Unterwegs in den einsamen Westfjorden
Montag, 31. August 2015
Und wieder begrüsste uns der Tag mit Regen, Nebel und tiefhängenden Wolken. Die dreistündige Überfahrt mit der Autofähre über den Breidafjördur verlief glücklicherweise ziemlich ruhig und ohne gröbere Anfälle von Seekrankheit.
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Die Autofähre wartet im Hafen von Stykkisholmur |
Wir nähern uns dem Polarkreis (auch Grönland ist hier nur noch etwa 300 km entfernt) und die Temperaturen übersteigen die Nullgradgrenze tagsüber nur noch knapp. Kein Wunder, sitzen die Isländer bei jeder sich bietenden Gelegenheit in einen Heissen Pott. Das sind künstlich oder natürlich eingefasste Planschbecken mit warmem bis heissem Wasser, teilweise wunderschön gelegen mit Blick auf den Fjord. Also ziehen auch wir in einer windschiefen Bretterbude neben der Strasse die Badekleider an und steigen in den zwar etwas schlammigen, aber wunderbar warmen Pool.
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Hot Pot mit Aussicht |
Die Westfjorde ragen wie eine Tatze in das Nordmeer. Auf der südlichsten "Kralle" liegen die berühmten Vogelfelsen von Latrabjarg (hier soll es grosse Kolonien von Papageientauchern haben). Also quartieren wir uns für die nächsten zwei Nächte im Fosshotel in Patreksfördur ein. Da wir zwei Nächte bleiben, haben sie uns einen Upgrade für ein grösseres Zimmer gemacht - vier Mal so viel Platz wie letzte Nacht zur Hälfte des Preises. Aber ab morgen werden die Übernachtungskosten sowieso etwas günstiger, da die Hauptsaison vorbei ist.
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Unterwegs nach Patreksfjördur |
Einen Abstecher machten wir noch zu den "roten Stränden" von Raudisandur. Je nach Einstrahlung der Sonne (welche sich gegen Abend doch noch ab und zu mühselig durch die Wolken kämpfte) schimmert der Strand tatsächlich goldrot.
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Am "Roten Strand" von Raudisandur |
Wir sind jetzt in einer der am spärlichst besiedelten Gegenden Islands unterwegs. Patreksfjördur hat gerade mal etwas über 600 Einwohner (plus ein paar Touristen, aber da die Saison vorbei ist, auch nicht sehr viele).
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Schuppen im Hafen von Patreksfjördur |
Dienstag, 1. September 2015
Die Westfjorde sind das Land der Hexen und Zauberer und das Wetter trägt auch noch viel zur mystischen Stimmung in dieser menschenleeren Landschaft bei. Die hohen Klippen verschwinden in den Wolken, Nebel wabert über die moosbedeckten Lavafelder, vielerorts liegt noch der Restschnee vom letzten Winter.
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Mystische Stimmung im Fjord von Patreksfjördur |
Wir fuhren heute zu den Vogelfelsen vom Latrabjarg. Anfangs Sommer nisten hier etwa eine Million Seevögel, darunter auch die hübschen Papageientaucher. Leider hat es keine Nachzügler mehr, nur noch verschiedene Mövenarten bevölkern die bis zu 400 m hohen Klippen. Hier sind wir auch am westlichsten Punkt Islands und somit am westlichsten Punkt Europas.
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Dreizehenmöven in den Vogelfelsen von Latrabjarg |
Am späteren Nachmittag wollten wir noch schnell in einen Hot Pot, aber der angebliche Geheimtipp (drei Betonbecken mit unterschiedlich heissem Wasser oberhalb von Talknafordur und mit traumhaftem Blick über den Fjord) entpuppte sich als heruntergekommene, verschlammte Angelegenheit. Selbst der wirklich schöne Ausblick war teilweise mit Gerümpel verstellt.
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Hot Pot mit Blick auf den Fjord |
Übrigens haben wir festgestellt, dass das Land am 31. August "geschlossen" wird, wenigstens die meisten Angebote für Touristen wie Museen, Restaurants etc. haben ab heute wegen Winterruhe geschlossen (bis nächstes Jahr am 15. Juni).
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Achtung, Tempo 30 (ob es wohl Kinder hat? Wahrscheinlich eher für den Fall, dass sich mal ein Tourist hierher verirrt) |
Mittwoch, 2. September 2015
Viele Isländer glauben an Trolle und Elfen. Und wenn ein Hügel, auf dem man sein Haus bauen will schon von Elfen bewohnt wird, muss man diese zuerst besänftigen und ihnen eine Alternative bieten. Also werden - analog den Geisterhäusern in Thailand - Elfenhäuser gebaut.
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Elfenhäuschen |
Ein grosser Teil der heutigen Strecke ist nicht asphaltiert und der Verkehr wird immer spärlicher. Das ganze Gebiet der Westfjorde ist - wie der Name schon sagt - von Fjorden durchzogen. Die Strasse führt häufig direkt am Wasser entlang, ab und zu auch über die hohen Tafelberge zwischen den Meeresarmen. Dann schraubt sich die Strasse in steilen Serpentinen bis in die Wolken hinein und wäre der Wind nicht so kalt, könnten wir dort oben eine Schneeballschlacht machen (und nichts treffen, weil man die Hand vor den Augen nicht sieht).
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In den Westfjorden |
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Schmalblättriges Wollgras |
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Und immer wieder Schafe |
Eine Handvoll kleine Ortschaften, einige einsame Höfe, ein paar Fischaufzuchtbecken in den Fjorden und viele Wasserfälle säumen unseren Weg.
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Fischzucht |
Einer der schönsten Wasserfälle (wahrscheinlich von ganz Island) ist der Dynjandi (der "Donnernde"), welcher sich über den terrassierten Berghang in unzähligen Kaskaden bis in den Fjord ergiesst.
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Dynjandi-Wasserfall |
In Þingeyri fanden wir ein offenes Café (das Simbahöllin) in einem hübschen, alten Haus und assen wunderbare Suppen (Minestrone und Sellerie/Rüebli), frisch gebackene Waffeln und Blaubeerkuchen.
Und kurz vor Isafjördur erwartete uns der Leckerbissen einer jeden Tunnel-Phobikerin (like Tara): 6 km einspuriger Tunnel mit Gegenverkehr! Das funktioniert so: die nordwärts Fahrenden haben freie Fahrt und die südwärts Fahrenden müssen immer, wenn sie die Scheinwerfer eines entgegenkommendes Autos sehen in die nächste Haltebucht fahren und warten, bis das Auto vorbei ist. Das muss man natürlich alles wissen und ist für die Einheimischen wohl selbstverständlich. Leider klappt das mit den Touristen nicht ganz zuverlässig und so mussten wir auch mal mitten im Tunnel anhalten und warten, bis der Gegenverkehr die Haltebucht vor uns erreicht hatte :-((
Nördlich von Isafjördur bei Bolungarvik besuchten wir noch ein Freilichtmuseum - ein kleines Fischerdorf mit den typischen grasbedeckten Häuschen, daneben ein Schopf für das Trocknen der Fische. Aber auch dieses Museum hatte schon Winterpause und so konnten wir nicht sehen, wie die Häuschen innen eingerichtet sind.
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Osvor Maritime Museum in Bolungarvik |
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So wurde der Fisch getrocknet |
Die Nacht verbringen wir im Hotel Isafjördur. Leider wieder ohne Nordlicht, denn der Himmel ist wie immer bewölkt.
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Typische Häuser in Isafjördur |
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Da Katholiken stark in der Minderheit sind, ist die Kirche entsprechend bescheiden |
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Mittagspause in einem gemütlichen kaffi hús |
Donnerstag, 3. September 2015
Isafjördur ist die nördlichste Station unserer Reise. Von hier aus sind es noch geschätzte 60 bis 70 km bis zum Polarkreis.
Mit weit über 400 Kilometern ist unsere heutige Etappe die Längste dieser Reise. Also hiess es früh aufstehen. Doch schon in der ersten Ortschaft nach Isafjördur - Sudavik - fingen wir an zu trödeln. Zuerst hielten wir an der Polarfuchs-Station, wo zwei Welpen aufgeregt herumsprangen, dann machte uns das Schild eines freundlichen Dorfbewohners darauf aufmerksam, dass am Strand neben der Strasse Robben sind (welche sich dort auch tatsächlich aufhielten), wahrscheinlich der gleiche freundliche Bewohner stellte in einer Kiste am Strassenrand auch noch gratis zwei Feldstecher für die Robbenbeobachtung zur Verfügung (nebst ein paar Gläsern Heidelbeermarmelade und einem Kässeli), dann mussten wir noch einen kurzen Fotostopp bei zwei lustig bemalten Heuballen und bei einer sehr ordentlich aufgeräumten Bibliothek in einer - noch mit Telefon ausgestatten - Telefonkabine einlegen. Ordentlich aufgeräumt wirkte ausserdem das ganze Städtchen Sudavik!
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Miss und Mister Heuballen! |
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Bibliothek im Telefonhäuschen (wer hat's erfunden?) |
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Stylische Flaschensammelstelle |
Fjord rauf, Fjord runter, Fjord rauf, Fjord runter - für die paar Autos pro Tag lohnt sich natürlich weder eine Brücke über den Fjord noch ein Tunnel unter den dazwischenliegenden Bergen. Nach unzähligen Schlaufen erreichen wir unser erstes Zwischenziel, Holmavik, und essen dort im Café des Hexenmuseums eine extrem leckere Fischsuppe.
Isländer sind wohl richtige Suppenkaspers. In jedem Restaurant und Café, selbst im Fast Food- Bereich der Tankstellen steht mittags ein grosser Topf frischer Suppe.
Im Laufe des Nachmittags trafen wir wieder auf die Nummer 1, die Ringstrasse die rund um Island führt.
Die letzten 5 Tage verbrachten wir in den Westfjorden, einer grandiosen, einsamen Gegend, welche zwar 9000 Quadratkilometer gross ist, aber nur von rund 7500 Menschen (und natürlich vielen Elfen, Geistern und Trollen) bevölkert wird. Zum Vergleich: der Kanton Bern hat knapp 6000 Quadratkilometer und über eine Million Einwohner.
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Unzählige kleine Kirchen gibt es auf Island |
Heute übernachten wir im Gästehaus Svinavatn am gleichnamigen kleinen See. Links das obligate Kirchlein des Hofes, rechts der kleine Friedhof, hinter uns das Haupthaus und vor uns der See. Die drei anderen der insgesamt vier Gästezimmer sind von einer Gruppe Franzosen besetzt, die als Erstes mit Angelrute zum See hinunterliefen um ihr Abendessen zu fangen. Die schönen Forellen wurden dann in der Gemeinschaftsküche gebraten und die drei jungen Hauskätzchen bekamen auch einen ganzen Fisch ab.
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