19.11.2001 Die erotischen Skulpturen von Khajuraho
und das schönste Denkmal der Liebe, das Taj Mahal
Mittwoch, 14. November 2001
Die Tempel von Khajuraho sind wirklich umwerfend! Heute Vormittag besuchten
wir die westliche Gruppe, welche am besten erhalten ist. Nachdem man sich
durch die übliche lästige Masse von Souvenierverkäufern,
sogenannten Fremdenführern und aufdringlich bettelnden Kindern durchgekämpft
hat, gelangt man in einen riesigen, gepflegten Park in welchem etwa ein
Duzend grössere und kleinere Tempel verstreut stehen.
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Die Tempel von Khajuraho
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Alle sind auf grossen Podesten errichtet und der Grösste ist über
30 Meter hoch. Die Tempel sind über und über mit fast meterhohen
Figuren geschmückt. Götter, Musiker, Tänzerinnen, Krieger,
Fabelwesen und Tiere bedecken fast jeden Quadratzentimeter der wunderschön
proportionierten Gebäude.
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Die verzierten Aussenwände der Tempel
von Khajuraho
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Was aber wohl die meisten Touristen anzieht, sind die erotischen Darstellungen.
Der sexuelle Akt ist im ursprünglichen Hinduismus eine Möglichkeit
der Gotteserfahrung und wird auf den Darstellungen genauso andächtig
vollzogen wie andere spirituelle Handlungen. Wenn man bedenkt wie prüde
die Inder sind, dann erstaunt es nicht, dass die Fremdenführer scheinbar
die kuriosesten Erklärungen über diese Statuen abgeben. Wir
wundern uns lediglich über die akrobatischen Leistungen (ob es im
Kopfstand wirklich soviel Spass macht?) und fragen uns manchmal wer denn
hier nun mit wem und wie...
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Skulpturen der deftigen Art in Khajuraho
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Die Eintrittspreis-Praxis treibt hier übrigens noch seltsamere Blüten
als im Iran: Inder zahlen 5 Rupies, Ausländer 250 Rupies - also das
50-fache!
Am späten Nachmittag besuchten wir noch die Jain-Tempel der östlichen
Gruppe und machten dann, dass wir ins Hotel zurückkommen. Im Moment
findet eines der zahlreichen indischen Feste statt (Diwali) und das wird
heute Abend ausgiebig mit Böllern und Krachern (halt mit allem was
Lärm macht) gefeiert. Auf Lärm sind wir nicht scharf und ausserdem
gleicht der Gang durchs Dorf eher einem Spiessrutenlaufen als einem Spaziergang
und jede Rikschafahrt endet mit der Klagerei über die vielen Kinder
zu Hause oder mit der Bettelei nach mehr Geld, Kleidern oder Kugelschreibern.
Donnerstag, 15. November 2001
Heute hat es wieder mal Spass gemacht, im Auto durch die Gegend zu gondeln.
Von Khajuraho Richtung Agra sind die Strassen weitgehend in einem erstaunlich
guten Zustand und da heute auch noch ein Feiertag ist, fast ohne Verkehr
(jedenfalls ohne Lastwagen).
Die Landschaft ist sehr schön; wir sehen Lemuren und Elefanten am
Strassenrand und es wimmelt von grünschillernden Papageien. Ab und
zu taucht wie eine Fata Morgana ein alter Palast in der Ferne auf und
immer wieder säumen bunte Tempelchen die Strasse. Die Dörfer
sind wie ausgestorben. Alle die können laufen oder fahren in die
nächste Stadt, die wenigen fahrbaren Untersätze wie Traktore
quellen über vor lauter fröhlichen Menschen.
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Unterwegs zum Fest in die nächste Stadt
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Heute wird Diwali vor allem mit Tänzen gefeiert. Die Tänzer
sind mit Glöckchen geschmückt und Holzstangen bewaffnet, mit
denen sie im Trommelrhythmus Scheinkämpfe ausfechten (wahrscheinlich
um die Frau, welche verschleiert in der Mitte tanzt). Zu Diwali gehören
auch die verschiedensten Sorten von Süssigkeiten, welche auf bunten
Marktständen aufgeschichtet werden und (nebst den Leuten) auch viele
Wespen und Fliegen anziehen. Die meisten Häuser sind mit bunten Fähnchen
geschmückt und wer dazu kein Geld hat, reiht grüne Blätter
auf eine Schnur oder stellt Palmwedel vors Haus. Aber nicht nur die Häuser
sondern auch die Tiere sind geschmückt. Den Kühen werden die
Hörner bunt angemalt, um den Hals hängen farbige Girlanden oder
Perlenschnüre und auch das Fell wird mit bunten Mustern oder Handabdrücken
versehen. Auch die Ziegen kommen nicht ungeschoren davon und manchmal
sehen wir sogar blaugetupfte Hunde. Indien ist heute noch bunter als sonst.
Wir sind jetzt in Gwalior, etwa 120 km südlich von Agra und Zoltan
ist im Zimmer wieder mal auf Moskitojagt.
Freitag, 16. November 2001
Die letzte Nacht im Hotel war ziemlich laut. Überall krachte es und
die anderen Hotelgäste schienen eine Art Party in den Gängen
zu veranstalten. Heute ist Diwali theoretisch vorbei, aber erstens ist
das wie bei uns am 1. August, es kracht schon Wochen vorher und noch Tage
nachher und zweitens ist Morgen schon wieder irgendein Fest/Feiertag.
Auf jeden Fall scheinen alle ein verlängertes Wochenende genommen
zu haben und sind auf der Strasse, auf dem Weg in die Stadt oder schon
wieder auf dem Rückweg. Uns wird langsam das Bargeld knapp, weil
die Banken seit Tagen geschlossen sind. Sogar die Geldautomaten sind verriegelt.
Bevor wir heute Gwalior verliessen, besuchten wir das alte Fort, welches
weithin sichtbar auf einem Tafelberg errichtet wurde. Die Anlage ist riesig
und besteht aus mehreren Palästen und Tempeln. Der Hauptpalast ist
insofern ungewöhnlich, als die rote Fassade mit blauen Kacheln geschmückt
ist.
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Der Hauptpalast im Fort von Gwalior
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Hierher verirren sich wohl nur selten Touristen und alles macht einen
sehr heruntergekommenen Eindruck. Die Natur ist schon daran, viele Gebäude
wieder zurückzuerobern. Auch haben sich in den alten Gemäuern
einige Obdachlose eingenistet und man muss ständig aufpassen, nicht
in irgendwelche Exkremente zu treten. Die Decken der düsteren Hallen
sind bedeckt mit Fledermäusen welche ärgerlich piepsen, wenn
wir sie stören. Viele schmale Treppen führen in unterirdische,
gruselige Gewölbe (zum Glück haben wir eine Taschenlampe dabei)
und man muss aufpassen, nicht in einen der Brunnen oder der Löcher
zu stürzen, die sich plötzlich im Boden öffnen. Einige
der unterirdischen Räume wurden als Folterkammern gebraucht obwohl
sie ursprünglich scheinbar dazu dienten, der Sommerhitze zu entfliehen.
Die Eisenringe stecken jedenfalls noch in den Wänden, es riecht moderig
und man könnte sich mit Leichtigkeit in den dunklen Gängen verirren.
Das Beeindruckendste der Anlage sind die vielen, in Felsennischen stehenden
und bis zu 17 Metern hohen Figuren nackter Jains, welche den Aufstieg
zum Fort flankieren. Man muss unweigerlich an die durch die Taliban zerstörten
Skulpturen in Afghanistan denken...
Gegen Mittag fuhren wir weiter und dann, kurz vor Agra - oh Wunder -
ein Stück Autobahn! Na ja, wenigstens so was ähnliches, aber
natürlich wird auch diese Strasse von sämtlichen Arten Verkehrsteilnehmern
in jeder erdenklichen Richtung benutzt (Ziegenhirte und Kühe kommen
einem ganz gerne auf der Überholspur entgegen) und so kann man sich
nicht richtig entspannen. Aber immerhin wieder mal den 4. Gang benutzen!
Da wir schon um 14 Uhr in Agra waren, besuchten wir heute noch das Rote
Fort. Die gigantische Burg, ebenfalls aus mehreren Palästen, Pavillons
und Tempeln bestehend (ursprünglich standen weit über 500 Bauwerke
auf diesem Hügel!) wurde von verschiedenen Mogul-Herrschern im 15.
und 16. Jahrhundert errichtet, wobei jeder wohl jeweils den Vorgänger
übertrumpfen wollte. So genügten manchen die wunderschönen
Steinmetzarbeiten am roten Sandstein nicht mehr und man liess ganze Gebäude
abreissen und stattdessen aus weissem Marmor errichten. Und die, denen
das immer noch nicht genügte, liessen den Marmor noch mit Gold bemalen
oder mit Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen verzieren. Wahnsinn!
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Im Roten Fort von Agra
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Da uns das Hotelessen zu teuer ist gingen wir heute Abend in das vegetarische
Restaurant "Zorba the Bhudda" und können nur sagen: so
gut haben wir schon seit langem nicht mehr gegessen. Indische Küche
vom Feinsten und nicht zu scharf.
Samstag, 17. November 2001
Taj Mahal. Wahrscheinlich das schönste aber sicher das meistfotografierte
Bauwerk der Erde. Kaum mit Worten und noch weniger mit einer Fotografie
wiederzugeben.
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Das meistfotografierte Gebäude der Erde:
das Taj Mahal
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Der Anblick des Taj Mahal in der aufgehenden Sonne ist jeden Rappen des
stolzen Eintrittspreises von 25 Franken pro Person wert - und auch jeden
Umweg!
Um sechs Uhr in der Früh standen wir mit hunderten anderer Touristen
frierend (ja, in der Nacht wird es jetzt sehr kühl) vor dem Eingang
und liessen eine pedantische Leibes- und Gepäckvisitation über
uns ergehen. Esswaren, Kaugummis, Zigaretten, Feuerzeuge und auch Stative
sind in der Anlage nicht erlaubt. Ein riesiges Eingangstor gibt den Blick
frei auf das noch im Morgennebel verschwommen sich erhebende Taj Mahal.
Alles ist perfekt symmetrisch angeordnet; der Park, die Wassergräben
in welchen sich das Taj spiegelt, die schönen, aus rotem Sandstein
errichteten Moscheen zu beiden Seiten und auch das Taj selbst - ein Traum
aus schneeweissem Marmor. Diese Schönheit vermittelt einen starken
Eindruck von Frieden und Harmonie und ist sicher in dieser Art einzigartig.
Und natürlich ist auch der Grund für die Errichtung dieses Bauwerkes,
des "Denkmals unvergänglicher Liebe" sympathisch.
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Eine der seitlichen Moscheen des Taj Mahal
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Eigentlich hätten diese starken Eindrücke für heute gereicht.
Aber da wir den teuren Eintrittskarten für das Taj Mahal entnahmen,
dass man damit auch die anderen Sehenswürdigkeiten von Agra und Umgebung
besuchen kann, fuhren wir gegen Mittag in das ca. 40 km entfernte Fatehpur
Sikri. Heute eine Geisterstadt, im 16. Jahrhundert errichtet und ähnlich
wie das Rote Fort bestehend aus verschiedenen Palästen, Gärten,
Moscheen und so weiter. Wir besichtigten zuerst die abseits stehende Moschee,
die grösste Indiens und ganz aus rotem Sandstein mit Einlegearbeiten
aus weissem Marmor errichtet. Im riesigen Innenhof steht ein Mausoleum
aus weissem Marmor welches auch heute noch viel besucht wird, da die Opferung
hier männlichen Nachwuchs verspricht. Das Eingangstor der Anlage
ist 54 Meter hoch - genauso gigantisch in den Ausmassen wie die restlichen
Gebäude.
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Wer hier opfert, bekommt (hoffentlich männlichen)
Nachwuchs
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Den Eintritt muss man sich aber schwer erkämpfen. Wir können
keinen Schritt tun, ohne von aufdringlichen Fremdenführern angequatscht
zu werden ("you only give money, when you are happy..."), ohne
Postkarten, Ketten, Marmorschatullen und ähnlichen Krimskrams unter
die Nase gehalten zu bekommen ("very, very cheap!"), ohne von
Kindern frech nach Geld oder Kugelschreibern angebettelt zu werden und
ohne gefragt zu werden, woher wir kommen ("oh, I have a sister in
Zürich/Genf/etc."). Es ist ABSOLUT MÜHSAM! Als Individualreisender
an den touristischen Höhepunkten Indiens muss man eiserne Nerven
und eine Engelsgeduld haben. Und ab und zu auch laut werden, weil scheinbar
alle Watte in den Ohren haben und trotz perfekter Englischkenntnisse das
Wort "No" nicht kennen. Als Steigerung dieser elenden Anmacherei
wurden wir heute schon einige Kilometer vor Fatehpur Sikri immer wieder
an offiziell aussehenden Strassenbarrieren gestoppt (wir sind es uns ja
gewohnt, ab und zu Strassen- oder Brückenzoll zu bezahlen), aber
das Ganze entpuppte sich dann immer als Versuch der Fremdenführer,
hier schon ein Opfer zu finden. Und dann werden einem auch noch die schönsten
Lügengeschichten aufgetischt so dass man den Eindruck bekommt, ohne
sie verloren und hilflos zu sein. Wenn man ein Foto machen will, hüpfen
einem Kinder vor die Kamera und verlangen nachher aggressiv Geld, wenn
man vor den Moscheen die Schuhe auszieht, sammelt sie jemand ein und verlangt
nachher Geld für seine Dienste, wenn man das Auto abstellt, steht
jemand ungefragt daneben und verlangt beim Zurückkommen Geld fürs
"Aufpassen" und wen man einen Früchtestand fotografieren
will, darf man das natürlich nur gegen Bezahlung. Soviel zu den Sitten
hier. In Nepal war es ja schon schlimm, aber Indien ist in dieser Beziehung
noch viel, viel schlimmer! Sogar die Fahrt von Agra hierher wurde uns
verleidet, weil am Strassenrand unzählige Jungs mit dressierten Bären
stehen welche jedes Mal "Männchen" machen müssen wenn
wir vorbeifahren (damit wir anhalten und sie für ein Foto saftige
Preise verlangen können). Wir mussten ständig aufpassen, nicht
einen der auf die Strasse getriebenen Bären anzufahren. Und wenn
es keine Bären waren, dann angebundene Affen in Röckchen und
Kostümen.
Die eigentliche Geisterstadt umrundeten wir dann lediglich ausserhalb
der Mauern, weil - natürlich - das mit dem gleichen Eintrittsticket
nicht klappte und wir schon wieder 10$ hätten zahlen müssen.
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Auch ausserhalb der Mauern sieht man etwas
von der Geisterstadt Fatehpur Sikri
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Sonntag, 18. November 2001 und Montag, 19. November 2001
Gestern verbrachten wir fast den ganzen Tag mit dem Schreiben von Mails
und Reiseberichten. Erst gegen Abend fuhren wir zum Taj Mahal, um diesen
Ort - wenigstens von Aussen - noch einmal zu sehen.
Heute verliessen wir Agra und machten uns auf den Weg nach Jaipur. Wir
sind jetzt im "Wüstenstaat" Rajastan und die Farben der
Landschaft wechseln langsam von grün zu braun. Die Bäume werden
kleiner und seltener, die Temperaturen steigen wieder über 30°C,
die Holzkarren werden nicht mehr von Ochsen oder Eseln sondern von Kamelen
gezogen und die Kleider der Frauen sind noch bunter.
In Jaipur fanden wir ein Hotel in einem ehemaligen Palast (unser Zimmer
hat sogar ein Himmelbett) und hier werden wir voraussichtlich die nächsten
paar Tage verbringen. Ach ja, und im Garten des Hotels sitzen dicht über
unseren Köpfen wilde Pfauen im Baum und um unsere Füsse huschen
Streifenhörnchen. Wunderschön!
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