Dorf zu machen
(um nebenbei bei seinen Freunden Eindruck zu schinden...). Viel Touristen
wird es hier kaum haben und wir kommen uns vor, wie die Rattenfänger
von Hameln, gefolgt von einer riesigen Kinderschar und obendrein bestaunt
wie Ausserirdische. Wir erhalten dafür einen eindrücklichen
Einblick ins Dorfleben und in dessen hauptsächlichste Einnahmequelle,
die Töpferei. Die Frauen verzieren die frisch geformten Gefässe
mit den allereinfachsten Hilfsmitteln: Strohhalme, Armreifen und alte
Kämme dienen als Werkzeuge.
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Ein Töpfer mit seiner Frau vor dem verzierten
Eingang zu ihrem Haus
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Auch hier hat es einige der alten, wunderbar verzierten Haveli-Häuser
und ausserdem gibt es einen kleinen See am Dorfrand, welcher jetzt im
Winter Aufenthaltsort allerlei Zugvögel ist. Nebst vielen Wasservögeln
und einer grossen Kolonie Kraniche sahen wir sogar einige Pelikane. Und
das mitten in der Wüste!
Die 200 km von Jodhpur hierher waren wiedermal richtig schön zum
fahren. Die Strasse wird vor allem von Kühen, Kamelen und Pfauen
benutzt. Rings um uns Halbwüste, deren Sanddünen ab und zu schon
über die Strasse wandern. Manchmal sitzen glänzende Farbtupfer
am Strassenrand - Rajastani-Frauen in ihrer ganzen Pracht. Die Frauen
tragen hier vor allem weite, bestickte Röcke und Blusen und darüber
und über den Haaren ein dünnes Tuch, ebenfalls oft mit Goldstickereien
oder kleinen Spiegeln verziert. Und vor allem tragen sie selbst zur Feldarbeit
allen Schmuck, den sie besitzen. Knöchelketten und Zehenringe in
schwerem Silber, bunte Armreifen am Unterarm, elfenbeinfarbene Armreifen
vom Ellbogen bis unter die Achseln, goldene Ohrringe und grosse Nasenringe,
manchmal mit einer Kette über die Wange bis zu den Schläfen
reichend. Die Fuss- und Handflächen sind mit Henna gefärbt oder
mit Mustern aus Henna "tätowiert". Die Männer tragen
bunte Turbane und Halstücher, weisse, lange Hemden und den Dhoti,
das typische Beinkleid der Inder. Der Dhoti besteht aus einem weissen,
rechteckigen Baumwolltuch welches zwischen den Beinen durchgezogen und
um die Hüften geknüpft wird.
Auf unserem Turm wurde es langsam dunkel, die ersten Fledermäuse
flatterten über unsere Köpfe und einzelne Häuser des Dorfes
erstrahlen in buntem Lichterglanz. Dort wird geheiratet und zu diesem
Anlass wird das Haus mit Lichterketten, Girlanden und Malereien geschmückt.
In diesen Tagen finden wegen der günstigen Sternenkonstellation besonders
viele Hochzeiten statt. In Jaipur sollen es letzte Woche an einem einzigen
Tag über 600 gewesen sein. Das haben wir leider verpasst.
Unser Abendessen genossen wir in einem etwa 10 Meter hohen Raum, mit
Kristalllüstern und innenliegenden Erkern, der barfüssige Kellner
beobachtete jeden Bissen, den wir zum Mund führten und der Manager
stand ebenfalls in Habachtstellung neben uns, alle zwei Minuten fragend,
ob wir noch etwas wünschen.
Sonntag, 2. Dezember 2001
Jaisalmer. Traum aus Tausendundeiner Nacht, Goldene Stadt, ein einziges
grosse Freiluftmuseum - Reiseführer und andere Reiseberichte überschlagen
sich vor lauter Begeisterung und tatsächlich ist diese alte Karawanenstadt
etwas Spezielles. Schon von weitem sieht man die auf einem Felsen gelegene
Festungsstadt aus der flachen Wüste auftauchen wie eine Fata Morgana.
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Jaisalmer
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Ganz aus goldgelbem Sandstein erbaut beherbergten die mächtigen
Mauern nicht nur den Palast, sondern jahrhundertelang auch die ganze Stadt.
Erst im 17. Jahrhundert bildete sich am Fusse des Felsens die "Neustadt",
ebenfalls aus gelbem Sandstein erbaut und mit vielen, wunderschönen
Haveli-Häusern. Die Steinmetzarbeiten sind noch reichhaltiger und
noch filigraner als anderswo und dank des trockenen Wüstenklimas
auch erstaunlich gut erhalten.
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Eines der alten Haveli-Häuser in Jausalmer
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Eigentlich wäre Jaisalmer wirklich ein Traum in der Wüste -
wäre da nicht der Alptraum Tourismus. In der kleinen Stadt gibt es
weit über 100 Hotels und mindestens ebenso viele Restaurants, die
meisten der ehemaligen kleinen Läden und Werkstätten wurden
in Souvenirshops umfunktioniert und vor lauter Reklametafeln und bunten
Decken, Kleidern und Tüchern an den Mauern sieht man die Häuser
fast nicht mehr. In den Hotels und Restaurants herrscht gähnende
Leere und um die wenigen, verbliebenen Touristen wird ein noch erbitterter
Kampf als anderswo geführt.
Ein Inder hat uns erzählt, dass etwa noch 10% der sonst üblichen
Menge Touristen kämen, dass die Stadt keine anderen Einnahmequellen
habe und dass Diwali (welches auf hiesige Verhältnisse übertragen
normalerweise etwa ähnliche Umsätze generiert wie bei uns Weihnachten)
dieses Jahr kein Fest der Freude sondern sehr traurig gewesen sei.
So schlimm das für die Einheimischen auch ist - für uns ist
es ebenfalls nicht lustig. Wir haben es langsam so satt, keine zwei Meter
gehen zu können ohne dass man uns in irgendeinen Laden schleppen,
uns irgendetwas andrehen oder um etwas anbetteln will. Selbst beim Abendessen
wollte man uns eine Kamelsafari aufschwatzen und in unserem Hotel, in
dem lediglich zwei Zimmer besetzt sind, warten jede Menge Marionettenspieler,
Tänzer und Musiker vor den leeren Stühlen. Es ist deprimierend.
Und den geplanten Ausflug nach Khuri werden wir auch nicht machen. Scheinbar
hat sich dieses abgelegene Wüstendorf (dank der fleissigen Erwähnung
in allen Reiseführern als "Geheimtipp") in den letzten
Jahren in ähnlichem Stil wie Jaisalmer entwickelt und die Bewohner
lassen sich mittlerweile lieber für Geld fotografieren als Ziegen
zu hüten.
Als Mitbewohner haben wir heute eine kleine Maus im Zimmer. Süss.
Und heute Morgen fiel Zoltan ein Gecko auf die Schulter, als er die Vorhänge
öffnete. Beide sind ziemlich erschrocken!
Montag, 3. Dezember 2001
Den heutigen Vormittag verbrachten wir im ruhigen, schattigen Hotelgarten
mit Lesen und dem Schreiben von E-Mails und den halben Nachmittag sassen
wir im Internet-Café. In der Schweiz waren Abstimmungen und die
Armeeinitiative (oder war es ein Referendum?) war sogar BBC World eine
Meldung wert. Da mussten wir uns natürlich näher informieren
und ausserdem interessierten uns natürlich auch die Resultate der
Gemeinde-Abstimmungen.
Zwischendurch schlenderten wir durch die wunderschöne Altstadt mit
den üblichen, weniger schönen Begleiterscheinungen. Zum Sonnenuntergang
fuhren wir auf einen, etwas ausserhalb gelegenen Hügel, von dem aus
man einen schönen Blick auf die Festungsstadt hat. Wir dachten uns
die Häuser und Strommasten auf der Ebene weg und sahen stattdessen
die Kamelkarawanen wie vor hundert Jahren hier Halt machen, auf dem Weg
in den Vorderen Orient, beladen mit kostbaren Frachten aus Seide, Opium
und Gewürzen.
In der Nähe von Jaisalmer steht übrigens das erste Windkraftwerk,
welches wir bisher in Indien sahen. Die Gegend hier ist aber auch prädestiniert
dafür. Die Winde streichen ungehindert über's Land und wir wundern
uns höchstens, warum es nicht mehr solche Anlagen gibt.
Dienstag, 4. Dezember 2001
Wir fuhren auf dem gleichen Weg nach Jodhpur zurück, 300 km durch
hitzeflirrende Wüste. Im CD-Player lief wieder mal Göla - "Uf
und dervo" in breitestem Berndeutsch - und draussen glitt das bunte,
indische Leben an uns vorbei. Irgendwie surreal.
Ab und zu hüpften erschrockene Gazellen vorbei oder ein Kamel schlenderte
lässig über die Strasse. Die Einheimischen, die am Strassenrand
sitzen, winken uns nach. Meistens bedeutet das Winken jedoch, dass sie
mitgenommen werden wollen. In Indien macht die ganze Bevölkerung
Autostopp. Vor allem auf dem Land ist dies - nebst dem Zufussgehen - die
gebräuchlichste Art der Fortbewegung. Auch Lastwagen die noch Platz
auf der Ladefläche haben, nehmen Leute mit. Und die klapprigen Busse
halten sowieso überall an, wo Leute am Weg stehen - natürlich
ohne zu blinken und immer mitten auf der Strasse.
In Jodhpur schaffte es dann so ein dämlicher Autofahrer, uns auch
noch die andere Seite der Stossstange einzudrücken. Es ging ihm wohl
zu wenig schnell und so meinte er, er müsse uns auf der linken Seite
überholen. Als Zoltan ziemlich wütend ausstieg, fuhr er rückwärts
davon und machte sich aus dem Staub. Na ja, jetzt ist unsere Stosstange
wenigstens symmetrisch verbeult.
Und wir fuhren schnurstracks ins gleiche Hotel wie letztes Mal und gönnten
der Chaosstadt Jodhpur keinen einzigen Blick mehr.
Mittwoch, 5. Dezember 2001
Praktisch Querfeldein ging es heute von Jodhpur nach Deogarh, einem kleinen
Nest mit einer einzigen Attraktion, dem zum Hotel umgebauten Palast. Wir
trafen in Pushkar Leute die mit der Besitzerfamilie verwandt sind und
die uns diesen Ort empfahlen. Ausserdem lobt unser Reiseführer diesen
Palast als das schönste Heritage-Hotel in ganz Rajastan. Also fanden
wir, es sei den Umweg wert und wurden nicht enttäuscht. In Rajastan
wimmelt es ja nur so von Palästen, in denen man wohnen kann - Deogarh
Mahal ist aber wirklich besonders schön. Jeder Raum ist anders, einzigartig
und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Wir nahmen das Turmzimmer
(eines der billigsten Kategorie) aber auch hier fühlen wir uns wie
kleine Maharadschas, mit eigener, zinnenbewehrter Veranda, Kissen in den
Mauernischen und einem fantastischen Blick über das Dorf und die
Gegend.
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Auf dem Parkplatz im Schlosshof müssen
wir wieder mal unser Auto zeigen
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Indien zu beschreiben fällt einem manchmal schwer. Die Tage sind
voll von Eindrücken, die man nicht in Worte fassen kann. Und mit
den Fotos kann man auch die Gerüche und Geräusche nicht wiedergeben.
Hier einige Impressionen von heute:
Die in allen Regenbogenfarben bemalten Hörner des uns entgegenkommenden
Ochsen sind fast einen Meter lang. Der Berg auf der Strasse entpuppte
sich beim Näherkommen als riesiger Arbeitselefant. Die Menschen sind
dunkelbraun, klein und zartgliedrig. Die fünf alten Männer,
im Schneidersitz unter einem Baum auf dem Dorfplatz sitzend, reichen gerade
ein Chilom herum (Haschischpfeife). In dieser Gegend sind die Turbane
neonfarben - pink und orange. Im Gebirge warnt eine Tafel vor den Bären.
Ein Kalb frisst genüsslich die geopferten Blüten aus dem kleinen,
mit bunten Fahnen geschmückten Tempelchen. Giftgrüne Papageien
beäugen uns misstrauisch, als wir Halt machen. Die Frauen scheinen
neue Farben erfunden zu haben, so bunt sind sie gekleidet. Aber die bunten
Kleider der Strassenarbeiterinnen sind unter der gelben Staubschicht zu
Pastellfarbenen geworden. Die Höfe bestehen aus einigen Stroh- und
Lehmhütten, mit einer hohen Mauer drumherum. Die Felder sind mit
Dornbüschen eingefasst um die Kühe abzuhalten. Die Gegend scheint
lebensfeindlich und doch hat es überall Menschen. Sie sitzen am Strassenrand,
auf eine Mitfahrgelegenheit wartend oder liegen unter einem Busch, Siesta
machend oder treiben in der Ferne einige Ziegen über das sandige
Land oder kommen uns entgegen, mit riesigen Reisigbündeln auf dem
Kopf (dies aber ausschliesslich Frauen). Die Strasse ist zwei Meter breit,
aber für die Kühe und uns genügt das. Die Menschen sind
sehr hilfsbereit und so finden wir problemlos unseren Weg.
Donnerstag, 6. Dezember und Freitag, 7. Dezember 2001
Vorgestern und gestern Abend genossen wir das erste gute Glas Wein auf
unserer Reise, sassen vor dem wärmenden Feuer im Schlosshof und lauschten
den Geschichten und Anekdoten eines der Söhne des Maharadschas. Der
Palast ist wie eine Oase und wir geniessen jede Minute, schwatzen mit
den Angestellten, lesen viel, planen die Route für die nächsten
zwei, drei Wochen und zwischendurch machen wir einen Spaziergang durch
das, für indische Verhältnisse ziemlich saubere Städtchen.
Hier sind wir die einzigen Bleichgesichter weit und breit und wir geniessen
es, lediglich von den Kindern um die üblichen "Pen" angebettelt
zu werden. Die Ladenbesitzer balgen sich darum, möglichst vorteilhaft
fotografiert zu werden und die, die uns etwas verkaufen möchten akzeptieren
ohne grosses Drama unser Nein.
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"Ich will aber auch noch auf's Bild!"
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Wir diskutieren mit einem Dorflehrer und stolpern dann sogar in eine
Hochzeit respektive in die Vorbereitungen des Bräutigams. Dieser
opfert gerade an einem Hausaltar bevor er, angeführt von einem Trommler
und gefolgt von ein paar Dutzend älteren Frauen seinen Weg durch
das Dorf antritt.
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Der Trommler macht sich bereit, um den Bräutigam
durchs Dorf zu führen
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Indische Hochzeiten dauern bis zu sieben Tage und sind ein sehr lautes
Spektakel. Musik und Gesang liegt den ganzen Tag und die ganze Nacht über
dem Dorf, Feuerwerkskörper knallen und immer wieder gibt es die verschiedensten
Prozessionen durch die Strassen. Wir sind mit dem Ablauf nicht ganz vertraut,
aber irgendwann muss der Bräutigam die Braut aus dem Haus ihrer Eltern
abholen und zum Haus seiner Eltern bringen, wo sie wohnen werden.
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Der Bräutigam sieht etwas unglücklich
aus (und sehr jung)
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Auch die Mitgift und die Geschenke werden in feierlichen Umzügen
durch Dorf getragen. Abends wird die Dorfmusik von sich überschlagenden
Radios abgelöst, aus welchen indische Volksmusik plärrt und
ab und zu auch etwas Discomusik. Unterstützt wird die Kakafonie morgens
und abends vom Muezzin, welcher hier nicht 5 Minuten sondern 45 Minuten
jault. Die Muslime sind schliesslich in der Minderheit und müssen
deshalb umso lauter auf sich aufmerksam machen.
Auf dem Weg durchs Dorf wird Tara dann noch von einigen Frauen in einen
Laden gewunken, in welchem billiger Tand wie Armreifen und Tikas (der
Punkt auf der Stirn heisst Tika und wird heute auch - statt aufgemalt
- als Abziehbildchen zum Aufkleben verkauft) angeboten werden. Tara wird
von den Frauen eifrig beraten (die Armreifen die sie trägt finden
gar keine Zustimmung, weil sie viel zu gross seien) und ausserdem wird
sie auch ausgiebig angefasst. Man will wissen, ob sich weisse Haut anders
anfühlt als braune Haut und auch die Haare sind anders und überhaupt
geniessen es die Frauen, mal ungeniert so nahen Kontakt zu einer Ausländerin
zu haben. Tara geniesst es auch und lässt sich geduldig die Handknochen
zusammenquetschen, um möglichst kleine Armreifen überziehen
zu können. Eine zieht dann noch ihre schweren Fussketten aus und
befestigt sie um den weissen Knöchel und der Ladenbesitzer von Vis-à-vis
bringt ein paar rote Schnabelschuhe und natürlich darf der Tika auch
nicht fehlen und das glücksbringende rote Band auch nicht und alle
haben Spass. Schlussendlich verlässt Tara den Laden mit einem Duzend
rotgoldener Glasarmreifen unter dem beifälligen Gemurmel und dem
Gekicher der Frauen.
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Inderinnen (und eine Weisse) im Schmuckladen
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Hier noch ein kleiner Tipp für alle die nach Indien reisen und kleine
Sachen für die Leute hier mitnehmen wollen: Kugelschreiber, Süssigkeiten
wie Schokolade und Kaugummi, Musterfläschchen mit Parfüm, Shampoo,
Hautcrème und sonst allem, was gut riecht und noch mehr Kugelschreiber.
Und dann genossen wir immer wieder die Ruhe und Aussicht auf unserer
Terrasse. Ein Ort, um die Seele baumeln zu lassen!
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