Zweiter Teil
Freitag, 22. Oktober 2004
In den Nächten wird es angenehm kühl (etwa 20 Grad) und gegen
Morgen, nachdem der helle Halbmond untergegangen ist, ziert ein wunderschöner
Sternenhimmel die phantastische Landschaft. Und es ist absolut totenstill
(bis auf das Zirpen der Wüstenmäuse)!
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Frühstück
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Wir konnten gestern Abend übrigens noch knapp den Kocher anmachen
und dann ging wieder gar nichts mehr (nicht einmal die Innenraumbeleuchtung).
Es ist wohl definitiv die Batterie, die am Lebensende ist. Zum Glück
können wir morgens immer bei irgendjemandem unser Kaffeewasser mitkochen.
Und zum Kochen entlehnt uns Georg seinen Gaskocher.
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Grosszügige Küche mit spartanischer
Einrichtung
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Gestern fuhren wir fast 140 Kilometer, aber Luftlinie kamen wir etwa
20 km weiter nach Süden. Und heute steckte der Erste bereits nach
zehn Minuten in den Dünen fest. Wir suchen uns unseren Weg querfeldein
und versuchen, den schon wieder fast flüssigen Sand wo möglich
zu umfahren.
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Sand, Sand, Sand
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Unterwegs scheuchen wir grosse Heuschreckenschwärme auf, die Luft
flimmert, es ist noch heisser als gestern und die Fliegen sind noch zahlreicher
und penetranter als in Australien. Wir sehen viel Kameldung (aber nur
wenige Kamele) und morgens kann man die verschiedensten Spuren um unseren
Lagerplatz finden. Eine Art Wüstenfuchs muss unterwegs sein, kleine
Geckos, Schlangen und unzählige, riesige Käfer.
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Ein kleiner Gecko...
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...und eine etwas grössere Schlange (leider
nicht mehr allzu lebendig)
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Um 13 Uhr, in der grössten Mittagshitze, ging gar nichts mehr. Bernd
irrte eine halbe Stunde in den Dünen umher, um einen Weg hinaus zu
finden. Wir brauchten dann aber noch vier Stunden um eine Strecke von
etwa einem Kilometer zurückzulegen. Tagesleistung: 23 km gefahren,
9 Stunden unterwegs (ein Kamel hätte uns also locker überholt),
die meiste Zeit buddeln oder warten, bis jemand rausgezogen wurde. Zwischendurch
machen einen die Strapazen fast vergessen, in was für einer wunderschönen
Gegend man sich befindet. Mit dem tiefstmöglichen Reifendruck und
einer Schiene aus aneinandergereihten Sandblechen schaffte schliesslich
auch Rosinante die höchsten Dünen.
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Da helfen nur noch die Sandbleche
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Unser Nachtlager schlugen wir kurz vor Dunkelwerden irgendwo in den Dünen
auf.
Unsere Koordinaten: N 31.51.722, E 09.32.556
Wir sind unglaublich sandig, verschwitzt und müde, Tara ist stark
erkältet und verzieht sich schon früh ins Bett.
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Verschnaufpause
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Die Stimmung in der Gruppe ist übrigens sehr gut und man hilft einander,
wo es nur geht. Und langsam lernen wir auch die einzelnen Leute besser
kennen. Bernd und Kai, unsere "Führer", bringt so schnell
nichts aus der Ruhe und vor allem Bernd hat öfters einen lockeren
Spruch auf den Lippen. Der meistens mit einer Pfeife bewaffnete Eckhard
findet die Dünen selbst nach einem Tag buddeln noch toll und seine
Frau Rosemarie hat die Klapptoilette von Günter entdeckt, und bringt
so für sich ein Stück Komfort in die Wüste.
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Rosemarie kehrt zurück vom stillen Örtchen
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Günter ist immer mit dem Abschleppseil zur Stelle, meistert mit
seinem Landy die schwierigsten Stellen und hat als richtiger Geniesser
für jeden Tag eine Flasche Wein dabei. Seine Freunde, Christian und
Sandra, stellen jeden Abend das Zelt mitten in den Dünen auf. Sandra
ist wahrscheinlich die Einzige von uns Frauen, die oft und mit Freude
selbst fährt und der Christian arbeitet zwar bei Gillette, verweigert
aber als Einziger eine Rasur bis zum Schluss der Reise. Der Micha kann
stundenlang barfuss und mit nacktem Oberkörper in der grössten
Hitze gemütlich durch die Dünen marschieren und dabei sehr zufrieden
dreinschauen und seine Frau Silvia macht (auch wenn sie jetzt wohl nicht
zustimmen würde), selbst in den schweisstreibendsten Situationen
einen gepflegten Eindruck und hätte sogar ein Vicks zum Einreiben
dabei (für Taras Erkältung).
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Auch die Frauen der Gruppe verstehen sich ausgezeichnet
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Der Georg lernt mit Begeisterung die Dünen zu bezwingen und traut
sich und seinem Auto täglich mehr zu (die Windschutzscheibe hält
immer noch). Und da sind da noch die ruhige Anett und der Axel, welcher
sich oft zurückzieht und die Einsamkeit der Wüste geniesst.
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Axel geniesst die Aussicht
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Samstag, 23. Oktober 2004
Die hohen Sandberge des Grand Erg Oriental säumen links und rechts
das letzte Stück Wellblechpiste vor El Borma. El Borma selbst ist
deprimierend anzusehen; ein grosses Erdöl- und Erdgasfeld und ein
Posten der tunesischen Armee an der Grenze zu Algerien. Aber dort steht
die einzige Zapfsäule weit und breit und deshalb ist dieser trostlose
Ort (fast) jeden Umweg wert.
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Runterfahren ist nicht schwer
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Am späten Nachmittag erreichten wir die Quelle La Riche. Mitten
in der Wüste sprudelt aus einem Rohr heisses Wasser und einige wenige
Bäume spenden etwas Schatten. Leider lagen in diesem Schatten bereits
ein paar Männer und dabei natürlich ein Soldat, der natürlich
alle Pässe sehen wollte und alle Autonummern aufschrieb. Aber wir
nahmen trotzdem eine Dusche und versüssten den Jungs ihren eintönigen
Job mit dem Anblick weisser Frauen im Badekleid (in islamischen Gegenden
schon fast ein pornografischer Akt). Aber nach den letzten Tagen konnten
wir nun wirklich nicht widerstehen!
Unsere Koordinaten: N 31.31.492, E 09.36.223
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Aah, welche Wohltat!
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Sonntag, 24. Oktober 2004
An der östlichen Flanke des Grand Erg Oriental fuhren wir heute Richtung
Süden.
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Die hohen Dünen des Grand Erg Oriental
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Teilweise über unendlich scheinende Ebenen, teilweise mussten wir
unseren Weg wieder durch Dünenfelder suchen. Ausnahmsweise mussten
wir beide nicht buddeln, dafür hatten wir kurz vor Mittag vorne Links
einen Plattfuss. Ein fingerdicker Ast hatte sich durch den Reifen gebohrt.
Zum Glück ist heute nicht so heiss (nur noch etwa 38° im Schatten).
Ächz!
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Sch...-Sprengringfelgen!!!
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Rosemarie und Tara sitzen jetzt am Schatten eines Autos und schauen dem
Bernd und Zoltan beim Reifenflicken zu. Die anderen sind mit 5 Autos auf
einen Ausflug in die hohen Dünen aufgebrochen. Die wollten die Sandbleche
wohl noch mal so richtig amortisieren und wir richten uns auf einen langen
Nachmittag ein.
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Tote Fliegen
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Ein paar Stunden später sind die "Ausflügler" dann
zurückgekehrt, verschwitzt aber stolz auf die überstandenen
Herausforderungen. Bilanz: eine defekte Klimaanlage, eine eingedrückte
Stossstange und ein abgedrückter Reifen.
Wir fuhren dann noch bis auf den nächsten Hügel und richten
hier unser Nachtlager ein. Ringsherum Blick auf die endlos scheinende
Wüste. Die Aussicht ist einmalig, grandios, unbeschreiblich und alle
Mühsal und Anstrengungen haben sich gelohnt!
Unsere Koordinaten: 31.16.767/9.49.227
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Dieser Anblick entschädigt für alles!
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Montag, 25. Oktober 2004
Letzte Nacht war es endlich etwas kühler. Nach dem Frühstück
musste nur noch Georgs Reifen wieder auf die Felge gebracht werden und
los ging's langsam Richtung Norden. Nach ein paar Schaufeln Sand erreichten
wir die Hauptpiste, welche von Nord nach Süd das ganze militärische
Sperrgebiet durchquert. Wellblech vom Schlimmsten, und das den ganzen
Tag. Eine der Stossdämpferaufhängungen von Günters Landy
hat das nicht überlebt und wir konstatierten mit Schrecken, dass
unsere ganze Lenksäule auch nur noch an einem seidenen Faden hing,
als Zoltan heute Abend den Herkunftsort der Schraube suchte, die ihm während
der Fahrt auf den Schoss gefallen war. Der Grenzposten wollte schon wieder
einen "guten" Kugelschreiber (kein "cache-cache")
und wir haben nun das Schlimmste - oder Schönste, wie man's nimmt
- hinter uns. Zur Belohnung steuerten wir wieder die Oase Ksar Ghilane
mit ihrer warmen Quelle an. Welche Wohltat nach dieser staubigen Piste.
Die Anstrengungen der letzten Tage werden wir wohl bald vergessen haben.
Was sicher bleibt sind die Eindrücke der unbeschreiblichen Schönheit
der Wüste.
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Sultan of the dunes
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Dienstag, 26. Oktober 2004
Wegen diverser Reparaturarbeiten gestaltete sich der Aufbruch heute Früh
sehr gemütlich. Aber eigentlich hatten wir bis jetzt alle Glück.
Im Gegensatz zum Toyota-Fahrer, welcher Gestern mit defektem Hinterradantrieb
irgendwo südlich von hier in den Dünen stecken blieb. Bernd
half gestern Abend noch dabei, das Militär zur Bergung zu organisieren,
weil in dieser Gruppe niemand französisch konnte.
Wir fuhren auf einer schlechten Piste Richtung Westen, auf das Dahar-Bergland
zu. Und wieder mal wünschten wir uns, ein paar PS mehr unter dem
Hintern zu haben. Die letzte steile Weichsandpassage schafften wir nämlich
nicht, aber konnten zum Glück einen Umweg fahren. Dieser Teil des
Berglandes ist grösstenteils unbewohnt, urtümlich, wunderschön.
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Im Dahar-Bergland (und endlich wieder Asphalt
unter den Rädern)
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Der Weg durch das Gebirge ist schwierig zu finden und oft weisen Teile
des Tracks tiefe Auswaschungen auf. In der Nähe von Tatouine trafen
wir auf die ersten Berberdörfer. In den Fels gehauene Höhlen
wurden früher als Unterkunft benutzt und sind zum Teil auch heute
noch bewohnt. Die meisten Dörfer und Behausungen, die wir passierten,
wirken sehr ärmlich. Das verlassene Dorf Douirat haben wir besichtigt.
Hier engagiert sich der Heimatschutz, um dieses beeindruckende Beispiel
einer alten Berbersiedlung zu erhalten.
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Douirat I
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Douirat II
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In Tatouine gingen die Frauen einkaufen, damit wir unseren letzten Abend
unter dem Sternenhimmel mit einem gemeinsamen Essen feiern können.
Den Markt entdeckten wir schnell, aber Fleisch zu finden, war gar nicht
so einfach. Es gibt nur zwei Sorten "Metzgereien", solche mit
Kamelfleisch und solche mit Hammelfleisch. Erkennbar am abgeschlagenen
Kopf der jeweiligen Gattung auf dem Tresen. Da hängen dann die ganzen
Tiere in uralten Kühlschränken und man muss schon ziemlich genau
wissen, was man will. Wir liessen uns von einem frisch geschlachteten
Hammel die Rippen abhacken, legten die sehnigen Stücke wieder zurück
und bezahlten wahrscheinlich viel zu viel dafür. Wir waren übrigens
praktisch die einzigen Frauen auf dem Markt! Mit viel Salat und Brot bewaffnet
ging es dann noch bis Ksar Halouf. Über dem Dorf auf einem Hügel
steht eine alte Speicherburg, in deren Innenhof wir unser Lager aufschlagen
konnten. Die Speicherburg diente früher als Rückzugsort bei
Gefahr und als Speicherort für Oliven und Öl. Einige der Kammern
hat man zu rudimentären Touristenbehausungen zurechtgemacht.
Nach acht Tagen wieder einmal frischen Salat, das war schon toll. Nur
der Hammel war ziemlich zäh.
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Im Innenhof der alten Speicherburg von Ksar
Halouf
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Etwas Aufregung entstand dann nach dem Abendessen als wir merkten, dass
Kai verschwunden war. Er hatte sich gleich nach unserer Ankunft in die
Hügel verdrückt um ein Handynetz zu suchen. Und als es dunkel
wurde, fand er den Weg zurück nicht mehr. Mit Taschenlampen leuchteten
wir alle Speicherhöhlen aus, erkundeten die Umgebung und zwei von
uns fanden ihn schliesslich hinter dem nächsten Hügel. Die Erleichterung
auf beiden Seiten war gross!
Mittwoch, 27. Oktober 2004
Gegen Mittag kamen wir auf Djerba an, wo wir im Hotel Club Meninx unsere
Zimmer bezogen. Viel Wasser zum Duschen und viel Essen auf dem Buffet.
Zwar beides ein Genuss nach den letzten Tagen, aber die vielen Leute,
der viele Lärm, die Betriebsamkeit - all das liess uns mit Wehmut
an die Wüste und vor allem an die absolute Ruhe dort zurückdenken.
Man kann also schon nach nur 10 Tagen so etwas wie einen kleinen Kulturschock
bekommen.
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Zurück in der Zivilisation
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Wir beide beschlossen trotzdem, erst mal zwei Tage länger hier zu
bleiben, etwas die Insel anzuschauen und uns im Hamam verwöhnen zu
lassen (Massage und Algenpackung für übermorgen sind schon gebucht...).
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