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Newsletter vom 15. Juli 2019: Die Prärieprovinzen Alberta, Saskatchewan und Manitoba

Kurz nach unserem letzten Newsletter überquerten wir die Grenze zu Kanada. All unsere Befürchtungen von wegen frischem Gemüse und Fleisch (wir hatten ja mit dem Einkauf von Frischwaren extra bis nach der Grenze gewartet) waren umsonst. Gefragt wurde nach Brennholz, Waffen, Geld, und Alkohol/Rauschgift.

In der kanadischen Provinz Alberta (in der wir die grössten Highlights schon letztes Jahr besuchten) hatten wir eigentlich nur ein Ziel: den Dinosaur Provincial Park. Dieser Provinicial Park gehört zu den Unesco World Heritage Sites und unterbricht die Ebene wie eine riesige, tiefe Wunde. Die früheren Siedler und Entdecker nannten diese Landschaft Badland ("schlechtes Land" oder "Ödland"). Sie meinten damit auch, dass wegen der steilen Hänge und dem tiefen Sand die Durchquerung schwierig ist.
Die Landschaft aber ist atemberaubend schön. Die bizarr geformten Felsen (manche wie überdimensionierte Champignons, manche wie Säulengänge) sind in verschiedenen Farben geschichtet, von schwarzen Kohleschichten über rote Schichten mit Eisen bis zu strahlendweissen Flächen und befinden sich in den verschiedensten Stadien der Erosion.
Da die massive Erosion, begünstigt durch lockeren Stein und geringer Vegetation die Sedimentschichten abträgt, werden in solchen Badlands leichter als anderswo Fossilien gefunden. So wie hier, wo man Hunderte kompletter Dinosaurierskelette gefunden hat. Viele dieser Exponate sind im berühmten Royal Tyrell Museum in Drumheller ausgestellt, aber so weit in den Norden fahren wir nicht (dafür ist unser Interesse an Dinosauriern dann doch nicht gross genug). Uns interessiert vor allem die Landschaft und die ist hier wirklich sensationell! Aufpassen muss man halt wegen Klapperschlangen, Skorpionen und Schwarze Witwen.

Im Süden Albertas, Saskatchewans und Manitobas führt der Trans Canada Highway #1 durch unendlich scheinende Ebenen. Kein Hügel oder Berg versperrt den Blick auf die riesigen Felder mit Viehfutter, Raps und Weizen. Die höchste Erhebung z.B. in Manitoba misst ein paar Hundert Meter. An guten Tagen soll man bis 200 Kilometer weit sehen. Als Schweizer kann man sich gar nicht vorstellen wie das ist, wenn man irgendwo in der Gegend stehen, sich rund um die eigene Achse drehen kann und dabei sozusagen immer "freie Sicht auf's Mittelmeer" hat. Und der Himmel ist so natürlich unvorstellbar weit.
Ab und zu erscheinen am Horizont ein paar Windräder oder die archaisch anmutenden, nickenden Öl-Bohrtürme. Falken und Hörnchen sitzen am Strassenrand, ein Waschbär überquert zwischen den Lastwagen hindurch den Highway und grosse Rinderherden sehnen sich nach schattigen Plätzen unter Bäumen. Aber Bäume sind Mangelware.

Diese zentralen Provinzen bieten auch wettermässig einige Besonderheiten. Die Sommer sind heiss und kurz (so gibt es im Süden Manitobas gerade einmal 100 frostfreie Tage) und die Winter sind eiskalt. Übergangszeiten gibt es praktisch kaum.

Der Trans Canada Highway ist sterbenslangweilig und nach ein paar Hundert Kilometern hatten wir's gesehen. Also schaukelten wir auf schnurgeraden, wie mit dem Lineal gezogenen Nebenstrassen Richtung Osten. Wir waren meistens alleine auf der Strasse und die kleinen Städtchen, die wir passierten, bestehen aus einem Laden, eventuell einer Bücherei und ein paar Häusern. Und - vor allem in Manitoba - einer oder zwei Orthodoxen Kirchen der hierher zugezogen Ukrainer.

In Saskatchewan besuchten wir den Riding Mountain Nationalpark, in welchem wir nebst Horden von Moskitos (welche uns wiedermal gnadenlos gejagt haben) auch Elchen und wieder einmal einem Schwarzbären begegneten.

Und dann ging es nach Manitoba, welches bedeckt ist von Abertausenden grossen, kleinen und kleinsten Seen, alles Überbleibsel eines einzigen Sees, der in der Eiszeit fast die ganze Provinz bedeckte.
Die beiden Seen Lake Manitoba und insbesondere Lake Winnipeg sind riesig (der Lake Winnipeg ist etwa 400 km lang und 24'000 km2 gross und damit mehr als halb so gross wie die Schweiz), und dennoch klein im Vergleich zu den grossen Seen weiter im Osten. Man kommt sich vor, als stehe man am Meer und kann sich fast nicht vorstellen, dass diese Seen in wenigen Monaten schon wieder komplett zugefroren sein werden. 

Wie immer versuchten wir, uns wenn möglich antizyklisch zu verhalten und an den Wochenenden, wenn die Einheimischen die Parks besuchen und die Campingplätze füllen, in einer Stadt zu bleiben. Vorletztes Wochenende war dies Regina, mit 200'000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt von Saskatchewan. Regina rühmt sich, den schönsten und grössten Stadtpark der Welt zu haben - das Wascana Center.  Soviel wir sahen, können wir dem absolut zustimmen. Und so verbrachten wir die zwei Nächte auf dem Parkplatz des Science Centers, mitten im Park.
Auch in Regina boomen die Microbrauereien mit angeschlossenem Pub und in so einem wurde uns auch das Völkergemisch Kanadas erst so richtig bewusst. Der Koch war nämlich Ukrainer und servierte uns einen bunten Teller mit Kohlwickeln, Sauerkraut, Ukrainische Würste und Piroggen. Und auch auf dem samstäglichen Farmers Market bemerkt man (schon nur anhand der Würste) die polnischen und ungarischen Einwanderer.

Kanada bietet und bot einer grossen Anzahl von Ethnien Heimat. In Manitoba zum Beispiel haben sich - nebst den Briten und vielen weiteren Nationalitäten - vor allem Franzosen, Ukrainer, Polen, Skandinavier und Deutsche niedergelassen. Auch Isländer haben ihre Spuren hinterlassen und - wohl etwas heimwehkrank - ihre Niederlassungen nach Orten auf Island benannt: Reykjavik, Gimli, Hecla und so weiter.

Eine grosse Gruppe der ausgewanderten Deutschen sind die sogenannten Täufer - die Hutterer und die Mennoniten (die Amish People, eine ultrakonservative Absplitterung der Mennoniten, leben vor allem in den USA). Bei den Täufern handelt es sich um eine Glaubensrichtung, die sehr konservativ und strikt nach der Bibel lebt. Man erkennt sie auch am Äusseren. Die Männer tragen alle einen Kinnbart, die Frauen lange Kleider und eine Kopfbedeckung. Zusätzlich tragen die Hutterer Hüte und die Hutterer-Frauen haben ihre altmodischen Kleider mit extrem grossen Schulterpolstern ausgestattet und tragen alle weissgepunktete Kopftücher. Die Frauen der Mennoniten dagegen haben eine kleine, schwarze oder weisse Haube auf den Haaren. Viele Täufer reden unter sich "Niederdeutsch" resp. Plattdeutsch (wir nix verstehen).
Mit einer Familie der Mennoniten verbrachten wir übrigens einen sehr interessanten Abend auf dem Campingplatz des Hecla Provincial Parks. Sie luden uns ein zu einem Fleisch-Gemüse-Allerlei aus dem Gusseisentopf. Es sind Farmer und sie bauen vor allem Weizen und Quinoa an. Wenn wir alles richtig verstanden haben, dann arbeiten sie an vier Tagen in der Woche für ihr eigenes Einkommen und an zwei Tagen für die Gemeinschaft. Wobei strikt die klassische Rollenverteilung gelebt wird und die Frauen im Haushalt und im Gemüsegarten arbeiten.
Natürlich kam auch irgendwann die Frage auf den Tisch, ob sie biologische Landwirtschaft betreiben (nein) und von da aus führte die Diskussion zur Tierhaltung (was wir unter Anderem als Begründung für unsere Einstellung angaben). Bei diesem Thema stiessen wir aber auf völliges Unverständnis, denn in der Bibel steht ja sowas wie "der Mensch mache sich die Erde untertan". Das beinhaltet selbstverständlich auch die Tiere. Natürlich wird ein Tier nicht mutwillig gequält, aber es ist immer noch eine Gebrauchssache und ob sich Hühner in Käfighaltung wohl fühlen - über das wird nicht nachgedacht.

Das vergangene Wochenende verbrachten wir in der Stadt Winnipeg, einer Grossstadt mit etwa 800'000 Einwohnern. Dort besuchten wir auch das Canadian Museum of Human Rights (Museum der Menschenrechte).
Schwierig zu sagen, was uns mehr beeindruckte; die aussergewöhnliche Architektur des modernen Baus oder die Ausstellungen, die sich mit allen Aspekten der Menschenrechte und des Kampfes von Minderheiten um gleiche Rechte auseinandersetzt. Auch der Darstellung der Diskriminierung und Verfolgung anders Denkender, anders Lebender und anders Betender wird viel Raum gegeben. Sei es dem Genozid an den Armeniern, an den Juden oder an den Rohingya. In der Galerie derer, die sich um die Menschenrechte verdienst gemacht haben, ist das Porträt von Aung San Suu Kyi, die diesen Genozid nicht verurteilt hat, nicht mehr beleuchtet und daneben steht, dass ihr die Ehrenbürgschaft Kanadas aberkannt wurde und ihr Bild nächstens ganz aus dem Museum entfernt werde.

Damit hätten wir die Prärieprovinzen Alberta, Saskatchewan und Manitoba schon hinter uns. Wir hatten die letzten zwei Wochen extrem Glück mit dem Wetter. Statt über 40 Grad wie sonst um diese Jahreszeit hatten wir meistens so um die 20, 25 Grad und sehr kühle Nächte - einfach perfekt! Doch jetzt hat uns die grosse Hitze leider auch erreicht, mitsamt Blitz und Donner und sintflutartigem Regen.

 

In den Badlands: Morgenstimmung im ...

 

 

... Dinosaur Provincial Park

 

 

Sogenannte Hoodoos (erodiertes Sedimentgestein)

 

 

Architekturmix im Stadtzentrum von Regina, Saskatchewan

 

 

Kanadagänse haben Vortritt

 

 

Ohne Kommentar

 

 

Russisch-Orthodoxe Kirche in Manitoba

 

 

Schwarzbär im Riding Mountain National Park in Manitoba

 

 

Pelikan im Hecla Provincial Park am Lake Winnipeg

 

 

Auch die Architektur des Museum of Human Rights in Winnipeg ist TOP

 

 

Im Inneren des Museum of Human Rights

 

 

Fussgängerbrücke im Park The Forks in Winnipeg

 

 

The Forks Market in Winnipeg

 

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