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Newsletter vom 18. August 2019: Entlang des Sankt-Lorenz-Stromes von Montréal über Québec bis zum Saguenay Fjord

Die Kanadier sind ein sehr freundliches und hilfsbereites Volk. Die oft aufgesetzt wirkende Freundlichkeit der US-Amerikaner und ihr übertriebenes "Honey" oder "Darling", mit dem sie dich ansprechen, macht hier einem meist ehrlich gemeinten Interesse Platz. Als Tourist und Fremder fühlt man sich herzlich willkommen und begegnet einer weitverbreiteten Toleranz. Wir hatten noch selten auf unseren vielen Reisen so schnell Kontakt zu den Einheimischen.

Die Städte Toronto, Ottawa, Montréal und Québec reihen sich wie Perlen auf einer Kette. Nach Toronto war also Ottawa "an der Reihe".
Ottawa ist etwas kleiner (etwa 900'000 Einwohner) und etwas beschaulicher als Toronto und ist die Hauptstadt Kanadas. Dazu gibt es übrigens eine hübsche Anekdote: als es darum ging, die zukünftige Hauptstadt festzulegen und sich zwischen den beiden Grossstädten Toronto und Montréal zu entscheiden, steckte Königin Victoria ihre Hutnadel auf ungefähr halbem Weg zwischen den beiden Städten in die Karte und traf Ottawa, eine kleine Holzfällersiedlung. Ottawa hat sich seither gemacht und ist heute eine spannende Mischung aus viktorianischen Prachtbauten und moderner Architektur.
In Ottawa fuhren wir aber zuerst einmal über den Fluss nach Gatineau in der Provinz Québec. Ottawa und Gatineau sind nur durch den Fluss getrennt und gehen sozusagen nahtlos ineinander über. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass Gatineau eigentlich gar nicht mehr in Kanada liegt, sondern in Französisch Kanada, was natürlich etwas gaaanz Anderes ist. Und was den Engländern ihr Brexit, ist den Québecoises ihr "Quexit". Man will hier unabhängig sein; und wenn schon, dann doch vielleicht lieber zu Frankreich gehören. Bereits vor ungefähr 40 Jahren und zum letzten Mal 1995 wurde darüber abgestimmt, ob man sich von Kanada lösen will. Das Abstimmungsresultat 1995 ähnelte verblüffend der Brexit-Abstimmung - nur andersherum. 50,4 Prozent wollten bei Kanada bleiben, 49,6 Prozent wollten die Unabhängigkeit. Die nächste Abstimmung folgt bestimmt...

Eine der grossen Sehenswürdigkeiten im britisch-freundlichen Ottawa ist der Wachwechsel der Rotröcke auf dem Parliament Hill. Im Sommer wird einmal am Tag die Hauptstrasse gesperrt und einige Dutzend fellbemützter Soldaten marschieren in Formation und unter Begleitung einer Marschkapelle mit Dudelsackspielern Richtung Parlamentshügel. Erwartet von hunderten Schaulustigen, welche viel Geduld für diese langwierige Zeremonie aufbringen müssen. Zwischendurch wurde es einem Rotrock unter der Fellkappe schummerig (wir hatten über 30 Grad und eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit) und er oder sie musste abgeführt werden. Und wir mussten uns kneifen um nicht zu vergessen, dass wir uns NICHT vor dem Buckingham Palast in London befinden.

Unsere nächste Station war Montréal und der erste Einwohner dem wir begegneten (abgesehen von der Angestellten im Visitor Center), verstand nur - nein, nicht Bahnhof, sondern - französisch. Man hatte uns vorgewarnt, dass uns das in der Provinz Québec passieren könne!

In Montréal fanden wir den perfekten Übernachtungsplatz im Hafen von Longueuil, direkt gegenüber von Downtown Montréal und direkt am St. Lorenz-Strom (diesem Fluss werden wir die nächsten Wochen folgen, bis er in den Atlantik mündet). Die Fähre braucht knapp eine halbe Stunden bis zum "Alten Hafen" und wir benutzten sie fleissig.
In Montréal hatten wir erstmal einen veritablen Kulturschock. Wenn man uns von irgendwoher direkt in die Gassen um den Vieux-Port gebeamt hätte, hätten wir Stein und Bein geschworen, dass wir in Frankreich gelandet sind. Bistros, Gelaterias und Strassenkünstler; Geranien, klassizistische Bauten und pathetische Statuen auf hohen Säulen; eine Rue Notre Dame, ein Champ-de-Mars und rings um uns praktisch nur französische Zungen (auch wenn diese Zungen häufig geschwollen zu sein scheinen, so heftig ist der Dialekt).

Wir assen in der letzten Zeit nicht nur gediegen französisch, sondern - das muss sein in Kanada - auch eine Portion Poutine am Street Food Market in Montréal. Ganz klassisch, ohne Schischi. Also nur Pommes, Käse und Bratensauce. Auf unserem Teller waren die Pommes innen noch roh und aussen matschig (kein Wunder, nach dem Bad in Bratensauce), der Käse dermassen industriell, dass er beim Reinbeissen quietschte und über die Bratensauce wollen wir lieber kein weiteres Wort verlieren. Das war wohl definitiv das letzte Mal Poutine - die Leibspeise und das Fast-Food der Kanadier.
Eine bessere Adresse zum Essen ist der Square Saint-Louise, wo es eine kleine Fussgängerzone voller Restaurants gibt. Eines französischer als das Andere, aufgelockert durch ein paar Griechen und sonstige Nationalitäten. Für uns gab es ganz stilecht eine überbackene Zwiebelsuppe, eine Gänse-Terrine und ein Beef Tatar. Mit frischem Baguette und Wein, natürlich aus Frankreich.

In Montréal herrscht (ebenso wie in den meisten anderen Gebieten Kanadas) während 8 bis 9 Monaten der Winter. Ist hier aber nicht so schlimm, da sich ein guter Teil der Stadt im Untergrund ausgebreitet hat. Grosse Einkaufszentren, Theatersäle, Fitnesscenter, ja selbst Kirchen gibt es hier, geheizt, gut geschützt vor Wind und Wetter und untereinander durch Gänge verbunden. Auch viele U-Bahn-Stationen sind in diesem Netz verknüpft und viele Stadtbewohner können so quasi auch im Winter mit T-Shirt und Sandalen von zu Hause aus ins Büro gehen.
Der lange Winter hat aber auch den Nachteil, dass alle Bau- und Unterhaltsarbeiten an Gebäudehüllen und vor allem an Strassen in den wenigen Sommerwochen erledigt werden müssen. Das führt dazu, dass Montréal (eigentlich ganz Kanada) im Sommer eine einzige Baustelle ist. Mühsam nicht nur für Autofahrer wegen den vielen Umleitungen, sondern auch für Fussgänger, da einige Strassen gleich ganz gesperrt oder die Trottoirs mit den Baugeräten und -materialien vollgestellt sind.

In den letzten Wochen hatten wir sehr wechselhaftes Wetter. Mal brannte die Sonne von einem blauen Himmel, mal wehten kalte Böen durch die Häuserschluchten und ein Platzregen folgte dem Nächsten. Dafür entdeckten wir tolle Plätze auf unserer Suche nach Schutz vor dem Regen. Ein wunderschönes Kaffee zum Beispiel, in der alten, riesigen Schalterhalle einer Bank, mehrere Stockwerke hoch der Lichthof und immer noch die alten Stuckaturen, Uhren und sonstigen Verzierungen an den marmornen Wänden. Oder wir stolperten in eines der besten Hotels der Stadt - das Fairmont Le Reine Elizabeth - und dort in die Fresshallen. Auf den ersten Blick wie der oberste Stock im KaDeWe (Berlin), aber sehr, sehr französisch! Nicht nur die Leckereien und die Patisserie die man kaufen und gleich dort essen kann, sondern auch die Weinauswahl und der Sommelier, inklusive Baskenmütze. Das Fairmont in Montréal isr ein richtiger Himmel für Reisende, mit gemütlichen Sitzecken, schnellem Internet und gutem Essen und Trinken.
Ausserdem lief gerade die Ausstellung "Love and Peace" mit einer fantastischen Videoinstallation über das Bed In, welches John Lennon und Yoko Ono in diesem Hotel inszenierten.

Als wir das Hotel verliessen, fanden wir uns inmitten einer Horde nackter Männer auf Fahrrädern wieder. Das Motto respektive der Schlachtruf des, von Polizisten eskortierten Umzuges war "Freiheit für die Haut".
Und etwas später war die Strasse schon wieder gesperrt, aber für einen grösseren Umzug. Unter dem Motto "Freundschaft der Nationen in Amerika" (damit waren vor allem die Eingeborenen und die Minderheiten angesprochen) defilierten und tanzten etwa hundert Gruppen aus den verschiedensten Ländern. Ein lautes, buntes und fröhliches Spektakel. Auch Petrus hatte Freude, denn der ganze Umzug war in Sonnenlicht getaucht.

Wir folgten dem Chemin du Roy weiter Richtung Osten. Seit Montréal war definitiv alles nur noch auf französisch angeschrieben. Im ganzen übrigen Kanada ist konsequent alles zweisprachig, was auch nur entfernt mit Verkehr, Verwaltung, Kultur oder Touristik zu tun hat. Nur hier foutiert man sich darum.
Aber auch aus anderen Gründen ist man sich immer bewusst, in Québec und nicht im restlichen Kanada zu sein: die Dörfer haben so gar nichts amerikanisches an sich! Keine breite Strasse gesäumt von Tankstellen, Fast-Food-Ketten und Supermärkten, sondern Villen mit bunt bepflanzten Vorgärten, ab und zu eine Boutique, eine Chocolaterie oder ein Casse-croûte (Imbiss), eine Kirche (in der Regel heissen diese "Nôtre-Dame de irgendwas") und daneben der Friedhof. Architektonisch dominieren nebst dem beliebig-viktorianischen Stil rustikale Steinhäuser im Französischen Landhausstil, gerne auch mit Türmen und Zinnen. Wo die Dörfer wieder den Feldern Platz machen, verkauften Bauern ihre Waren direkt an der Strasse. Und immer begleitete uns der grosse Sankt-Lorenz-Strom.

Als letzte "Perle" kam Québec City, welches aus einer Neustadt (die wir nicht besuchten) sowie einer Altstadt besteht, die teils am Fusse eines Hügels (Basse-Ville) und teils hoch auf dem Hügel (Haute-Ville) liegt. Die Haute-Ville ist von einer gut erhaltenen Stadtmauer umgeben und wird von Dutzenden alter Kanonen beschützt. Sie beherbergt unter Anderem ein paar monumentale Bauten wie das College, die Basilika Nôtre-Dame und eines der grössten Fairmont-Hotels das wir je sahen, das Château Frontenac.
Die Altstadt - die Obere und die Untere sind mit einem Funiculaire verbunden - lässt sich gut zu Fuss erkunden. Am Nachmittag war allerdings kaum mehr ein Durchkommen möglich, denn riesige Menschenmassen schoben sich durch Québecs Gassen und füllten die Läden und Restaurants. Québec ist wirklich eine schmucke Stadt mit viel Charme. Aber dass es so überlaufen ist, ist zumindest zur Hälfte der Tatsache geschuldet, dass Québec auf dem amerikanischen Kontinent liegt und nicht im alten Europa (für die Amerikaner also quasi Europa um die Ecke).

Bei meistens strahlendem Sonnenschein aber kühleren Temperaturen folgten wir weiter dem Sankt-Lorenz-Strom bis zum Saguneay River. Der Strom wurde immer breiter und an der Mündung des Saguenay Fjordes ist er bereits 20 km breit. Dann umfuhren wir den ganzen Fjord bis auf die andere Seite der Mündung, bis nach Tadoussac. Dort an der Mündung des Süsswasserflusses Saguenay und des salzhaltigen Sankt-Lorenz-Stroms herrschen Nahrungsbedingungen, die zahlreiche Walarten anziehen. Es soll der weltweit beste Ort sein, um Wale zu beobachten und so buchten auch wir einen Ausflug mit dem Boot.

Doch davon nächstes Mal...

 

Abendstimmung

 

 

Ottawa's bärenfellbemützte Rotröcke

 

 

Wachablösung vor dem Parlament in Ottawa

 

 

Architektur in Ottawa

 

 

Auf der Fähre über den Sankt-Lorenz-Strom

 

 

Skyline von Montréal

 

 

Wir probieren wiedermal Poutine - immer noch bäh!

 

 

Viktorianische Häuser in Montréal

 

 

Der Slogan lautete: "Freiheit für die Haut!"

 

 

Farbenfrohe Demonstration für die ...

 

 

... Minderheiten in Québec

 

 

Etwas Rio de Janeiro in Québec

 

 

Und Abends mit der Fähre zurück auf die andere Seite des Fleuve Saint-Laurent

 

 

Gasse in Québec City

 

 

Campingplatz am Sankt-Lorenz-Strom

 

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