23.10.2001 Von Pokhara nach Kathmandu
Sonntag, 21. Oktober 2001
Gorkha, ein höchst geschichtsträchtiger Ort, liegt in einem
Seitental etwa in der Mitte zwischen Pokhara und Kathmandu. Im 17. Jahrhundert
hat sich ein aus Indien flüchtender König hier niedergelassen,
mit seinen Kriegern später das Kathmandu-Tal erobert und damit den
Grundstein für das heute existierende Nepal gelegt. Seine Krieger
wurden später in der ganzen Welt als mutige Kämpfer berühmt.
Noch heute verdingen sich Gurkhas als Söldner, wobei diese aber aus
dem ganzen Land kommen.
Nepal ist wunderschön und wir genossen die Fahrt hierher sehr. Unterwegs
machten wir einen Abstecher in den, hoch auf einem Berg gelegenen Ort
Bandipur. Das Strässchen dorthin war sehr steil und schmal und man
sollte besser nicht aus dem Seitenfenster schauen. Bandipur ist ein fast
mittelalterlich anmutendes Dorf; die alten Häuser an der Hauptstrasse
sind mit holzverzierten Balkonen geschmückt, ein kleiner Tempel steht
auf dem Dorfplatz, an einem Brunnen wäscht sich eine Frau die Haare
- die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein.
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Eine Gasse in Bandipur, einem Ort zwischen
Pokhara und Gorkha
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Vor einem Tempel ausserhalb des Ortes wartet eine angebundene Ziege darauf,
geopfert zu werden. Mit dem Blut einer Schicksalsgenossin wurde auf dem
Platz vor dem Eingang ein grosser Kreis gemalt, in der Mitte liegen bunte
Blütenblätter. In einigen Tagen findet in ganz Nepal das wichtigste
Fest des Landes statt, das "Dasain". Die Schulen sind geschlossen
und viele Leute sind unterwegs, um Verwandte zu besuchen. Im Verlaufe
der Feierlichkeiten werden unzählige Tiere geopfert werden, vor allem
Geissböcke und Jungstiere.
Die Menschen sind, wie bisher überall in Nepal, sehr liebenswürdig
und die Kinder zum knuddeln süss. Zuerst verstecken sie sich schüchtern,
aber das legt sich bald und dann sind sie sehr neugierig und man kann
sich wunderbar mit ihnen unterhalten, auch wenn man gegenseitig kein Wort
versteht. Wir empfinden Nepal auch sauberer als Indien. Noch in der ärmlichsten
Hütte wird ständig gewischt, der Lehmboden mit den Händen
geglättet oder das Himmelblau der Wände aufgefrischt. Und wenn
noch etwas Farbe übrigbleibt, wird der Baum vor dem Haus auch noch
blau angemalt.
Wir waren so bezaubert von diesem friedlichen Ort, dass wir uns zuerst
überlegten, eine Nacht hier zu verbringen. Aber dann fuhren wir doch
weiter bis Gorkha. Und hier genossen wir von der Terrasse des Hotels Bisauni
aus einen spektakulären Sonnenuntergang.
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Sonnenuntergang in Gorkha
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Montag, 22. Oktober 2001
Der Wecker läutete um halb fünf und um fünf Uhr machten
wir uns in völliger Finsternis und unter einem sternenklaren Himmel
auf, um den nahe gelegenen Hügel zu besteigen. Wir benötigten
eine Stunde, um die ca. 2500 Treppenstufen und den steilen Aufstieg zu
bewältigen. Als wir schweissgebadet und mit zitternden Beinen oben
ankamen war es zwar hell, aber ein plötzlicher Wetterumschwung hüllte
die Bergspitze und uns in Nebel und verwehrte uns den Blick auf den Sonnenaufgang
und die Gipfel des Himalaya. Pech.
Wir hatten für diesen Ausflug einen Führer angeheuert, um uns
im Dunkeln nicht zu verlaufen. Das wäre aber nicht nötig gewesen.
Unzählige Einheimische pilgern in diesen Tagen auf den Berg um vor
allem den, auf etwa halben Weg gelegenen Tempel der Göttin Kali zu
besuchen. Dieser Tempel ist Teil des Palastes, welcher als Denkmal für
die Eroberung des Kathmandu-Tales hier errichtet wurde. Der Palast ist
reich geschmückt mit Holzschnitzereien, darunter auch einige der
deftigen Art. Leider ist das Fotografieren im Palast- und Tempelbereich
strikte verboten und jede Menge Soldaten überwachen mit Argusaugen
die Einhaltung der Regeln. Eine weitere Regel besagt, dass man innerhalb
des Tempelbereiches nichts aus Leder tragen darf. Nun, wir sind uns ja
mittlerweile gewohnt, die Schuhe auszuziehen. Die Opferpflöcke für
die Tiere sind vorbereitet und in zwei Tagen wird hier viel Blut fliessen.
Jetzt ist alles bedeckt mit bunten Blütenblättern und farbigem
Pulver, welche die Leute um die verschiedenen Götterstatuen streuen.
Es sind in der Regel Frauen, die diese Opfergaben bringen. Überall
brennen Räucherstäbchen und auch die eigenen Haare werden mit
Blütenblättern geschmückt. Auch Männer streuen sich
Blüten in die Haare und ziehen den Scheitel mit roter Farbe nach.
Und natürlich sind an solchen Orten auch die Sadhus nicht weit. Dieser
hier lässt sich für einige Rupien gerne fotografieren.
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Gegen ein paar Rupien wird fotogen gegrüsst
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An klaren Tagen hat man hier oben wahrscheinlich das Gefühl, die
Welt liege einem zu Füssen. Als wir den Rückweg antraten rissen
die Wolken etwas auf und gaben den Blick frei auf ein riesiges Nebelmeer,
aus welchem sich ringsherum schemenhaft die Berge erheben. Als wir um
halb neun mit einem Bärenhunger im Hotel ankamen, schien die Sonne
an einem wolkenlosen Himmel. Irgend eine Göttin hat es heute früh
nicht so gut mit uns gemeint; wer weiss, womit wir sie erzürnt haben.
Vielleicht wusste Kali schon zum Voraus, dass wir in ihrem Tempel zwar
an die Lederschuhe dachten, Gürtel und Uhrenbändel aber vergassen.
Nach einer kalten Dusche (wir sind wiedermal in einem billigeren Hotel,
was sich anscheinend nebst dem Fehlen von Warmwasser auch am Reichtum
der vielfüssigen Zimmermitbewohner feststellen lässt), vermissten
wir eigentlich nur noch bequeme Liegestühle, um unsere müden
Beine hochzulagern.
Apropos Viecher: in den subtropischen Gegenden Nepals (und natürlich
auch Indiens) wimmelt es von Spinnen. Handtellertgross hängen sie
zwischen den Bäumen, aber auch an Stromleitungen und Telefonmasten.
Manche Bäume sehen aus, wie wenn sie in einem weissen Kokon stecken,
so voll Spinnweben sind sie. Wir hatten so ein Riesenexemplar zum Glück
noch nie im Zimmer, sonst hätte Tara schon mindestens einen Herzinfarkt
gehabt. Aber man kann wirklich kaum irgendwo hinschauen, ohne nicht mindestens
ein solches Horrording im Blickfeld zu haben. Mit den vielen fliegenden
Insekten (unter anderem Moskitos in Bombergrösse) haben sie ja auch
einen reichgeschmückten Tisch.
Nach einem kurzen Spaziergang durch Gorkha, aufgelockert durch ein Glas
Reiswein (Bäh!) und einem wohlverdienten faulen Nachmittag genossen
wir nochmals einen Sonnenuntergang in Technicolor und Breitleinwandformat.
Stark Oskarverdächtig!
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Farbiges Pulver für die Opfergaben wird
auf der Strasse verkauft
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Leider hat der faule Gecko in unserem Zimmer die Insekten noch nicht
wesentlich dezimiert, deshalb schlafen wir - wie an solchen Orten üblich
- in unseren Okawangos. Ungefähr das Sinnvollste, das wir mitgenommen
haben. Okawangos sind Moskitonetze in Schlauchform welche ringsherum geschlossen
sind und also auch vor kriechenden Insekten schützen. Man kann sie
auf jedem Hotelbett gebrauchen, sie stehen von selbst, haben einen Innendurchmesser
von etwa einem Meter und sind in Sekundenschnelle auf 2 cm Dicke und 30
cm Durchmesser zusammengelegt.
Dienstag, 23. Oktober 2001
Frühmorgens wird geschlachtet. Als wir aus dem Hotel traten, sahen
wir gerade noch, wie einer die Machete hob und mit einem einzigen Schlag
einer Ziege den Kopf abtrennte. Dieser kullerte etwas auf die Seite und
der Rest des Körpers musste von zwei Männern festgehalten werden,
weil er noch eine Zeitlang mit den Beinen wild um sich schlug. Ein paar
Meter weiter werden einem eben getöteten Büffel mit Feuer die
Haare abgesengt und das alles auf oder neben der Strasse. An abgeschlagenen
Köpfen kamen wir heute früh noch öfters vorbei, als wir
durch die kleinen Dörfer auf dem Weg nach Kathmandu fuhren.
In jedem Dorf hat es mindestens zwei Brunnen: einen für die Frauen
und einen für die Männer. Da sich die Dörfer entlang der
Strasse erstrecken, kann man der Bevölkerung bei der morgendlichen
Körperpflege zuschauen. Um die Frauenbrunnen ist immer ein farbiges,
fröhliches Getummel. Einige Frauen waschen sich ihre langen Haare,
andere seifen sich mitsamt dem Sari ein und zeigen dabei auch schon mal
den nackten Oberkörper und wieder andere sind schon am Wäsche
waschen.
Junge Männer sind ins Carambol-Spiel vertieft oder Würfeln um
ein paar Rupies, die Mädchen sitzen auf den Schaukeln welche von
vielen Bäumen hängen und die Kinder spielen das Gleiche wie
überall auf der Welt: Himmel und Hölle, Seilhüpfen oder
sie lassen selbst gebastelte Drachen steigen.
Die Strasse führt über weite Strecken an einem reissenden Fluss
entlang, Welcher auf abenteuerlich aussehenden Hängebrücken
überquert werden kann. Nichts für Leute mit Höhenangst,
aber die haben in Nepal ohnehin nichts verloren.
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Holzbrücke über den Trisuli
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Kurz vor Kathmandu sind noch einige hundert Höhenmeter zu überwinden,
bis man endlich im Kathmandu-Valley angelangt ist. Die Stadt selbst -
mittlerweile eine Millionenstadt - empfängt uns mit viel Verkehr
und noch mehr Smog. Im Stadtzentrum waren riesige Menschenmassen versammelt,
Polizei wohin man blickte und das Militär paradierte auf dem Platz
vor dem Königspalast. Wir vermuteten, dass sich auf der reich dekorierten
Tribüne bald das Königspaar einfinden würde. Und tatsächlich,
als wir in die nächste Strasse einbogen, kam uns mit viel Sirenen
und Blaulicht die königliche Limousine entgegen und fuhr langsam
an uns vorbei. So erhaschten wir also auch noch einen ganz nahen Blick
auf den wohlbeleibten König und seine noch dickere Gattin. Die zwei
scheinen beim Volk nicht sehr beliebt zu sein - im Gegensatz zum letzten
König, welcher mitsamt Familie ja vor ein paar Monaten ermordet wurde.
Jedenfalls haben wir vorsichtige Äusserungen in diese Richtung schon
öfters vernommen.
Im Gegensatz zu Pokhara und anderen Orten im Land scheinen die Touristen
nach wie vor nach Kathmandu zu kommen. Die erhofften Preisnachlässe
hielten sich jedenfalls in Grenzen und einige der von uns abgeklapperten
Hotels waren sogar fast ausgebucht. Eigentlich wollten wir etwa 10 Tage
hier verbringen, aber irgendwie hat uns kein Hotel so richtig überzeugt
(oder dann war es zu teuer). Wir sind jetzt vorderhand mal sehr gut unterbracht
in einem ehemaligen, imposanten Palast, können hier aber nur 4 Nächte
bleiben, weil es danach auch ausgebucht ist. Das Hotel ist ziemlich zentral
aber sehr ruhig in einer Seitenstrasse gelegen und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten
im Zentrum können zu Fuss erreicht werden. Nach einer kurzen Verschnaufpause
machten wir uns also auf den Weg, um in der Stadt irgendwo etwas zu essen.
Wir landeten (natürlich) im Stadtteil Thamel und das ist wohl so
ungefähr der touristischste Ort, den man sich vorstellen kann. So
viele Touristen haben wir noch selten auf einem Haufen gesehen. Und das
Angebot ist entsprechend. Von Pizza Hut über das irische Pub bis
zum mexikanischen Restaurant gibt es alles. Das österreichische Beizel
mit den echten Wiener Schnitzel wird zwar gerade renoviert, aber die Spaghetti
Pesto nebenan waren auch sehr gut. In jedem Haus hat es mindestens ein
Internetcafé und einen Trekkingladen und in den Supermärkten
gibt es alles, was das europäische Herz begehrt. Man trägt Shorts
und grosse Ausschnitte, aber es sind ja kaum Einheimische unterwegs, die
sich daran stören könnten. Der Kontrast zu den Bildern von heute
Vormittag könnte kaum grösser sein. Und da wir finden, dass
es hier auch ohne uns zwei genügend Ausländer hat, treten wir
ziemlich rasch den Heimweg an.
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