Kanada von West nach Ost 2019 Home/Reiseberichte Über uns/Kontakt

 

Newsletter vom 4. August 2019: An den grossen Seen durch Ontario, via Niagara Falls bis nach Toronto

Blumenort, Kleefeld und Grunthal heissen die Orte auf dem Weg zum Mennonite Heritage Village in Steinbach. Einige der ausgestellten Häuser, ohne Wasser, ohne Strom und teilweise noch mit nacktem Lehmboden, wurden bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bewohnt. Nun sind sie Teil eines sehr interessanten Freiluftmuseums. Die Mennoniten stammten ja ursprünglich aus Holland, der Schweiz und einigen süddeutschen Gebieten. Nebst dem Niederdeutsch wird auch das Hochdeutsch noch gepflegt, vor allem in kirchlichen Texten. So kam es, dass die Verkäuferin im alten General Store uns in fast fehlerfreiem Deutsch Stationen aus ihrem Leben erzählen konnte. Sie stamme aus Paraguay und dort gebe es einige moderne Mennoniten-Gemeinden, in denen z.B. die Haube von den Frauen schon lange nicht mehr getragen werde.

Rund um den Lake of the Woods mit seinen vielen Inseln und Inselchen (genau genommen 14'500 Inseln) erstreckt sich eine riesige, mehrere hundert Kilometer im Durchmesser grosse Wasserwildnis. Eine Viertel Million Seen alleine in Ontario sind wahrscheinlich Überreste eines riesigen Sees oder Gletschers aus der Eiszeit und bilden einen gigantischen Freizeitpark im Süden Kanadas, ein Eldorado für Fischer und Kanuten, für Elche und Wasservögel. Vieles ist Sumpf und man kann nur erahnen, wo jeweils das Land aufhört und schon wieder der nächste See beginnt.
So vielen Seen sind definitiv eine Herausforderung für alle Kartographen oder sonstigen Namensgeber, denn so kreativ um für all diese Gewässer einen Namen zu finden, muss man erst mal sein. Oder auch nicht. So hiess neulich der grössere See links der Strasse "Mama Lake" und der Kleinere, rechts neben der Strasse "Baby Lake".

Nebst sehr heissen Tagen hatten wir in den letzten zwei Wochen auch jede Menge Regentage. Besonders als wir im Quetico Provincial Park (etwa auf halber Strecke zwischen Fort Frances und Thunder Bay) campierten, regnete es praktisch nonstopp. Gerade als wir uns bettfertig machen wollten, schrillte der Alarm auf einem unserer Handys. Eine Notfallwarnung, dass in unserer Gegend ein Tornado erwartet werde. Auch unsere internationale Wetterapp warnte vor starken Gewittern um Mitternacht, die sich zu einem Tornado ausweiten könnten. Tatsächlich fing es kurz darauf zu donnern und zu blitzen an und ein sintflutartiger Regen setzte ein, begleitet von starken Windböen welche die grossen Tannen rings um uns arg zum Schwanken brachten. Unser etwas abgelegener Standort mitten im Wald war aus zwei Gründen nicht optimal: erstens könnten uns umstürzende Bäume locker erschlagen und zweitens könnte der Wald durch Blitzeinschlag in Brand geraten. Wir überlegten uns schon, in welche Richtung der See liegt (falls es brennen sollte) und ob wir nicht überhaupt besser auf die Hauptstrasse zurückkehren sollten.
Irgendwann schliefen wir inmitten des Gewitters dann doch ein und erwachten am nächsten Morgen auf jeden Fall unbeschadet. Das Schlimmste war offenbar etwas nördlich von uns vorbeigezogen.

Unser nächstes Etappenziel war einer der grossen Inlandseen Kanadas, der Lake Superior. Mit 82'000 km2 fast doppelt so gross wie die ganze Schweiz (und wir dachten schon, der Bodensee sei gross). Auf dem See verkehren Öltanker und Containerschiffe und Thunder Bay an der Nordseite des Sees ist ein richtiger Hochseehafen.
Am Lake Superior verbrachten wir einige Tage, mal auf einem lauten Parkplatz, mal auf einem Campground mitten im Wald und mal direkt am Sandstrand unter schattenspendenden Bäumen. Und dachten häufig an Zuhause. Denn das Gekreische der allgegenwärtigen Gänse tönt fast gleich wie unsere Krähen im Stadtpark.
Einen Stopp legten wir an der Old Women Bay im Lake Superior Provincial Park ein, wo man einen schönen Strandspaziergang machen kann und Strandgutsammler ob der rosarotgesprenkelten Steine in Verzückung geraten können (wir habe aber keinen mitgenommen). Auf dem Parkplatz überraschten wir dann vier harte Jungs, die die erfolgreiche Umrundung des Lake Superior (immerhin 3000 km) mit einem Bild samt ihren Talisman Kermit und Miss Piggy festhielten.
Einen weiteren Stopp gab es beim Agawa Rock im Lake Superior Provincial Park. Nur nach einer steilen Klettertour über grosse Felsen erreichbar und nur bei Ebbe zu sehen sind die Felszeichnungen der Indianer, die hier schon lange vor Christus lebten.

Die letzte Station am Lake Superior war die kleine Stadt Sault Ste. Marie, welche durch den Saint Marys River in einen kanadischen und einen US-Amerikanischen Teil getrennt wird. In diesem Städtchen blieben wir einige Tage, denn die Wetteraussichten waren gut und wir mussten die Dichtungen aussen am Camper erneuern. Ausserdem hatte Zoltan seit ein paar Tagen Zahnschmerzen und musste zu einem Zahnarzt (das Zahnweh wurde als eventuelle Kieferhöhlenentzündung diagnostiziert und wird jetzt erst mal mit Antibiotika behandelt).
In Sault Ste. Marie kamen wir mit Ladenbesitzern ins Gespräch und irgendwann wurde die Diskussion auch politisch. Wir wussten ja, dass viele Kanadier mit Trudeau Junior nicht so happy sind und dass er sich punkto Übergriffe auf Frauen zum Beispiel zu viel erlaubt. Aber die Worte von unseren Gesprächspartnern waren sehr deutlich: Er (Trudeau) sei eine Schlange, man könne ihm nicht trauen. Bei Trump wisse man wenigstens, woran man sei...

Unser Weg führte uns weiter auf dem Trans Canada Highway Richtung Westen. Zwischen Sault Ste. Marie und Sudbury am nördlichen Ufer des Lake Huron (genau gesagt am North Channel) ist dieser eine gut ausgebaute Autostrasse mit relativ viel Lastwagenverkehr. Trotzdem muss man aufmerksam bleiben. Sei es, wegen der hier ansässigen Amish People, die mit ihren langsamen Pferdekutschen einen Teil der Strasse beanspruchen, sei es wegen Elchen, die unvermittelt über die Fahrbahn springen.

Wir verliessen den Trans Canada Highway auf der Höhe von Espanola und fuhren südwärts auf die Manitoulin Island. Übrigens die weltweit grösste Insel in einem Süsswassersee.
Von hier aus kann man mit der Fähre nach Bruce Peninsula übersetzen und ist damit schon im Naherholungsgebiet der Bewohner von Toronto.
Auf Manitoulin Island fanden wir ein wunderschönes Plätzchen. Neben der Marina von Gore Bay stand direkt am Wasser ein Schild mit dem Text "Free Overnight RV Parking". So etwas sahen wir auf unseren langen Reisen in Amerika und Kanada noch nie! Als wir ankamen, machte die Wolkendecke gerade einem blauen Himmel Platz und die Sonne verwandelte das schöne Plätzchen in ein Traumplätzchen. Um das Auto tanzten Monarch-Falter, ein Reh äste zwischen unserem Camper und dem Wasser und wir tranken auf der Terrasse der kleinen Brauerei vis á vis ein Glas Manitoulin Gold und assen dann in der 50 Meter entfernten Buoy's Eatery am Ufer der kleinen Marina den Tagesfisch. Begleitet von einem angenehm leise aufspielenden Musikanten aus Newfoundland. Einfach paradiesisch, genau so muss es sein! Wir werden Manitoulin Island in allerbester Erinnerung behalten!

Es sind Sommerferien, nicht nur hier sondern auch in Europa. Und wir haben immer mehr Mühe, ein freies Plätzen zu finden. Auch beim Übersetzen von Manitoulin Island aufs Festland hatte es nur noch auf der Fähre von 22 Uhr freie Plätze. Das heisst, wir kamen um Mitternacht In Tobermory an und mussten bei völliger Dunkelheit einen Parkplatz zum Übernachten finden :-(

Und da wir schon in der Gegend waren, musste ein Abstecher zu den Niagara Fällen natürlich sein. Die Stadt Niagara Falls (halb auf kanadischer und halb auf US-Amerikanischer Seite gelegen) ist ganz auf den Tourismus ausgerichtet. Von Ripley's Believe It or Not! über Tussaud's bis Marineland, vom Riesenrad bis zu mehreren Casinos, jeder Menge Hotels, Aussichtstürmen, IMAX-Theater, Hubschrauberflügen und Bootsfahrten - die Vergnügungsindustrie gibt alles und da geht die Hauptattraktion fast vergessen - die Wasserfälle. Sie sind wirklich spektakulär und die Menge an Wasser, die über die Abbruchkanten der beiden grossen Fälle stürzen, erscheint gigantisch. Bis man sich vergegenwärtigt, dass mit dem Bau mehrerer Kraftwerke die Wassermenge um ca. 75% reduziert wurde. Wie muss das wohl zuvor in den 50er-Jahren ausgesehen haben? Noch viel früher (Anfangs des 19ten Jahrhunderts) begannen die Menschen, sich auf alle möglichen Arten über die Fälle in die Tiefe zu stürzen: mal in einer Holztonne, mal auf einem Kajak und sogar auf Jet Skiern. Viele überlebten, viele nicht.
Übrigens ist der Anblick der Fälle auf der kanadischen Seite weitaus eindrucksvoller (sorry USA). Und nach dem Eindunkeln werden die Fälle beleuchtet und ein Feuerwerk gab es obendrein.

Auf dem Weg nach Toronto statteten wir dem Städtchen Niagara-on-the-Lake einen Besuch ab. Umgeben von Weingütern, Obstplantagen und schicken Häusern wird das Städtchen vor allem von Bessersituierten bewohnt. So hat es praktisch mitten im Zentrum einen Golfplatz und die Hauptstrasse wird gesäumt von tollen Restaurants, einladenden Läden und Parks.

Im Grossraum Toronto leben etwa 8 Millionen Menschen (knapp 3 Millionen in der Stadt selbst). Wir liessen uns für 4 Tage auf einem, dem Zentrum möglichst nahe liegenden Campingplatz nieder und fuhren jeden Tag zwei Stunden in die Stadt und wieder zwei Stunden zurück. Mit dem Uber-Taxi dauerte es etwas weniger lang, mit dem ÖV etwas länger.
Übrigens sind sehr viele der Uber-Fahrer Inder oder Pakistani, gut ausgebildet und sehr gesprächig und alle waren schon in Zürich oder haben einen Freund dort. Es ist immer lustig - vorausgesetzt, wir verstehen sie...

In Toronto besuchten wir die Art Gallery, die momentan eine zauberhafte Installation von Kusama zeigt, das Bata Schuhmuseum, das nur etwa 4% seiner gesamten Sammlung ausstellen kann, das Eaton Center mit der Glaskuppel und den fliegenden Gänsen, fuhren mit dem Doppeldecker durchs Zentrum, besuchten Kensington und den St. Lawrence Market, die Waterfront und vieles mehr.
Toronto gefiel uns. Es ist eine quirlige, junge Stadt, die verschiedenen Quartiere pflegen eine starke Identität und die Menschen sind aufgestellt, hilfsbreit und extrem freundlich. Ausserdem ist es eine Stadt, in der nach unserem Eindruck jeder jeden leben lässt und jeder nach seiner Fasson glücklich werden kann.

 

Am Lake Superior (dem Viertgrössten der "Grossen Seen Nordamerikas")

 

 

Begegnung in der Old Woman Bay am Lake Superior

 

 

Amish People in Ontario

 

 

Der Niagara River stürzt über die Kante der Horseshoefalls ("Hufeisen"-Fälle)

 

 

Abendstimmung an den Horseshoefalls

 

 

Sicht von Kanada auf die American Falls

 

 

Unterwegs in Toronto: Verschnaufpause

 

 

Installation von Yayoi Kusama in der Art Gallery in Toronto

 

 

Unterwegs in Kensington, Toronto

 

 

Strassenkunst im Quartier Kensington in Toronto

 

 

Das berühmte Gooderham Building in Toronto, einmal die Vorderseite ...

 

 

... und einmal die Rückseite

 

 

Torontos Skyline

 

  Vorheriger Bericht   Nächster Bericht