25.08.2001 Im Norden Irans: von Tabriz nach
Esfahan
Donnerstag, 16. August 2001
Wir blieben heute noch in Tabriz um uns etwas an den Iran zu gewöhnen.
Dies geht am Besten in einer grossen Stadt wie Tabriz (über 2 Mio.
Einwohner) weil es da viele Leute gibt, die englisch sprechen. So wie
Mansur, welcher hier englisch studiert um später als Touristenführer
arbeiten zu können. Er gabelte uns im Bazar auf und erkor sich zu
unserem Führer für heute.
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Tara in voller "Montur"
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Der Bazar von Tabriz ist der Älteste im Iran (wobei das von vielen
Bazaren behauptet wird) und die verwinkelten Gassen erreichen eine Länge
von total 3,5 km. Man könnte sich also wieder mal locker verlaufen.
Aber Mansur kennt die Wege und zeigt uns die interessantesten Orte wie
den Gewürzbazar oder die Läden der Teppichknüpfer. Leider
ist auch hier wie schon in der Türkei Kinderarbeit alltäglich
und niemand findet etwas dabei. Mansur kennt den halben Bazar und jetzt
wissen wahrscheinlich alle, dass zwei Schweizer in der Stadt sind. Er
führte uns auch in ein typisches Teehaus und wir genossen eine Wasserpfeife
und angeregte Diskussionen mit anderen Teehausbesuchern. Und man sollte
sich als Frau auch nicht unbedingt davon abschrecken lassen, dass in diesen
Teehäusern nur Männer sitzen. Der Zutritt ist für Frauen
keineswegs verboten, nur ist es für Iranerinnen unüblich, solche
Orte zu besuchen (sie rauchen ihre Wasserpfeife scheinbar zu Hause). Aber
als Touristin und erst noch in männlicher Begleitung braucht man
sich so ein Erlebnis nicht entgehen zu lassen. Und zum Mittagessen genossen
wir die lokale Spezialität: ãbgusht, eine Art Suppe mit fettigem
Fleisch und Kichererbsen. Zuerst wird in kleine Stücke gerissenes
Fladenbrot in der Brühe aufgeweicht und gegessen. Dann werden die
festen Bestandteile zerdrückt und zusammen mit Zwiebeln, Peperoni,
Joghurt und natürlich Fladenbrot gegessen. Es schmeckte köstlich,
aber ohne unseren Führer hätten wir dieses Lokal nicht gefunden.
Aussen nur in persisch angeschrieben, führt eine enge Stiege in den
ersten Stock und in einen kleinen Raum, in welchem knapp vier Tische Platz
haben. Am Nebentisch sass eine Familie aus Yazd welche zwar nicht englisch
konnte, uns aber einlud, sie zu besuchen. Der Mann ist irgend ein höheres
Tier in der Verwaltung (oder bei der Polizei) und will uns weiterhelfen,
wenn wir irgendetwas brauchen. Jetzt haben wir seine Einladung, seine
Adresse und Telefonnummer und wie uns gesagt wurde, sind solche Angebote
durchaus ernst gemeint.
Noch ein Wort zur Garderobe der Frauen. Der schwarze Tschador wird zwar
nach wie vor von den meisten Frauen getragen. Doch kann dieser durchaus
auch aus halbdurchsichtigen Spitzen sein. Dass darunter Jeans, Schuhe
mit Plateausohlen oder nackte Füsse mit lackierten Nägeln in
Riemchensandalen hervorlugen ist nicht so selten. Das Kopftuch kann bei
vielen Frauen fast nicht mehr weiter nach hinten rutschen und punkto Schminken
wird ein massiver Nachholbedarf ausgelebt. Es gibt auch Frauen welche
kurze Mäntel (oder lange Blusen, je nach Standpunkt) tragen, wobei
über bunt kariert bis zu weiss alles möglich ist. Man liest
ja immer wieder über sogenannte Sittenwächter die darauf achten,
dass auf der Strasse alle züchtig verhüllt sind. So etwas soll
es scheinbar nicht mehr geben. Und sogar die verpönte Zärtlichkeit
zwischen Mann und Frau auf der Strasse ist ab und zu zu sehen (man hält
also auch im Iran Händchen).
Nach einer langen Siesta trafen wir uns um 21 Uhr wieder mit Mansur um
den Park El-Goli zu besuchen, welcher bei den Tabrizern sehr beliebt ist.
Abends und Freitags wird im Park der Teppich ausgerollt, die Familie sitzt
in Kreis um Fladenbrot und Beilagen und vor dem Teppich raucht die Teemaschine
vor sich hin und stehen in Reih und Glied die Schuhe.
Freitag, 17. August 2001
Wir fuhren heute durch den Norden der iranischen Provinz Azarbayjan, von
Tabriz bis nach Ardabil. Hier im Norden leben noch einige Nomaden, welche
ihre Jurten manchmal direkt neben der Strasse aufgestellt haben. Wahrscheinlich
finden sie auch hier kaum mehr genügend nicht-urbanisiertes Land
für ihre Herden. Landschaftlich ist es hier ähnlich wie in Ostanatolien:
zerklüftete Gebirge marmoriert in den schönsten Farben, weite
Hochebenen mit Ackerbau, ab und zu Täler wie grüne Oasen in
denen Trauben und Äpfel geerntet werden. Die Gegend ist berühmt
für ihre heissen Quellen in den Bergen.
Leider kann man es kaum riskieren, beim Autofahren die Landschaft zu betrachten.
Die Iraner fahren zum Teil wirklich wie Geistesgestörte: Rotlicht,
doppelte Sicherheitslinien und Überholverbot werden völlig ignoriert.
Überholt wird immer und überall und im Vertrauen darauf, dass
der Gegenverkehr auf den Pannenstreifen (das heisst, in den Strassengraben)
ausweicht. Nur hat es leider nicht immer einen und so kamen wir auch an
vielen hässlichen Unfällen vorbei (zum Glück waren die
menschlichen Teile jeweils schon weggeräumt). In den Städten
ist es noch schlimmer, da kommen die noch gestörteren Fahrrad- und
Motorradfahrer dazu (und auf dem Land die Kühe und Esel und Schafe
und Gänse und und und). Es ist wirklich ein Horror, hier Auto zu
fahren. Zoltan nimmt es meistens ziemlich gelassen. Aber wenn Tara fährt
wundert er sich, wie viele Kraftausdrücke sie kennt. Die Iraner rühmen
sich übrigens, weltweit das Land mit der höchsten Unfallquote
zu sein.
In Ardabil, wo wir für eine Nacht bleiben, fühlen wir uns zum
ersten Mal nicht willkommen. Wo wir auch anhalten werden wir angestarrt
wie Marsmenschen. Und hier nicht nur freundlich, sondern manchmal auch
abweisend oder unverschämt. Wer kann ruft uns sein "Hello Mister"
hinterher um dann mit den Freunden zusammen zu tuscheln und zu kichern.
Im ersten Hotel wollte der überaus mürrische und unfreundliche
Manager 40 Franken für ein Zimmer, in welchem es fürchterlich
nach Urin stank. Hätten wir dieses Zimmer nur genommen! Aber es war
so ein unverschämter Preis für die Leistung, dass wir weiterzogen.
Touristen müssen hier überall einen Preis bezahlen, welcher
weit über dem für die Iraner liegt. Und das wird auch ohne Hemmungen
so kommuniziert (Ausländer sind ja schliesslich alle reich). Im zweiten
Hotel blieben wir dann mangels Alternativen. Wir konnten den Preis auf
32 Franken runterhandeln, was angesichts des Zimmers immer noch eine absolute
Frechheit war. Die Frotteetücher waren noch nass vom vorherigen Benutzer
und die Bettwäsche war offensichtlich schon länger in Gebrauch
und starrte vor Schmutz (wie das ganze Zimmer auch). Wir konnten immerhin
erreichen, dass die Betten neu bezogen wurden (mit etwas weniger dreckiger
Wäsche). Aber eigentlich regen wir uns nur auf, weil wir als Touristen
hier so offensichtlich gemolken werden.
Das berühmte Mausoleum von Ardabil konnte unsere Stimmung dann auch
nicht mehr heben, genauso wenig wie die saure Suppe (etwas Reis und Kichererbsen
in einer Yoghurtbrühe), die wir zum z'Nacht assen.
Samstag, 18. August 2001
Von Ardabil (1600 Meter ü.M.) ging es heute innerhalb von 30 km runter
auf Meereshöhe ans Kaspische Meer, direkt an die Grenze zum Staat
Azarbayjan. Je näher wir dem Meer kamen umso grüner wurde es
und umso höher war die Luftfeuchtigkeit. Am Wegrand werden jeweils
die lokalen Produkte verkauft: in den Bergen der hier berühmte Honig,
dann Haselnüsse und an den tiefen Hängen wird Tee angebaut,
welchen man ebenfalls an der Strasse kaufen kann. In der Ebene kamen wir
dann hauptsächlich an Reisfeldern vorbei. Der Iranische Reis ist
weltweit sehr geschätzt und wird deshalb zu 90% nach Russland exportiert,
der Eigenbedarf wird mit dem billigen thailandischen Reis gedeckt. Hier
am Kaspischen Meer regnet es fast das ganze Jahr und sie hatten in der
Nähe vor einigen Tagen auch eine grosse Überschwemmung mit 240
Toten und 300 Vermissten. Die Berge durch welche wir fuhren sind bei den
Iranern sehr beliebt als Ferienort, weil es im Gegensatz zu den heissen
Tiefebenen hier immer schön kühl ist. So sahen wir auch überall
Familien, die auf den Parkplätzen neben ihren Autos die Teppiche
ausgerollt hatten und picknickten (manche hatten sogar die Wasserpfeife
von zu Hause mitgebracht).
Natürlich fuhren wir auch kurz zum Strand. Aber es war so schwül-heiss,
dass wir nicht lange blieben. Einige Leute badeten, die Frauen natürlich
in voller Montur inkl. Kopftuch. Bei diesem Anblick hatten wir allerdings
etwas Mühe...
Unser heutiges Ziel war Mãsule, ein kleines Dorf inmitten von Wäldern
welches in Terrassenbauweise angelegt ist.
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Mãsule
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In diesen Tagen findet hier irgendein folkloristisches Festival statt.
Mãsule ist deshalb völlig überlaufen und das einzige
Hotel im Dorf ausgebucht. Übernachtungsmässig haben wir uns
gegenüber gestern sogar noch etwas gesteigert - wir schlafen nämlich
auf dem Boden. Der freundliche und hilfsbereite Hotelmanager vermietet
auch Privatzimmer und hat uns in der Ferienwohnung seiner Schwester einquartiert.
Küche, drei Zimmer aber keine Möbel (ein iranischer Haushalt
eben). Die Zimmer sind mit Teppichen ausgelegt und zum Schlafen werden
auf diese dünne Wollmatratzen gelegt. Natürlich gibt es keine
Bettwäsche und weil wir nach Frotteewäsche gefragt haben, muss
jetzt jemand ins 70 km entfernte Rasht fahren, um dort etwas für
uns zu kaufen. Das wollten wir natürlich nicht, aber wir konnten
es nicht mehr verhindern. Unser schlechtes Gewissen hält sich jedoch
in Grenzen, weil wir für die Wohnung happige 25 $ (bereits runtergehandelt)
zahlen müssen.
Im Dorf selbst dann grosses Fest mit Volksmusik und Ständen. Als
wir neugierig schauten was der Menschenauflauf auf dem Dorfplatz für
einen Grund hat, sahen wir im Zentrum des Interesses einen mongoloiden
Burschen zu der Musik tanzen. Die Leute streckten ihm Geld zu und feuerten
ihn durch Klatschen an.
Es regnet in Strömen und zum Glück hat es viele Teestuben in
die man sich zurückziehen und gemütlich eine Wasserpfeife rauchen
kann.
Mãsule hat zwei süsse Spezialitäten: ein mit Zimt und
Zucker gefülltes Gebäck welches warm gegessen wird und eine
feste, klebrige Masse aus Honig und Sesam, welche in grossen Blöcken
zubereitet wird und von der man mit dem Messer Stücke abschneidet
und verkauft. Beides sehr lecker und sehr sättigend. Und am Abend
haben wir dann eine andere hiesige Spezialität versucht: einen Brei
aus Auberginen und Eiern, dazu Reis und Joghurt und zum Entrée
eingelegten Knoblauch. Ebenfalls sehr gut. Und eine Flasche iranisches
Bier versuchten wir dazu. Aber das war wohl unsere erste und zugleich
letzte Flasche (es schmeckt wie schlecht gewordener Apfelsaft). Gutes,
alkoholfreies Bier ist also eine echte Marktlücke im Iran. Oder auch
nicht. Heute Abend sahen wir nämlich den ersten betrunkenen Iraner.
Dass wir Mãsule überhaupt gefunden haben ist übrigens
fast ein Wunder. Es gibt praktisch keine Strassenschilder und wenn, sind
sie oft nur auf persisch beschriftet (wenigstens hier im Norden, abseits
der Touristenpfade). Da die Städte vor allem einstöckig gebaut
sind (hier ist aktives Erdbebengebiet) erstrecken sie sich über grosse
Flächen und Hauptstrassen sind kaum zu erkennen. Wir finden aber
immer wieder freundliche Leute welche uns bis zur nächsten Kreuzung
oder noch weiter mit dem Töff oder Auto vorausfahren, obwohl sie
eigentlich einen anderen Weg gehabt hätten.
Sonntag, 19. August 2001
Man sollte in unserem Alter nicht mehr damit anfangen, auf dem Boden zu
schlafen! Die als Folge frühe Bettflucht nützte uns auch nichts,
da ein schlecht parkiertes Auto die Wegfahrt verunmöglichte und wir
über zwei Stunden auf den Besitzer warten mussten.
Heute ging es zuerst nach Rasht am Kaspischen Meer und dann rauf auf 2400
Meter, nach Zanjan in der gleichnamigen Provinz. Wir riskierten wieder
mal eine Nebenstrasse und wurden dafür mit einer phantastischen Landschaft
belohnt.
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Landschaft zwischen Rasht und Zanjan
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Wir sind immer noch weit im Norden und lassen uns hier gerne etwas Zeit,
denn wir wissen, welche Hitze uns weiter südlich erwartet. In den
Bergen ist es relativ angenehm, es weht immer ein kräftiger Wind
und wir kamen sogar an einem Feld mit Windgeneratoren vorbei. Wild campen
ist hier leider schwierig. Trotz der Abgeschiedenheit hat es überall
Schafherden mit ihren Hirten und immer wieder kleine Dörfer.
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Typisches Dorf aus Lehmhäusern (die "Hügel"
im Vordergrund sind Dungfladen zum Kochen und Heizen)
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In Zanjan angekommen ärgerten wir uns wieder mal über die unverschämten
Hotelpreise. Schliesslich konnten wir ein Zimmer im Hotel Asia von 45
auf 30 $ runterhandeln (Zoltan macht das immer wie besser!). Als wir auf
der Suche nach einem Restaurant waren, liefen wir M in die Arme. Informatikstudent,
23-jährig und wild nach Ausländern (und von denen hat es hier
sehr wenige). Ehe wir es uns versahen, sassen wir zusammen mit ihm, seinem
Bruder, dessen Frau und einem weiteren befreundeten Pärchen im "besten
Restaurant" der Stadt (von Aussen eher einer verlassenen Lagerhalle
ähnelnd und von uns unmöglich als solches zu erkennen). Das
Hauptgericht wurde bestellt (natürlich wie immer irgendein Kebab)
und die Zutaten konnte man an einem Buffet selbst auslesen. Da gab es
frittierte Fischchen, allerlei eingelegtes Gemüse, frische Gurken
(endlich was Grünes!), marinierte Champignons, Knoblauchzehen, Joghurt,
verschiedene Saucen etc. Und zum Dessert gab es frische Früchte wie
Feigen, Trauben, Melonen, Pfirsiche, Passionsfrüchte etc.
Das Essen war für hiesige Verhältnisse relativ teuer aber wir
durften nicht bezahlen. Und nach dem Essen war es selbstverständlich,
dass wir noch zu M's Bruder und dessen Frau nach Hause gingen. Es brauchte
unsere ganze Überzeugungskraft ihnen klarzumachen, dass wir im Hotel
und nicht bei ihnen übernachten würden. Unsere Gastgeber sind
zwischen 20 und 30 Jahre alt und mit der Situation im Iran überhaupt
nicht zufrieden. Die ersten "Glatteis-Fragen" kamen dann auch
sehr schnell (was wir vom Kopftuchtragen halten etc.). Wir kramten alle
unsere Diplomatie hervor und versuchten, uns so gut es geht aus der Affäre
zu ziehen. Zu Hause angekommen wurden die Kopftücher und Mäntel
von den Frauen jedenfalls sofort ausgezogen. Und dann wurde uns stolz
im Fernsehen RTL und SAT gezeigt. Empfangen über eine illegale Satellitenschüssel,
welche im Hof versteckt montiert ist. Der Hausmeister, ein Polizist, wisse
davon und verrate sie nicht, wurde uns erklärt. Wahrscheinlich schaut
der Polizist selbst gerne nackte Frauen bei RTL an. Ach ja, eine der Fragen
lautete noch, ob Zoltan sexuellen Kontakt zu den Frauen im Iran suche.
Auf unser Erstaunen hin wurde uns dann erklärt, dass M's Bruder Kontakt
zu deutschen Geschäftsleuten hatte und diese mit solchen "Bedürfnissen"
an ihn herangetreten seien. Wir schämen uns über das Bild, dass
man von uns Europäern hat. Aber unser Bild vom Iran ist ja auch etwas
verzerrt.
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Bei M's Bruder zu Hause
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Es war bereits weit nach Mitternacht, als wir uns endlich verabschieden
konnten. Wir wurden nochmals eingeladen bei ihnen zu schlafen (wir könnten
ihr Schlafzimmer benutzen) und die Einladung war ernst gemeint. M begleitete
uns noch mit dem Taxi bis zu unserem Hotel und wir waren total aufgestellt
über so viel Gastfreundschaft. Etwas später im Zimmer dann der
Dämpfer: M's Bruder rief an und bat uns, niemandem Informationen
über sie zu geben. Man habe M gesehen, wie er uns zum Hotel gebracht
habe und habe ihn ausgefragt, was er mit uns zu tun hätte etc. Wir
haben schon davon gehört, dass früher Iraner, welche mit Ausländern
sprachen, verhaftet und verhört wurden. Heute soll das ja nicht mehr
der Fall sein. Aber ein ungutes Gefühl bleibt, vor allem wenn man
dann so etwas hört. Wir haben deshalb hier auch keine Namen oder
Arbeitsorte genannt. Trotz der neuen Freiheiten haben die IranerInnen
immer noch grossen Respekt und Angst vor Repressionen resp. Strafe. Vor
einer Woche haben wir in den Iran-News gelesen, dass sechs Jugendliche
alkoholisiert festgenommen und danach ausgepeitscht wurden (wobei die
Anzahl der Peitschenhiebe nicht veröffentlicht wurde).
Montag, 20. August 2001
Nachdem es gestern Nacht fast 2 Uhr geworden ist bis wir ins Hotel zurückkamen
beschlossen wir spontan, einen Tag länger in Zanjan zu bleiben. Nach
einem späten Frühstück (wie immer trockenes Fladenbrot
und Schafskäse) besuchten wir noch M's Bruder an seinem Arbeitsort
(und schenkten ihm eine Tafel Schweizer Schoggi als Dank für gestern)
und fuhren dann nach dem ca. 50 km entfernten Soltãniye, wo sich
das Mausoleum eines schiitischen Mongolenfürstes befindet. Soltãniye
war um 1300 die Hauptstadt Irans und ist heute ein 5000 Seelen zählendes
Dorf aus Lehmhäusern. Das Mausoleum ist ein beeindruckender Kuppelbau
von 56 Metern Höhe mit 8 Minaretten. Leider sind von den blauglasierten
Kacheln nicht mehr viele vorhanden. Man ist seit Jahrzehnten am Renovieren
und es wird sicher noch weitere Jahrzehnte dauern. Und weil Zoltan das
Feilschen mittlerweile intus hat bezahlten wir nur den halben Eintrittspreis
(mit der Begründung, es sei ja auch erst halb renoviert).
Man kann den Iran auch anders als wir bereisen: beim Mausoleum trafen
wir ein Ehepaar aus Mailand, welche mit einem privaten Führer und
einem Chauffeur samt klimatisierter Limousine Iran's Höhepunkte in
zwei Wochen besuchen.
Hier wird nachmittags Siesta gemacht (was bei dieser Hitze sinnvoll ist).
Die Läden schliessen etwa um 13 Uhr und öffnen erst am späten
Nachmittag wieder. Etwas das uns hier fehlt sind Supermärkte à
la Coop oder Migros. Die Läden (auch in den Grossstädten) sind
alles kleine "Tante-Emma-Geschäfte" mit einer sehr dürftigen
Auswahl. Meist einige Regale mit Büchsen, etwas Öl oder Waschpulver,
manchmal ein kleines Kühlregal mit Milch oder Butter: Öfters
müssen wir in verschiedene Läden, bis wir endlich Mineralwasser
finden (auf dem Lande sowieso). Brot gibt es in kleinen Bäckereien,
welche von Aussen kaum zu erkennen sind (ausser an der Menschenschlange).
Für Gemüse gibt es dann einen anderen Laden und für Obst
ebenfalls. In grösseren Orten gibt es natürlich auch Gemüse-
und Fruchtmärkte oder einen Bazar für die alltäglichen
Dinge des Lebens. Einkaufen kann also eine langwierige Sache sein. Nur
das Tanken ist jedes Mal eine wahre Freude: 100 Liter Diesel kosten SFr.
2.40!!! Leider haben nicht alle Tankstellen Diesel und manchmal muss man
ganz schön weit fahren, bis man endlich etwas findet.
Der Bazar von Zanjan hat uns sehr gefallen weil wir das Gefühl haben,
dass er im Gegensatz zum Bazar von Tabriz wirklich nur für Einheimische
ist (und keine Touristenattraktion). Beeindruckend sind zum Beispiel die
schmalen Gassen der Metzger. Ganze Schafe, Kübel mit Innereien wie
Kutteln und Leber, Berge von Hühnerfüssen, Schüsseln mit
fertig gewürzter Wurstfüllung etc. Und überall wird unablässig
über das Fleisch gewedelt um die Fliegen zu verscheuchen. Aber die
grösste Attraktion des Bazars waren heute wohl wir. Wo wir auch die
Fotoapparate zückten warf männiglich sich in Pose und auch die
grössten Sprachschwierigkeiten hielten sie nicht davon ab, uns zum
Tee in den Laden zu bitten (und da es sich um einen Laden mit Zahnpasta
und Seife handelte, garantiert ohne Verkaufsabsichten). Freundliches Interesse
wird uns entgegengebracht, wohin wir auch gehen.
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Im Bazar von Zanjan
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Dienstag, 21. August 2001
Das letzte Nebensträsschen hat uns mutig gemacht. Um einen grossen
Umweg zu vermeiden fuhren wir heute quer durchs Gebirge, von Zanjan zum
Taxt-e Soleymãn auf einem Weg, welcher auf unserer Strassenkarte
nicht eingezeichnet ist. Aber auf der GPS-Karte fanden wir diese Abkürzung
und riskierten es. Es war auch bis auf wenige schlimme Stellen kein Problem
und die Strasse war sogar meistens asphaltiert. Aber viele Fremde kommen
in dieser abgelegenen Ecke des Landes wohl nicht vorbei.
Selbst auf 2500 Metern Höhe wo der Winter 8 Monate dauert, gibt es
noch kleine Dörfer. Die Menschen leben hier vornehmlich von Schafzucht
und der Imkerei. Der Taxt-e Soleymãn (Thron des Suleiman) ist eine
mongolische Ruine (Überreste eines um eine Quelle angeordneten Tempelkomplexes)
und landschaftlich sehr schön gelegen. Hier soll der Geburtsort Zarathustra's
sein (aber das ist wie mit den Knöchelchen Mohammeds: es gibt mehr
als möglich ist).
Zuerst haben wir uns wieder mal über die Eintrittspreise geärgert:
2'500 Rial für Einheimische und 25'000 Rial für Ausländer.
Wir wären ja schon bereit, das Doppelte zu bezahlen. Aber das 10-fache
finden wir eine Unverschämtheit. Leider ist das überall im Iran
so, weil das Kulturministerium oder was auch immer die Preise vorschreibt.
Die Anlage selbst ist ausser dem schönen Quellteich eher enttäuschend.
Sehr zerfallen und überall mit hässlichen Metallgerüsten
abgestützt und die paar ausgegrabenen Vasen hauen uns auch nicht
um. Wir wollten schon wieder gehen als wir in einer der Ruinen von einer
kurdischen Familie zum Tee eingeladen wurden. Als trotz unserer anfänglichen
Ablehnung heftig insistiert wird, ziehen wir schliesslich die Schuhe aus
und setzen uns auf die ausgebreiteten Decken. Es sind da: Grossvater,
Grossmutter, Vater, Mutter und sechs Kinder, vier davon schon erwachsen.
Nicht nur, dass sie teilweise auf ihren Tee verzichten weil natürlich
nicht genügend Tassen da sind, wir werden auch noch zum Mittagessen
eingeladen. Sie teilen ihr Fladenbrot, ihren Reis mit Peperoni, die Tomaten
und die Zwiebeln mit uns. Und es hat ausgezeichnet geschmeckt! Da wir
uns natürlich nicht verständigen konnten, haben wir mit Händen
und Füssen geredet und unsere mitgebrachten Fotos wurden mit grosser
Begeisterung studiert. Dass der Vater Bauer ist, haben wir immerhin herausgefunden.
Die Frauen tragen alle kurdische Trachten: bunte Kleider aus Samt, mit
glitzernden Fäden bestickt. Sie sehen wunderschön aus und vor
allem werden wir mit einer Herzlichkeit überschüttet, dass man
es kaum glauben kann. Die Begeisterung erreicht ihren Höhepunkt,
als Zoltan die Polaroid-Kamera holt und wir von ihnen ein paar Fotos machen
und sie ihnen schenken. Natürlich werden wir auch zu ihnen nach Hause
eingeladen, was wir mit einem Vorwand ablehnen. Diese Familie ist eh schon
arm genug und wir wollen nicht, dass sie das letzte Schaf für uns
opfern. Der Abschied war sehr herzlich und wir sind um ein wunderbares
Erlebnis reicher.
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Zu Gast bei einer kurdischen Familie
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Wir fuhren dann noch bis Sonnenuntergang. Die Dörfer in dieser Gegend
haben natürlich keine Hotels und so suchten wir uns einen Feldweg
um die Nacht zu verbringen. Wir sind hier in der Provinz Kurdistan, nur
etwa 150 km von der irakischen Grenze entfernt.
Mittwoch, 22. August 2001
Unser mulmiges Gefühl (man hatte uns wiederholt vor Kurdistan gewarnt)
war unbegründet. Wir verbrachten die Nacht in völliger Einsamkeit
und Ruhe.
Die ersten 100 km heute waren dann eine staubige Schotterstrasse. Unsere
hinteren Türen sind nicht dicht und so wütetet in unserem Auto
ein kleiner Sandsturm. Ausserdem brach auf dieser Rüttelpiste die
Halterung des Feuerlöschers. Und dass unser Auto schwarz ist, ist
auch nur noch zu erahnen.
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...wir liessen es aber bald waschen (Autowäsche
auf iranisch!)
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Unser heutiges Ziel waren die Höhlen von Alisadr. Die riesigen Tropfsteinhöhlen
wurden vor 40 Jahren zufällig von Hirten entdeckt und sind voll unterirdischer
Seen. Die Erkundung der Höhlen per Boot uns zu Fuss dauerte zwei
Stunden. Wir waren noch nie in einem so grossen Höhlensystem und
entsprechend beeindruckt. Unsere Freude wurde aber etwas durch den Zustand
der Höhlen getrübt. Leider kann man auch hier die Unsitte nicht
ganz verhindern, den Müll einfach fallen zu lassen. Wir haben Bootsführer
gesehen, die neben den entsprechenden Verbotsschildern Zigaretten geraucht
haben. Die Stalagmiten werden ungeniert berührt und die Fusswege
durch die Höhlen sind halbe Autobahnen. Dafür hat man sich den
Beleuchtungsfachmann gespart. Die Lampen sind so gut angebracht, dass
man, kaum hat man sich nach der Blenderei wieder an das Dunkel gewöhnt,
schon wieder von der Nächsten geblendet wird. Im Sommer sind die
Höhlen sehr beliebt, da eine angenehme Abwechslung zur Gluthitze
draussen. Entsprechend gross war auch der Andrang (zum Glück sind
wir nicht an einem Freitag hier).
Und wieder mal stehen die ausländischen Touristen im Mittelpunkt
des Interesses.
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Der Ausländer wird bestaunt und gefilmt
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Wir fuhren dann noch bis Hamadan und leisten uns hier den absoluten Luxus
eines 4-Sterne-Hotels (50 Dollar). Aber wir sind müde und mindestens
so staubig wie unser Auto. Das Hotel hat sogar einen Swimming-pool, aber
da wir im Iran sind, nur für Männer und Kinder - leider.
Donnerstag, 23. August 2001
Die Gastfreundschaft der Iraner ist sagenhaft. Als wir heute nachmittag
am Strassenrand kurz anhielten um uns die Beine zu vertreten, kamen wir
wieder mal nicht um Tee herum und zum Essen sollten wir auch noch bleiben.
Dabei sind wir wildfremde Ausländer und können uns nicht einmal
verständigen. Wir müssen immer wieder Vergleiche zu unserer
schweizerischen Mentalität ziehen und kommen ziemlich schlecht weg
dabei.
540 km von Hamadan nach Esfahan an einem Stück - es war ein langer
Tag! Unterwegs haben wir noch herausgefunden, wie die Iraner ihre Unfallstatistik
verbessern wollen: sie bauen Autostrassen mit 500 m breiten Mittelstreifen!
So sollte wenigstens hier das Problem mit dem Gegenverkehr gelöst
sein. Jetzt muss man nur noch den auf dem Mittelstreifen grasenden Eseln
und Schafen die Verkehrsregeln beibringen....
Als wir in Esfahan ankamen war es schon dunkel und da wir hier einige
Tage bleiben wollen, gaben wir uns auch nicht mit dem erstbesten Hotel
zufrieden. Schliesslich landeten wir im Hotel Piroozy mitten im Zentrum,
früher mal ein 4-Sterne-Kasten, aber heute etwas heruntergekommen.
Wir bekamen dann auch eine "Suite" für 50$ (statt 95$).
Eigentlich wieder mal weit über unserem Budget, aber die billigeren
Hotels waren alle ausgesprochen schmuddelig. Und schliesslich soll Esfahan
der Höhepunkt des Iran sein, und das wollen wir so richtig geniessen.
Genossen haben wir auch das Abendessen gestern in Hamadan. Manchmal tun
wir uns etwas schwer mit den Restaurants hier. Jeden Tag Kebab und Reis
verträgt auf die Dauer niemand. Gemüse gibt es in den günstigeren
Restaurants, in welchen wir verkehren nicht und auf Salat verzichten wir
normalerweise aus Vorsicht. Zu trinken gibt es nur Orangina und eine Art
Coca Cola (Mineralwasser ist kaum erhältlich), Messer kennt man nicht
und die Tische und Stühle sind ausnahmslos mit klebrigem Plastik
bedeckt. Gestern abend jedoch gab es als Beilage Ratatouille, wir riskierten
sogar einen Salat und das Ganze unter freiem Himmel in einem kleinen Park.
Luxus pur!
Wir werden jetzt also einige Tage hier in Esfahan verbringen, bevor wir
weiter in den Süden reisen.
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