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22.11.2002  Auf der Great Ocean Road nach Melbourne

Freitag, 15. November und Samstag, 16. November 2002

Wir fuhren gestern via Wellington (wo man den Murray River immer noch mit der Fähre überquert) und entlang des Coorong Nationalparks bis Naracoorte. Der Coorong NP besteht vor allem aus Feuchtland und Lagunen, welche durch Sanddünen vom Meer abgetrennt sind und eine Heimat für unzählige Wasservögel bieten.
In Naracoorte haben wir übernachtet und heute besuchten wir die nahegelegenen Höhlen, welche zum Weltkulturerbe gehören. Genauer gesagt sind es nicht die Höhlen, sondern die Fossilienfunde in diesen. Da wir schon so viele Tropfsteinhöhlen gesehen haben, beschränkten wir uns auf die Besichtigung der Fundstätten in der Victoria Mammal Cave.

Schon längst ausgestorben: einzehiges, känguruartiges Beuteltier  

Schon längst ausgestorben: einzehiges, känguruartiges Beuteltier

In einer der vielen weiteren Höhlen lebt eine nur hier vorkommende Fledermausart, welche man mittels Übertragung der dort installierten Infrarotkameras beobachten kann. So stört man die Tiere nicht (und bleibt vor allem vom bestialischen Gestank der Exkremente verschont).
Überhaupt ist es bemerkenswert, wie viel verantwortungsvoller heute mit der Natur umgegangen wird (ab und zu wenigstens). Noch vor wenigen Jahren führte man ganze Schulklassen mitten in der Brutzeit durch die Fledermaushöhlen und die ständigen Störungen sind sicher auch mit ein Grund, dass sich die Anzahl dieser Tiere seit Entdeckung der Höhlen dramatisch reduziert hat.
Die weiter südlich gelegene Bool Lagoon, welche sich normalerweise gut für Vogelbeobachtungen eignet und auch eine Ibis-Kolonie beherbergt, ist leider ausgetrocknet. Es regnet seit fünf Jahren immer wie weniger und dieses Jahr ist - auch hier - das trockenste Jahr, seit man in Australien überhaupt Wetterdaten erfasst.
Also reisten wir weiter zu unserem nächsten Ziel, Coonawarra, eine weitere berühmte Weinregion. Hier wollen wir einige Tage ausspannen, bevor es via Great Ocean Road nach Melbourne geht.

Sonntag, 17. Dezember 2002

Die Einheimischen sagen, dass es hier die besten Rotweine von ganz Australien gibt.

Die Weinberge der Kellerei Rymill in Coonawarra  

Die Weinberge der Kellerei Rymill in Coonawarra

Wir haben zwar noch lange nicht jedes Weingebiet besucht, aber nachdem wir den feinen Cabernet-Sauvignion von Balnaves, den fruchtigen Shiraz von Bowen Estate und den leichten Merlot von Hollick gekostet hatten, wollen wir dem nicht wiedersprechen. Auch der Chardonnay ist nicht zu verachten und einer der süssen Desertweine geradezu sensationell.
Zwischendurch ein Schwätzchen (wegen unserem Auto natürlich, welches man uns ab und zu am liebsten abkaufen würde), Mittags ein Picknick im Park - so vergeht der Tag äusserst angenehm. Das Picknick, eine alte englische Tradition, wird von den Aussies übrigens intensiv gepflegt. Kein noch so kleines Städtchen, welches nicht an bester Lage einen schönen Park mit Tischen und Bänken sowie einer BBQ-Stelle hätte und kein Aussie, welcher nicht ständig Klappstühle und Decke im Kofferraum des Autos hat. Vor allem Sonntags trifft man sich in den Parks und dann wird grilliert, viel Bier getrunken (in dieser Gegend ausnahmsweise auch mal Wein) und mit den Kindern gespielt. Zu erwähnen ist übrigens auch die kleine, aber für Reisende überaus wichtige Tatsache, dass es überall an bester Lage öffentliche Toiletten hat - in der Regel sehr gepflegt und sauber.

Gestern hatten wir leider kein Glück auf unserer Suche nach einem gemütlichen Cottage für die nächsten Tage (alles ausgebucht), aber heute fanden wir etwa 30 Kilometer von Coonawarra entfernt auf einer Schaffarm ein einfaches Häuschen, völlig abgelegen und ruhig. Genau der richtige Ort, um den heute gekauften Rotwein vor dem Kaminfeuer zu geniessen.

Bei der Kellerei Hollick in Coonawarra  

Bei der Kellerei Hollick in Coonawarra

Montag, 18. November und Dienstag, 19. November 2002

Die einzigen Geräusche produzieren die vielen Vögel, allen voran die ohrenbetäubend lauten Kakadus, ansonsten ist es hier himmlisch ruhig (so gut haben wir schon lange nicht mehr geschlafen).
Gestern hatten wir die Gelegenheit, bei einer Schafschur zuzusehen. In dieser Gegend werden vor allem Merinoschafe gezüchtet und die Muttertiere werden einmal im Jahr geschoren. Die Wolle wird anschliessend in der nächsten Grossstadt (in diesem Fall Melbourne) per Auktion verkauft und bringt im Moment etwa vierhundert Dollar für hundert Kilogramm bester Qualität. Die Scherer werden pro Schaf bezahlt (etwa zwei Dollar) und bringen es auf gut zweihundert Stück am Tag. Bei dieser Geschwindigkeit kann man nicht allzu zimperlich sein und so wird praktisch jedes Schaf mehr oder weniger verletzt. Aber für die grösseren Wunden haben die Scherer immer auch Nadel und Faden bereitliegen. Auf jeden Fall ist so eine Schafschur nichts für Zartbesaitete. Und der Job ist äusserst anstrengend. Den ganzen Tag in gebückter Haltung Schwerarbeit leisten, es ist heiss, die Luft voll Staub und der Lärm gewaltig.

Ein Schafscherer an der Arbeit  

Ein Schafscherer an der Arbeit

Hinter dem Haus warten auf einer Seite die noch nicht geschorenen Schafe, der "Nachschub" wird von den Hunden in kleinen Grüppchen in den Schuppen getrieben und auf der anderen Seite werden die frischgeschorenen Tiere noch mit dem Brandzeichen markiert (zum Glück nur mit roter Farbe) und dann wieder in die Freiheit entlassen. Die Einzigen, die an alledem einen Riesenspass zu haben scheinen, sind die Hunde, die endlich - wenigstens teilweise - ihre Instinkte ausleben dürfen.
Nebst Schafen werden auf dieser Farm auch Rinder gehalten, ein Teil des Landes wurde verpachtet und dort werden in dieser Saison Kartoffeln angepflanzt und seit einigen Jahren züchtet man auch verschiedene Sorten von Äpfeln. Zum Glück, meinen unsere Gastgeber, denn die Fleisch- und Wollpreise seien in den letzten Jahren so schlecht gewesen, dass sie praktisch nur dank der Äpfel überlebten. Immerhin ist das Land (normalerweise Sumpfland) hier noch ziemlich grün und nicht so stark von der Dürre betroffen.

Mittwoch, 20. November 2002

Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten wir Mount Gambier und hier blieben wir schon wieder hängen (bei unserem Schneckentempo brauchen wir noch ein paar Monate bis Melbourne...). Aber wir mussten zuerst mal in eine öffentliche Bibliothek, um unserem Schiffsagenten ein Mail zu schicken (in Southern Australia ist der Internetzugang in den "Librarys" übrigens gratis - eine weitere tolle Einrichtung). Da wir nächste Woche das Auto in den Container verladen wollen, wird es Zeit, die Details zu klären und den Auftrag zu erteilen.
Ausserdem hat Mount Gambier auch ein paar Sehenswürdigkeiten, allen voran den Blue Lake. Dies ist ein Kratersee, welcher im November eines jeden Jahres (da haben wir mal Glück mit dem Timing) seine Farbe von Grau zu Blau wechselt, um sechs Monate später wieder grau zu werden. Die - natürlich nur auf englisch verfügbare - Erklärung für dieses Phänomen hat so viele Fachausdrücke aus Chemie und Botanik, dass wir sie hier leider nicht wiedergeben können. Auf jeden Fall ist der Anblick erstaunlich und der See tatsächlich blauer, als jeder andere See, den wir bisher sahen.
Und dann hat es noch andere Kraterseen und wunderschöne Parklandschaften zum Verweilen und einen Tierpark, welchen wir auch noch besuchten. Dabei handelt es sich nicht um einen Zoo, sondern um ein grosses, eingezäuntes Stück Buschland mit einigen kleinen Seen und Bächen. Der Zaun dient eher dazu, die in diesem Park lebenden Tiere vor den Füchsen und Katzen zu schützen, als sie am Entkommen zu hindern. Die Teiche und Schilfgürtel werden von Schildkröten und den verschiedensten Wasservögeln bevölkert, welche zum Teil gerade Küken grossziehen. Wir haben sonst mit Zoos nicht viel am Hut, aber wenn die Tiere so wie hier relativ frei leben und sich auch vor uns verstecken können, wenn sie wollen, gefällt es uns.

Südlich von Mount Gambier befindet sich der grösste Hummerhafen von Südaustralien. Wir wollten schon vor einiger Zeit an der Westküste den berühmten Rocklobster versuchen, aber da waren wir noch zu früh dran. Die Hummersaison beginnt erst im November und heute Abend werden wir uns diese Extravaganz leisten (wir versuchen ja immer wieder gerne die lokalen Spezialitäten - nicht nur in flüssiger Form).

Küstenabschnitt bei Portland  

Küstenabschnitt bei Portland

Donnerstag, 21. November 2002

Hummer zu essen ist auch in Australien ein exklusives Vergnügen, trotzdem sie die Dinger hier praktisch um die Ecke tonnenweise aus dem Wasser holen. Aber es hat geschmeckt.

Von unserer Agentur haben wir heute Früh Bescheid bekommen, dass wir nächsten Mittwoch verladen können und am Tag vorher das Carnet vorbeibringen sollen. Das scheint ja alles sehr unkompliziert zusein (im Gegensatz zur Einfuhr).

Via Portland und Warrnambool erreichten wir heute den Port Campbell Nationalpark, sicherlich DER Höhepunkt auf der Great Ocean Road.
Auch hier wird die Küstenlinie aus senkrecht ins Meer fallenden, hohen Klippen gebildet und die Wellen haben die berühmten Formationen wie die London Bridge, The Arch oder The Grotto aus den Felsen gewaschen. Besonders der Anblick der sogenannten Zwölf Apostel, bis zu 40 Meter hohe "Inseln" vor der Küste, ist wahrlich atemberaubend. Auch die Zwölf Apostel sind wie die anderen Felsformationen hier entstanden: Während Jahrtausenden hat die See tiefe Schluchten in die Kalksteinklippen gefressen, die vorspringenden Landzungen wurden unterhöhlt und bildeten Brücken, die Brückenbogen wurden immer dünner und stürzten schliesslich ein. Wie bei der London Bridge, welche erst vor etwas über zehn Jahren zur Insel wurde. Notabene befanden sich zu diesem Zeitpunkt zwei Leute auf dem übriggebliebenen Felsen, welche dann mit dem Helikopter gerettet werden mussten.

Die London Bridge (respektive das, was davon übriggeblieben ist)  

Die London Bridge (respektive das, was davon übriggeblieben ist)

Die Sonnenuntergänge sollen wunderschön sein und so harrten wir - trotz Faserpelz und Windjacke erbärmlich frierend (die Antarktis ist schliesslich nur etwa 3000 Kilometer entfernt) - stundenlang aus, um dann tatsächlich mit einem einmaligen Farbenspiel belohnt zu werden.

Sonnenuntergang bei den Zwölf Aposteln  

Sonnenuntergang bei den Zwölf Aposteln

Freitag, 22. November 2002

Früh um Sechs klingelte der Wecker - was macht man nicht alles für ein Sonnenaufgangsföteli. Also nochmal zu den zwölf Aposteln (wo wir allerdings über eine Stunde warten mussten, bis sich die Wolken verzogen hatten) und dann noch einen Ausflug in die Loch Ard Gorge. Die Bucht ist nach dem Segelschiff "Loch Ard" benannt, welches hier vor etwa 150 Jahren mit Mann und Maus unterging. Zwei Leute konnten sich retten und wie derjenige, welcher schliesslich Hilfe herbeiholen konnte es schaffte, die überhängenden Klippen hinaufzuklettern, ist uns ein Rätsel.
Auf jeden Fall ist dieser Küstenabschnitt hier wirklich etwas vom Beeindruckensten, das man sich vorstellen kann.

Sonnenaufgang bei den Zwölf Aposteln  

Sonnenaufgang bei den Zwölf Aposteln

Unterwegs hielten wir im Cape Otway Nationalpark an, um etwas Waldluft zu schnuppern. Da es hier Koalas geben soll, schauten wir natürlich auch mal Richtung Baumkronen und entdeckten prompt eine Koalamutter mit ihrem Jungen. Natürlich hielten daraufhin sämtliche Autos, die vorbeifuhren, ebenfalls an, die grossen Objektive wurden ausgepackt und fertig war's mit der Ruhe (dafür durften wir wieder ein paar Mal erzählen, wie ein Auto mit Schweizer Nummernschild nach Australien kommt).
Und kaum waren wir zurück auf der Hauptstrasse, läuft doch so ein kleiner Kerl direkt vor uns über die Strasse.
Am Nachmittag und hundert Kilometer weiter rannte uns übrigens schon wieder ein Koala fast ins Auto. Dieses war allerdings nicht alleine, sondern hatte eine Horde Japaner mit gezückten Kameras im Schlepptau.

Obwohl die Hauptsaison noch nicht angefangen hat, wimmelt es auf der Great Ocean Road von Touristen. Auch die halbe Schweiz schein hier zu sein und plötzlich müssen wir wieder aufpassen, was wir sagen. Wir fanden es immer so angenehm, dass unsere Muttersprache nicht englisch ist. So konnten wir uns auf unserer bisherigen Reise praktisch überall miteinander unterhalten ohne verstanden zu werden.

Von Apollo Bay aus Richtung Osten führt die Great Ocean Road praktisch immer am Meer entlang. Eine kurvenreiche, aber tolle Route, vor allem an einem so sonnigen Tag wie heute, an dem sich die See in ihrem tiefsten Blau präsentiert.

Einer der bekanntesten Golfplätze Australiens liegt in Anglesea. Nicht, dass hier Weltklassetourniere ausgetragen würden (das wissen wir zwar nicht genau), aber er ist berühmt für die vielen Kängurus, die sich auf dem Platz tummeln. Das wollten wir natürlich sehen und obwohl es - wenigstens für Kängurus - noch relativ früh am Tag ist, machten wir einen kleinen Abstecher dorthin. Wir trauten unseren Augen kaum: Hunderte von Kängurus tummeln sich auf und neben den Fairways und lassen sich durch die Golfspieler nicht im Geringsten stören. Tara findet bei diesem Anblick natürlich, dies sei der aller-, allerschönste Golfplatz den es gibt.

Auf dem Golfplatz von Anglesea  

Auf dem Golfplatz von Anglesea

Samstag, 23. November bis Mittwoch, 18. Dezember 2002

Wir werden die kommenden Tage in Melbourne damit verbringen, unser Auto für die Verschiffung vorzubereiten, es in den Container zu laden und den dazugehörenden Papierkram zu erledigen. Nächsten Freitag, den 29. November fliegen wir via Brisbane nach Gladstone und nehmen dort die Fähre nach Heron Island, wo wir zehn Tage Schnorcheln, Tauchen, Faulenzen und jede Minute geniessen werden (auch das tägliche Seafoodbuffet soll ganz toll sein, hat man uns gesagt). Am 9. Dezember fliegen wir zurück nach Melbourne und verbringen nochmal eine Woche mit unseren Verwandten, bevor es endgültig nach Hause geht.


Und das war's dann, Leute.

Für uns waren die letzten anderthalb Jahre sicher einer der Höhepunkte unseres Lebens und wir bereuten es keine Sekunde, unseren Traum verwirklicht zu haben.

Danke, dass ihr uns begleitet habt! Besondere Freude hatten wir an all den unbekannten Menschen, die uns spontan schrieben, uns Fragen stellten (weil sie vielleicht auch so eine ähnliche Reise planen) oder uns einfach aus der Heimat Grüsse schickten.
Und natürlich danken wir vor allem unseren Familien und Freuden, die immer für uns da waren und uns in jeder Hinsicht unterstützt haben.

Und jetzt wünschen wir euch, dass auch eure Träume in Erfüllung gehen und uns wünschen wir weisse Weihnachten in der Heimat.

 

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