07.09.2001 Im Süden Irans: Shiraz und
Kerman
Sonntag, 2. September 2001 und Montag, 3. September 2001
Shiraz, die Stadt der Rosen, der Nachtigallen und des Weins. Letzteren
gibt es heutzutage leider, leider nicht mehr. Shiraz hat so etwas wie
ein südländisches Flair; die Kacheln und Mosaiken der Moscheen
sind bunter als im Norden, die Ornamente verspielter und ab und zu werden
an den Wänden ganze Rosengärten abgebildet. Am schönsten
und ausgeprägtesten an der Masjed-e Vakil, der Freitagsmoschee. Diese
hat ausserdem eine schöne Sommergebetshalle welche von 48 spiralförmig
gemeisselten Säulen getragen wird, jede aus einem einzigen Felsen
gehauen. Vor dem Betreten der Moschee wurde Tara ein Tschador in die Hände
gedrückt und so konnte sie sich auch mal darin üben, mit zwei
Händen den Fotoapparat, mit der dritten Hand den Tschador und mit
der vierten Hand die Tasche zu halten und zwischendurch das blöde
Tuch mit der fünften Hand immer wieder über den Kopf zu ziehen.
Am Beeindruckendsten in Shiraz ist aber sicherlich das Mausoleum von Amir
Ahmad (auch König des Lichts genannt), des Bruders von Emãm
Rezã. Das Bog'e-ye Shãh Cerãq wird von einer zwiebelförmigen
Kuppel gekrönt, welche über die ganze Stadt sichtbar und das
Wahrzeichen von Shiraz ist.
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Das Mausoleum des Amir Ahmad
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Die Spiegelmosaike welche innen das ganze Gebäude, alle Säulen,
Bögen und Kuppeln schmücken, blenden die Augen und die Sinne.
Es gleisst und funkelt in allen Farben wohin man auch blickt.
Halb Shiraz scheint sich hier jeden Tag zu versammeln. Es herrscht ein
riesiges Gedränge im Mausoleum, beim Schrein, bei der Schuhabgabe
und bei den Koranständern. Das Gebäude ist innen durch einen
etwa 2 Meter hohen Vorhang in ein Männer- und ein Frauenabteil abgetrennt,
mit dem Schrein in der Mitte, so dass trotzdem alle ihn berühren
können. Leider ist im Inneren des Heiligtums das Fotografieren strengstens
verboten und so bleibt es bei einer kläglichen Beschreibung.
Im riesigen Innenhof flanieren Hunderte von Menschen, manche schlafen
oder picknicken unter den Bäumen, andere beten und wieder andere
fotografieren. Tara wiedermal gleichzeitig mit den Tücken des Tschadors
kämpfend, welcher auch hier obligatorisch ist.
Wir besuchten praktisch jede Moschee und jedes Mausoleum in den Tagen,
die wir hier verbringen. Wir suchen die schönsten Teehäuser,
zwischendurch leisten wir uns ein teures Restaurant (aber nur wegen den
Salatbuffets, die wir hier zum ersten Mal im Iran sahen) und verbringen
viel, viel Zeit in den Gesprächen mit Einheimischen. Und lernen einem
jungen Studenten (welcher wie alle unbedingt nach Europa möchte),
dass es in Europa üblich ist, auch mit der Frau zu sprechen und auch
dieser die Hand zu geben...
Dienstag, 4. September 2001
Langsam haben wir das Gefühl, genügend Moscheen gesehen zu haben.
Und doch werden wir immer wieder überrascht. Heute zum Beispiel von
der Masjed-e Nasir ol-Molk, welche versteckt in einer kleinen Seitenstrasse
liegt. Die Moschee ist nicht besonders gross, weist aber einige Besonderheiten
auf. So ist die Hauptfarbe der Kacheln nicht blau, sondern rosarot. Auch
hat es zwischendurch figürliche Abbildungen wie Blumen, Vasen, Vögel
und Häuser, was im Islam eher ungewöhnlich ist. Teilweise erinnern
einen die verspielten und farbigen Kacheln eher an die Zeit des Rokoko
als an den Islam. Auch die danebenliegende Gebetshalle ist ungewöhnlich,
wird sie doch durch Türen mit farbigen Glasfenstern zum Innenhof
hin abgetrennt. Als wir dort waren fiel die Sonne durch die bunten Scheiben
auf die Teppiche und tauchte alles in ein fröhliches Licht.
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Gebetssaal in der Moschee Masjed-e Nasir ol-Molk
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Uns hat diese Moschee sehr gut gefallen. Vielleicht auch zusätzlich
dadurch, dass wir die einzigen Besucher waren und auch gerade keine Gebetsstunde
war, so dass wir ohne Ablenkung und unbeobachtet alles in uns aufnehmen
konnten.
In Städten wie Shiraz oder Esfahan wird fast die Hälfte unseres
Tagesbudgets durch die hohen Eintrittskosten aufgebraucht. Wir als Ausländer
bezahlen in jeder Moschee, jedem Mausoleum, jedem Park und das mehrmals
am Tag. Manchmal können wir uns ein Motzen deshalb nicht verkneifen.
So wie heute. Woraufhin der ausnahmsweise englisch sprechende Ticketverkäufer
meinte, wir hätten zu Schah's Zeiten kommen sollen. Da sei alles
frei gewesen (wobei er nicht nur die Eintritte meinte). Damals seien die
Mullahs arm und die Leute reich gewesen. Heutzutage sei es gerade umgekehrt.
Den Abend verbrachten wir mit einem Englischstudenten, welchen wir gestern
kennen gelernt haben. Wir versuchten, ihm unser Rechtssystem und unsere
Demokratie zu erklären (wobei wir für uns wiedermal dachten,
wie gut wir es in der Schweiz haben) und er malte uns das uns schon bekannte
düstere Bild Irans. Wir sprachen viel über die politische und
wirtschaftliche Situation hier und es ist wahrlich deprimierend. Die meisten
Iraner setzen zwar ihr Vertrauen in Khatami, wissen aber gleichzeitig,
dass ihm faktisch die Hände gebunden sind. Die Schlüsselpositionen
im Staat sind alle mit Männern der Geistlichkeit besetzt. Auch hat
er keine Befehlsgewalt über das Militär und obwohl wahrscheinlich
90% der Iraner für die Reformbewegung sind, fürchten sie gleichzeitig,
diese durch Demonstrationen oder anderswie durchzusetzen. "Die Armee
würde uns einfach töten".
Die Jugend findet keine Arbeit, selbst Hochschulabsolventen nicht. Die
meisten hätten nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag "auf
der Strasse hin und her zu laufen". Oder sie werden Taxifahrer.
Wobei wir einen eleganten Bogen zum Thema Taxifahren geschlagen hätten.
Dies ist nämlich auch so ein Kapitel für sich. Erstens ist praktisch
alles was fährt ein Taxi. Zweitens fährt alles, was irgendwie
nach Auto aussieht. Wir sassen also schon in fast ausgeschlachteten Rostlauben,
ohne Scheinwerfer, ohne Innenverkleidung und die "Polster" bis
zum Boden durchgesessen. Eigentlich ist das eher die Regel als die Ausnahme.
Ausserdem nehmen die Taxis solange Fahrgäste auf bis sie voll sind.
Es ist also üblich, dass unterwegs öfters angehalten wird, um
Leute ein- und aussteigen zu lassen. Wenn ein Taxi vorbeifährt ruft
man dem Fahrer des Ziel zu und dieser entscheidet, ob es auf seiner Route
liegt oder nicht, respektive ob das Ziel "kompatibel" zum Ziel
der anderen Fahrgäste ist. Vorne auf dem Beifahrersitz dürfen
übrigens zwei erwachsene Personen sitzen - natürlich gleichen
Geschlechts (oder verheiratet). Überhaupt wird es mit der Geschlechtertrennung
kompliziert. Wenn zum Beispiel vorne zwei Männer sitzen und hinten
zwei Frauen, kann das Taxi nur noch Frauen aufnehmen. Dabei ist die Aufnahmekapazität
iranischer Autos praktisch unbeschränkt. Wir sahen schon Autos mit
7 Erwachsenen und 5 Kindern drin.
Die Geschlechtertrennung wird auch in Autobussen strikte eingehalten:
vorne die Männer, hinten die Frauen. Was es allerdings nicht mehr
gibt (es wäre uns wenigstens nicht aufgefallen) sind separate Trottoirs
(Strassenseiten) für Männer und Frauen.
Und wenn wir schon bei der Geschlechtertrennung sind: es gibt ab und zu
Teehäuser, welche einen separaten Raum "only for women"
haben. Und hier wird der Wasserpfeife ebenso ausgiebig gefrönt wie
im Männerteil.
Mittwoch, 5. September 2001
Heute war unser letzter Tag in Shiraz. Wir verbrachten viel Zeit im Zimmer
um uns auf Pakistan vorzubereiten. Das Hotel Sadra in welchem wir sind,
können wir übrigens mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Für
30 Dollar hatten wir ein sehr grosses Zimmer mit Kühlschrank und
Fernseher (welchen wir mangels Farsi-Kenntnissen in der Regel nicht anschalten),
eine individuell regulierbare Klimaanlage (sehr praktisch, weil man sie
in der Nacht ausschalten kann und so nicht ständig den Lärm
hat) und da wir ein Zimmer gegen den Hof haben, ist es trotz der zentralen
Lage sehr ruhig. Das Hotel verfügt über eine bewachte Tiefgarage
und um die Ecke findet man ein Internet-Café mit Highspeed-Anschluss.
Ausserdem hat es schräg vis-à-vis eine Bäckerei und so
konnten wir das langweilige Industrie-Fladenbrot, welches es zum Frühstück
gab, durch ofenwarmes Brot ersetzen. Das Frühstück hatten wir
übrigens als Rabatt ausgehandelt.
Gegen Abend fuhren wir zum Mausoleum des Dichters Said, nachdem wir vorher
eine iranische "Pizza" gegessen hatten. Marion, der Teig war
fast so dick wie deiner! Sie schmeckte uns nicht schlecht, hat aber nichts
mit unserer Pizza gemeinsam, ausser dass sie rund ist und auf einem Teigboden
einen Belag hat. Wir würden trotzdem keinem italienischen Pizzabäcker
anraten, hierher zu kommen. Die Pizzas kosten nämlich nur etwa einen
Franken pro Stück.
Das Mausoleum war ein Reinfall, für den wir wieder kräftig blechen
mussten. Wir überlegen uns ernsthaft, dem iranischen Kulturministerium
einen Brief zu schreiben. Wenn sie schon den Tourismus im Iran ankurbeln
wollen, sollen sie doch die Ausländer gefälligst nicht wie Milchkühe
behandeln.
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Auf Farsi steht der Eintrittspreis für
Einheimische: 2000 Rials
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Selbst das Teehaus war hässlich und so fuhren wir zum Mausoleum
des anderen Dichters, weil es dort ein wunderschönes Teehaus hat.
Zoltan versuchte wiedermal seinen Trick, alte Eintrittskarten vorzuweisen.
Aber diesmal funktionierte er nicht. Und da wir keine 10 Franken Eintritt
zahlen wollten nur um einen Tee zu trinken, landeten wir schliesslich
wieder beim Korantor ausserhalb der Stadt. Im grossen Torbogen ist ein
Koran eingemauert und wenn man die Stadt durch dieses Tor betritt, soll
das Glück bringen. In den Felsen neben dem Korantor befindet sich
ein Teehaus, in welchem man im Freien sitzen kann und einen schönen
Blick über Shiraz hat. Hier liessen wir den Tag ausklingen, wie immer
mit einer Wasserpfeife mit Apfelgeschmack.
Donnerstag, 6. September 2001
Heute fuhren wir die bis jetzt längste Etappe unserer Reise; über
600 km von Shiraz nach Kerman. Und wir kamen wieder durch wunderschöne,
wilde und verlassene Gegenden. Ab und zu fahren wir an riesigen, ausgetrockneten
Seen vorbei, in welchen auch Salz gewonnen wird.
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Im Hintergrund ein Salzsee. Die Boote warten
auf besseres Wetter (sprich Regen)
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An den wenigen verbleibenden Wasserlöchern suchen Flamingos nach
Futter. In den Hochebenen hat es sehr viele Nomaden und die Strecke verlief
wieder häufig auf einer Höhe von über 2500 Meter ü.M.
Wir überlegten uns zuerst, die 600 km in zwei Etappen zu fahren und
die heutige Nacht irgendwo unterwegs im Freien zu verbringen. Aber schlussendlich
war es uns doch zu gefährlich. In der Provinz Kerman werden Drogen
geschmuggelt welche von Afghanistan und Pakistan kommen. In den letzten
Jahren (letztmals aber bereits 1999) wurden Touristen Opfer von Entführung
und Geiselnahme und das eidgenössische Departement des Äusseren
rät vor Reisen in diese Gegend ab. Auch die erhöhte Kriminalität,
zum Beispiel Autodiebstahl, ist ein Problem. Unter diesen Umständen
fanden wir es sinnvoller, die Hauptstrassen nicht zu verlassen und halt
9 Stunden Fahrt auf uns zu nehmen. Meistens fährt ja Zoltan, weil
Tara mit der Fahrweise der iranischen Machos immer noch ihre liebe Mühe
hat.
Abends um sieben Uhr kamen wir in Kerman an und sind jetzt im Hotel Axavãn,
einer Empfehlung des "Lonely Planet" folgend. Weil wir so müde
waren, haben wir auch hier gegessen und wurden sehr positiv überrascht
mit einem der besten Essen, welches wir hier im Iran je hatten.
Freitag, 7. September 2001
Freitag ist im Islam Feiertag (wie bei uns der Sonntag) und die Strassen
sind ausgestorben. Wir besuchten heute Vormittag die paar Sehenswürdigkeiten
Kermans und liessen uns durch den (leider grösstenteils geschlossenen)
Bazar treiben.
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Der "Renner" auf dem Bazar: farbige
Bibeli
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Oder lieber ein Aspirin gefällig?
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Inmitten des Bazars wurde in einem ehemaligen Badehaus ein Teehaus eingerichtet,
eines der schönsten, welches wir bis jetzt sahen. In einem anderen
ehemaligen Badehaus kann man ein Museum besichtigen, in dem mit lebensgrossen
Wachspuppen das frühere Leben in so einem Badehaus nachgestellt wird.
Alles in allem empfinden wir Kerman als sehr ärmliche Stadt. Auch
hat es hier bereits viele Flüchtlinge aus Afghanistan. Die Regierung
unternimmt grosse Anstrengungen, um in diesem zurückgebliebenen Teil
des Landes Industrie anzusiedeln. Mit Erfolg, wie es uns scheint. Die
Industriegebiete direkt vor der Stadt erreichen jedenfalls riesige Ausmasse.
Die meisten der wenigen Touristen die wir hier gesehen haben, sind mit
einem privaten Führer unterwegs. Das macht auch Sinn, wünschten
wir uns heute doch direkt, von einer englisch sprechenden Person angesprochen
zu werden, um die in Farsi geschriebene Speisekarte im Teehaus entziffern
zu können.
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Teehaus im Bazar von Kerman
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