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05.10.2001  Very british - Shimla und andere Hill Stations im Norden Indiens

Sonntag, 30. September 2001

Unsere "kleinen Ferien" hier in McLeodGanj nähern sich dem Ende, morgen wollen wir weiterfahren. Doch zuerst müssen wir uns die weitere, grobe Route für die nächsten zwei Monate überlegen. Ursprünglich wollten wir zuerst nach Rajastan und dann nach Nepal. Da wir aber einige Wochen früher als geplant in Indien sind, ist es für den Wüstenstaat Rajastan noch viel zu heiss. Wir überlegen uns jetzt also die Variante, zuerst nach Nepal zu fahren. Das bedeutet Karten und Reiseführer studieren, Informationen einholen, mögliche Routen besprechen und sich innerlich schon wieder auf ein neues Land vorzubereiten. Das tun wir natürlich in "unserem" lauschigen Garten, in welchem wir fast den ganzen Tag verbringen.

Der schöne Garten des Hotels Bhagsu in McLeodGanj  

Der schöne Garten des Hotels Bhagsu in McLeodGanj

Heute morgen wurden wir von einer Horde Affen geweckt, welche auf dem Blechdach einen Heidenspektakel veranstalteten, begleitet vom aufgeregten Gekläffe der Hunde. Hunde gibt es hier sehr viele, aber im Gegensatz zu den muslimischen (und natürlich christlichen!) Ländern werden sie hier nicht geschlagen (wenigstens haben wir das noch nie gesehen) und sind deshalb den Menschen gegenüber friedlich. Der hinduistische Glaube kennt ja die Wiedergeburt, wobei es bei Fehlverhalten möglich ist, auch als Tier wiedergeboren zu werden. Dadurch werden letztlich alle Lebewesen als gleichwertig angeschaut. Gewisse Religionsgemeinschaften wie die Jains gehen sogar soweit, ständig einen Mundschutz zu tragen um nicht versehentlich eine Fliege zu verschlucken.

Morgen beginnt in dieser Gegend die Hauptsaison und der Hotelmanager hat uns vorher gesagt, dass wir ab Morgen etwa 40% mehr für das Zimmer bezahlen müssen. Das heisst, auch die nächsten Orte auf unserer Route werden wohl etwas teurer werden. Im Moment kommen wir mit etwa 50 bis 60 Schweizer Franken pro Tag für beide gut über die Runden, wobei das Zimmer hier mit SFr. 30.-- zu Buche schlägt. Indien ist also für unsere Verhältnisse ein billiges Reiseland. Mit gewissen Ausnahmen; der Eintritt für's Taj Mahal soll mittlerweile ein halbes Vermögen kosten ebenso wie eine Elefantensafari, die wir uns in einem der Nationalparks sicher leisten wollen. Und natürlich kann man auch teurer wohnen. Einige der schönsten Hotels weltweit sind hier in Indien - in ehemaligen, umgebauten Palästen - und die liegen etwas ausserhalb unserer Möglichkeiten. Aber alles in allem haben wir unser Budget ziemlich realistisch geplant.

Montag, 1. Oktober 2001

Unser heutiges Ziel wäre eigentlich Shimla gewesen. Aber nach sieben Stunden anstrengender Fahrt hatten wir erst die Hälfte der Distanz zurückgelegt, nämlich 150 km. Da erübrigt sich jeder Kommentar über den Zustand der Strasse. Dafür ist die Landschaft wunderschön und trotz der hohen, schroffen Berge im Hintergrund herrscht eine beschauliche Atmosphäre. Vielleicht, weil sich alles so langsam bewegt. Privatautos gibt es kaum, ein beliebtes Fortbewegungsmittel hier in den Bergen ist eine Vespa-Kopie, aber die meisten Leute sind zu Fuss unterwegs. Längere Distanzen werden mit kleinen Bussen zurückgelegt oder mit der Schmalspurbahn, dem "Toy Train". Wir sind immer noch in den südlichen Ausläufern des Himalaya und werden dies in der nächsten Zeit auch bleiben. Wir haben nämlich beschlossen, dass unser nächstes grösseres Ziel Nepal ist. In Kathmandu war es gestern 24°C, in Jaipur 38°C - die Entscheidung fiel uns deshalb leicht.
Hier in den Tälern herrschen subtropische Verhältnisse. Bambushaine, Palmen, Agaven und viele Blütensträucher wie Hibiskus, Bouginvillea und Oleander wachsen hier. Etwas höher dominieren Eukalyptus und Laubbäume die Vegetation welche dann noch höher übergeht in dichte Fichtenwälder. Soweit möglich wurde alles terrassiert um Reis anzubauen, aber es wird auch Mais geerntet und natürlich Bananen und Zitronen. Wir fahren durch viele kleine Dörfer und kommen auch immer wieder an farbigen Hindutempeln vorbei. Dort ruhen sich die Sadhus aus, wandernde Asketen welche nichts besitzen ausser dem, was sie auf dem Leibe tragen. Zur "Ausrüstung" gehört aber immer auch ein Metallgefäss um das gespendete Essen aufzunehmen. Bei den Tempeln hat es meistens auch jede Menge Affen, weil diese von den Pilgern gefüttert werden.

Ein augenfälliges Überbleibsel der Briten sehen wir immer wieder an den Kindern - die Schuluniformen. Die Knaben praktisch ausnahmslos mit Hemden und Krawatten, die Mädchen oft genau gleich nur natürlich Rock statt Hose. Vielfach tragen die Mädchen aber auch farbig passende Shalwar Khamez, also zum Beispiel grüne Hose, weisse lange Bluse und dazu einen grünen Schal. Und alle Mädchen einer Schule haben auch immer die gleiche Frisur, zum Beispiel seitliche Zöpfe mit roten Maschen oder nur ein Zopf mit einem blauen Band etc. Wenn man sich das Kastenwesen der Inder vor Augen hält und auch sieht, wie man aufgrund der Kleidung oft auf die Herkunft oder Religionszugehörigkeit schliessen kann, dann machen diese Schuluniformen durchaus Sinn.

Wir sind jetzt in Mandi, Ausgangspunkt für die spektakuläre Strasse nach Leh im Kaschmir, welche über einen etwa 5700 m hohen Pass führt. Da in dieser Gegend aber vor nicht allzu langer Zeit Touristen entführt und ermordet wurden, verzichten wir auf diese Strecke. Wir haben zwar unterwegs einige Reisende getroffen welche in Leh waren oder noch dorthin wollen (auch solche mit einem Motorrad), aber wir suchen ja eigentlich nicht primär den Nervenkitzel.
Etwa 3 km ausserhalb der kleinen Stadt haben wir in einem höher gelegenen Hotel ein Zimmer mit Balkon gefunden und geniessen jetzt die Ruhe. Letzte Nacht wurden wir durch ein gewaltiges Gewitter geweckt, welchem starker Regen folgte. Scheinbar hält sich der Monsun dieses Jahr ungewöhnlich lange in dieser Gegend. Uns hat es auf jeden Fall gefallen, wiedermal Regen auf's Dach trommeln zu hören.

Noch ein kurzes Kapitel über menschliche Ausscheidungen. Indiens Männer haben zwei unschöne Angewohnheiten: erstens chodern (spucken) alle ständig. Und zwar Genuss- und vor allem sehr Geräuschvoll und ab und zu auch in hohem Bogen (also Achtung beim Überholen von männlichen Fussgängern). Zweitens scheint das Pinkeln in der Öffentlichkeit zum guten Ton zu gehören, hält es doch niemand für nötig, dafür hinter einen Baum oder ein Haus zu verschwinden. An pinkelnde Männer auf der Hauptstrasse muss man sich also gewöhnen (indische Frauen scheinen dagegen unendlich grosse Blasen zu haben). Natürlich ist das Ganze auch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass 80% aller Inder keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen haben. Wenn einer von uns beiden unterwegs ein gewisses Bedürfnis verspürt, versuchen wir immer an einer möglichst menschenleeren Stelle anzuhalten und dann irgendwo im Gebüsch zu verschwinden. Aber noch jedes Mal wenn wir angehalten haben und wirklich weit und breit niemand zu sehen ist, dauerte es keine zwei Minuten, bis irgend ein Einheimischer neben unserem Auto steht. Weiss der Kuckuck, wo die immer herkommen.

Dienstag, 2. Oktober 2001

Tara sagte heute Morgen: "Ein Wunder, dass wir noch keine Beule am Auto haben!" Man soll das Schicksal ja nicht verschreien - jetzt haben wir eine!
Die Strasse von Mandi nach Shimla schlängelt sich von Gipfel zu Gipfel immer höher, über schmale Kreten welche beidseitig den Blick in schwindelerregende Tiefen freigeben. Die Häuser der kleinen Dörfer sind teilweise so an den steilen Hang gebaut, dass sie nur über einen Steg zu erreichen sind. Auch Shimla, welches auf 2'200 m Höhe liegt und immerhin 150'000 Einwohner hat, ist wie an den Berg geklebt. Die Strassen sind so steil und so schmal, dass die meisten für den Autoverkehr gesperrt sind.

Shimla im Nebel  

Shimla im Nebel (Aussicht vom Hotelzimmer)

Am Stadteingang fragten wir nach dem Weg und lernten einen jungen Inder kennen welcher sich anerbot, mit uns auf Hotelsuche zu gehen. Und das ist in Shimla gar nicht einfach, weil die allermeisten Hotels nur zu Fuss erreichbar sind. In einer der schmalen, steilen Strassen war es dann soweit - wir konnten weder vorwärts noch rückwärts fahren. Das Wendemanöver dauerte dreiviertel Stunden, assistiert wurden wir wie immer von unzähligen Einheimischen und gekostet hat uns das eine eingedrückte Stossstange, verbogene Sandbleche und eine Beule im hinteren Trittbrett. Also nicht weiter tragisch. Schlussendlich fanden wir ein Hotel etwas ausserhalb mit einer sensationellen Aussicht auf die Stadt (vor allem Nachts) und - das Wichtigste - einem Parkplatz. Unserem Helfer konnten wir leider nur eine Tasse Tee spendieren, weil er heute seinen allmonatlichen Fastentag hat. Er gehört der höchsten Kaste in Indien an - den Brahmanen - wie er uns sofort wissen liess. Wir haben uns noch nicht so eingehend mit dem Kastenwesen befasst aber scheinbar ist das immer noch sehr präsent und sehr wichtig. Auf jeden Fall haben wir für uns gedacht, wenn wir diesen Mann im Iran kennen gelernt hätten, würden wir jetzt schon bei ihm zu Hause sein und seine ganze Familie kennen. Hier scheinen solche Einladungen nicht üblich zu sein. Aber die Hilfsbereitschaft ist auch hier sehr bemerkenswert.

Mittwoch, 3. Oktober 2001

Shimla war der beliebteste Ferienort der Briten in Nordindien. Entlang der Mall - der Hauptgeschäftsstrasse - stehen dann auch viele Überbleibsel aus der Kolonialzeit. Die Mall war übrigens bis zum Abzug der Engländer für die Inder gesperrt; man wollte unter sich sein. Den Indern blieb der untere Teil der Stadt mit den steilen Strassen und dem heute noch lebhaften Bazar. Frack und Zylinder auf der Mall wurden abgelöst durch Adidas und Gucci, denn heute flaniert hier die Oberschicht Indiens. In irgendeinem Prospekt soll stehen, die Mall sei die Antwort Shimlas auf die Fifth Avenue. Nun, man gibt sich auf jeden Fall Mühe und immerhin haben wir noch nie so viele Abfalleimer und so wenig Kuhfladen gesehen wie hier.

Shimla's Mall  

Shimla's Mall

Da der grösste Teil der Stadt für den Autoverkehr gesperrt ist, schleppen Träger die Waren zum Bestimmungsort. Mit Hilfe eines Stirnbandes werden Lasten getragen, welche bis zu 50 bis 60 kg wiegen. Und das über steile Treppen und Wege den Berg hinauf! Für die Fussgänger welche vom unteren in den oberen Stadtteil wollen, wurde immerhin ein Lift gebaut, welchen wir - trotz dem häufigen Stromausfall - auch fleissig benutzen, da unser Hotel unterhalb der Stadt liegt. Aber so etwas wie einen Lastenaufzug haben wir noch nicht gesehen. Muskelkraft ist in Indien halt immer noch die billigste Energieform.

Shimla liegt heute in den Wolken und daher verzichten wir am Morgen auf einen Ausflug zum höher gelegenen Tempel und gehen statt dessen zum Coiffeur. Zoltan bekommt in 10 Minuten und für umgerechnet einen Franken wiedermal einen Millimeterschnitt und Tara rückt den grauen Haaren mit Henna zu Leibe.

Zoltan mit neuem Haarschnitt  

Zoltan mit neuem Haarschnitt (im Hintergrund ein Laden mit Süssigkeiten, Zoltans beliebtester Anlaufsort)

Und (jawoll Bea) auch die Spitzen wurden geschnitten. Der Coiffeursalon ist gestossen voll mit Frauen, welche zum Zupfen der Augenbrauen hierher kommen. Und das wird auf eine interessante Art und Weise gemacht. Nicht mit einer Pinzette sondern mit einer dünnen Schnur. Diese wird einmal zusammengelegt, ein Ende wird mit den Zähnen gehalten, ein Ende mit einer Hand und das zusammengelegte Ende wird mit der anderen Hand gezwirbelt und wieder auseinandergezogen. Zwischen den beiden Schnüren werden so die Haare eingeklemmt und ausgezupft. Und natürlich darf man auch den Coiffeursalon nicht mit einem solchen in der Schweiz vergleichen. Wir haben uns den Besten in der Stadt ausgesucht und dieser hat immerhin Strom (jedenfalls öfters) und Wasser (wenn auch nur ein kleines Rinnsal). Ansonsten ist es eine baufällige Holzbude mit kaputtem Linoleumboden, uralten Holzstühlen und einem einzigen Lavabo in welches man den Kopf vorne über eintauchen muss um die Haare zu spülen. Aber es ist billig (sieben Franken für Färben und Schneiden!) und spannend und die Arbeit machen sie gut.

Tara frisch vom Coiffeur  

Auch Tara frisch vom Coiffeur (es wurden mehr "Fleischföteli" verlangt...)

Nach einem Tandoori-Chicken zum Lunch wollten wir noch einen Verdauungsspaziergang machen, welcher schlussendlich fünf Stunden dauerte und uns zu den kolonialistischen Highlights von Shimla führte. Unter anderem zu der ehemaligen Residenz des britischen Vizekönigs, einem viktorianischen Sandsteinbau inmitten eines schönen Parks und natürlich zuoberst auf einem Hügel mit unverbaubarer Aussicht gelegen. Der Rasen ist etwa so kurz wie Zoltans Haarschnitt und man wähnte sich tatsächlich irgendwo in England, wären da nicht die vielen Affen an der Fassade und auf dem Dach. Heute ist in diesem Gebäude eine Universität untergebracht aber einige Räume kann man besichtigen. Unter anderem die Eingangshalle welche mit Teakholz aus Burma (!) getäfelt ist.

Ehemaligen Residenz des britischen Vizekönigs in Shimla  

Ehemaligen Residenz des britischen Vizekönigs in Shimla

Eigentlich wollten wir gegen Abend nur noch ins Hotel und die müden Beine hochlagern, aber wir liefen unserem netten Helfer von Gestern in die Arme und landeten schlussendlich im Indian Coffee Shop zu ein paar köstlichen Snacks. Jetzt müssen wir langsam aufpassen, dass wir noch in unsere Hosen passen. Die nordindische Küche ist äusserst kalorienreich und sehr, sehr fettig.

Donnerstag, 4. Oktober 2001

Wir benötigten heute 10 Stunden für die gut 200 km von Shimla nach Mussoorie, obwohl die Strassen meistens in einem ungewöhnlich guten Zustand waren. Die erste Hälfte der Strecke führte uns wieder von Gipfel zu Gipfel, durch dichte Wälder auf einer sehr kurvenreichen Strasse. Ein Paradies für Motorradfahrer! Hier trafen wir auch ein Paar aus Belgien welche mit dem Motorrad unterwegs sind. Da ausländische Touristen in dieser Gegend sehr selten sind haben wir die Gelegenheit natürlich benutzt, um zusammen etwas Erfahrungen auszutauschen. Wir haben von ihnen auch gehört, dass der Karakorum Highway für alle Touristen gesperrt wurde und dass Pakistan auch die Grenze vom Iran her für die Touristen geschlossen hat. Andere Reisende nach uns konnten also nicht mehr nach Pakistan einreisen und mussten im Iran umdrehen. Wir sind ja so froh, waren wir nicht eine Woche später an der Grenze. Wir wagen uns gar nicht auszumalen, was das für unsere Pläne bedeutet hätte!

Gegen Mittag hatten wir die Berge hinter uns und überquerten die Grenze zum indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Teil Indiens. Die Strasse führte uns durch ein schönes und sehr stark besiedeltes Tal. In tieferen Lagen wie in diesem Tal ist es immer noch sehr heiss, aber unser heutiges Ziel - Mussoorie - ist eine der unzähligen britischen Hill Stations und auf etwa 2000 m gelegen. Wir sahen schon von weitem, dass Mussoorie in den Wolken liegt und als wir endlich oben waren, wurde es ausserdem dunkel. Wie schon in Shimla ist das Zentrum für den Individualverkehr weitgehend gesperrt. Wir gingen also zu Fuss auf Hotelsuche wobei wir bemüht waren, den Gruppen von johlenden und schreienden Männern auszuweichen, welche ab und zu die Strassen verstopften. Heute waren irgendwelche Bezirkswahlen und in Indien sollte man grosse Menschenansammlungen tunlichst vermeiden, da die Polizei auch schon mal in die Menge schiesst um diese zu vertreiben. Da es bereits zu dunkel war um sich orientieren zu können, stiegen wir schlussendlich in irgendeinem Hotel am Ortseingang ab, welches einen Parkplatz hat. Zuvor hatten wir aber noch ein komisches Erlebnis, auf welches wir uns keinen Reim machen konnten. Wir schauten uns ein Zimmer in einem Hotel an und als wir uns mit dem Mann an der Rezeption über den Preis einig waren meinte dieser plötzlich, das Zimmer sei jetzt vergeben. Ohne dass er am Telefon gewesen wäre und ohne dass jemand anders in der Nähe war. Auch auf unser hartnäckiges Fragen hin meinte er immer wieder, das Zimmer sei seit diesem Moment vergeben. Vielleicht hat ihm irgend etwas an uns plötzlich nicht gefallen oder der ausgehandelte Preis schien ihm zu tief, es blieb uns ein Rätsel.

Freitag, 5. Oktober 2001

Letzte Nacht war es so kalt, dass Tara in der Faserpelzjacke schlief. Obwohl dichte Wolken den Berg einhüllen wollen wir hier noch etwas bleiben. Wir hoffen immer noch, dass sich der Nebel endlich verzieht und wir den angeblich so schönen Ausblick auf das Himalaya-Massiv erleben können. Und falls sich die Sonne wieder zeigen sollte, möchten wir diese auch in einem Garten geniessen können. Also machten wir uns auf die Suche nach einem schönen Hotel und wurden auch fündig. Das Kasmanda Palace liegt etwas erhöht in einem schönen Garten und ist - wie der Name schon sagt - ein ehemaliger, kleiner Palast. Wie fast jedes Hotel in Indien würde eine Renovierung nicht schaden, aber das Haus hat nostalgischen Charme und viel, viel Atmosphäre.
Für einen kleinen Geldbetrag bekommt man die Erlaubnis, mit dem eigenen Auto durch die Hauptstrasse zu fahren und auf dem steilen Strässchen zum Hotel hoch waren Zoltans Fahrküste wieder mal gefordert.
Und jetzt sitzen wir warm eingepackt auf der Hollywood-Schaukel im Garten, mitten in einer dicken Wolke und finden es trotzdem toll.

Weniger toll finden wir, was in der letzten Zeit in der Schweiz passiert. Wir können uns ja so ziemlich auf dem Laufenden halten, sei es durch Tageszeitungen oder im Internet und in manchen Hotels empfängt man auch BBC World oder CNN. Und natürlich werden wir von Freunden aus der Schweiz regelmässig mit Neuigkeiten versorgt (Danke allen Mail-Schreiberinnen und -Schreibern!). Der Amoklauf von letzter Woche in Zug war sogar auf der Frontseite einer indischen Zeitung und betreffend Swissair wurden wir auch schon angesprochen. Wir sind über all diese Nachrichten sehr bestürzt und fragen uns, in was für eine Schweiz wir wohl zurückkehren werden.

Samstag, 6. Oktober 2001

Tatsächlich schien heute Vormittag für einige Stunden die Sonne und wir benutzten die Zeit für einen Spaziergang. An klaren Tagen hätte man die schneebedeckten Gipfel in der Ferne sicher besser gesehen, aber es war dunstig und so richteten wir unsere Blicke halt auf das Näherliegende. Auf einen alten Briten-Friedhof inmitten eines grünen Urwaldes, auf die vielen Schmetterlinge und Vögel und natürlich auf die Menschen. Zum Beispiel auf die indischen Touristen, welche sich an einem Stand im Bazar für einige Rupien in der traditionellen Tracht dieser Gegend fotografieren liessen.

Im Bazar von Mussoorie  

Im Bazar von Mussoorie


Indisches Paar in der Garhwal-Tracht  

Indisches Paar in der Garhwal-Tracht

Nebst den Fahrradrikschas kann man hier auch Pferde mit Führer für einen Ausritt mieten, wobei diese Dienste ziemlich aufdringlich angeboten werden. Das ist auch verständlich; da es im Moment nicht so viele Touristen hat, stürzt man sich auf die wenigen, die sich blicken lassen.

Gegen Mittag zogen wieder Wolken auf und auch das ist hier ein eindrückliches Schauspiel, weil wir mittendrin sind. Wir sitzen auf der Terrasse unseres Hotels und können beobachten, wie sich die nächste Wolke nähert, uns schliesslich in einen dichten Nebel einhüllt, dann weiterzieht und der Sonne Platz macht bevor die nächste Wolke kommt.
Mussoorie wird wohl öfters in den Wolken liegen, denn es ist alles sehr feucht hier. Der Schimmelpilz hat praktisch jedes Haus befallen und auch in unserem Hotel sind die Wände fleckig und die Bettwäsche feucht und klamm. Alles riecht ein wenig moderig; passend dazu die vergilbten Fotografien längst verstorbener Maharadschas an den Wänden und deren Jagdtrophäen im Treppenhaus: Nashorn- und Büffelköpfe und natürlich die obligaten Tiger und Leoparden. Wie gesagt, das Haus hat Atmosphäre...

Letzte Nacht mussten wir uns mit warmer Unterwäsche, Bettflasche und Heizofen gegen die Kälte und Feuchtigkeit wehren. Und wie es ist, auf einem Fouton zu schlafen wissen wir jetzt auch: hart!

 

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