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19.10.2002  Wein, Wälder und Regen - der Südwesten Australiens

Freitag, 11. Oktober 2002

In der Bucht von Bunbury leben viele Delfine, welche regelmässig in die Nähe des Strandes kommen. Man darf sie nicht füttern oder berühren, aber - und das ist die grosse Attraktion - man kann mit ihnen schnorcheln. Angesichts der tiefen Temperaturen nicht gerade verlockend und die Delfine liessen sich heute sowieso nicht blicken. Das Informationscenter ist aber auf jeden Fall einen Besuch wert und man lernt doch Einiges über das Leben dieser faszinierenden Tiere.
Nach einem längeren Spaziergang (unter anderem durch den südlichsten Mangrovensumpf Australiens) verzogen wir uns ins Kino um uns aufzuwärmen und weil gerade "Bend it like Beckham" lief (ein Riesenerfolg in Australien und alle Welt riet uns, hinzugehen).
Auch Bunbury setzt - wie praktisch jedes Städtchen an der Westküste - auf den Tourismus. Es ist schon fast rührend, wie jedes Haus, welches älter als 100 Jahre ist, als historisches Monument angepriesen wird, welches unbedingt besichtigt werden muss. In Bunbury setzt man noch eins drauf und schmückt die Strassenkreuzungen und -kreisel mit grossen Plastiken einheimischer Künstler (wobei sich bei den zwei grossbusigen Nackedeis links und rechts der Ausfallstrasse die Frage nach dem guten Geschmack aufdrängt). Und wie immer ist alles sehr sauber und adrett.

Es ist schon ungerecht; im Norden herrscht seit Wochen eine Hitzewelle sondergleichen und wir frieren uns hier den A... ab. Könnte man das nicht etwas besser verteilen, lieber Petrus?

Samstag, 12. Oktober 2002

Die grossen Lagunen an der Küste zwischen Bunbury und Busselton sind Teil eines Feuchtgebietes, welches Heimat vieler Tiere und Wasservögel ist.

Neugierige Vögel  

Neugierige Vögel (Buschturkeys?)

Leider sind die vielen Sümpfe auch ausgesprochen attraktiv für Moskitos. Zuerst wollten wir dem Schild am Beginn des Wanderweges nicht glauben, welches ausdrücklich vor diesen Blutsaugern warnt, weil sie - vor allem jetzt im Frühjahr - irgendeinen Virus übertragen können. Wir dachten, dass es für Moskitos noch viiiel zu kalt ist. Aber kaum waren wir ein paar Hundert Meter gelaufen, hatten uns die Biester entdeckt und schwirrten in einer grossen Wolke um uns herum. Da wir im Moment mehrere Lagen Kleidung tragen, störte uns das ausnahmsweise nicht besonders. Der Wanderweg führte durch einen schönen Wald, mit sonnigen Lichtungen und kleinen Bächen, der Boden ist über und über mit einer weissen Lilienart bedeckt (die Einheimischen nennen sie "die Pest", weil sie alles überwuchern) und die Bäume sind voller blau- und grünschillernder Papageien.

Im Tuart Forest bei Bunbury  

Im Tuart Forest bei Bunbury

In einer herrlichen Bucht am Cape Naturaliste fanden wir den idealen Picknickplatz: auf grünem Rasen, unter schattigen Bäumen, vor uns das azurblaue Meer und der weisse Strand. Und das Allerschönste war, dass es ausnahmsweise windstill war. Wenn man hier campen dürfte, wären wir wohl geblieben.

Eagle Bay am Cape Naturaliste  

Eagle Bay am Cape Naturaliste

So aber beschränkten wir uns darauf, nach dem Lunch kurz die Füsse im eisigkalten Wasser anzufeuchten und dann weiterzufahren, zu den berühmten Weinanbaugebieten am Margaret River. Vor unserem geistigen Auge sahen wir bereits ein verwunschenes Schlösschen (das Gutshaus), mit einem kleinen Erker (dem 5-Sterne-Restaurant), einem Turmzimmer mit Himmelbett (unsere Unterkunft, weil wir ja nach dem Degustieren nicht mehr herumfahren sollten) und einem romantischen Gewölbekeller (mit Eichenfässern und Kerzenlicht oder so). Aber natürlich sieht in der Realität alles ganz anders aus. Die wenigen Kellereien mit eigenem Restaurant servieren zumeist nur einen Mittags-Lunch und eine Kombination mit Unterkunft gibt es erst recht nicht (mit einer Ausnahme, die aber unsere finanziellen Mittel etwas übersteigen würde). Wir fuhren also nach Margaret River, suchten uns hier ein Motel und buchten, vernünftig wie wir sind, für morgen eine Degustations-Rundfahrt.
Natürlich haben wir auf dem Weg hierher bereits ein paar Weingüter kurz besichtigt. Grosse Alleen führen zu den noch grösseren Parkplätzen, gepflegte Parks mit Seen und lauschigen Pavillons umgeben die für das Publikum geöffneten Gebäude, eine kleine Kunstgalerie fehlt selten und vor lauter Kristall und Souvenirs und Weinzubehör im gestylten Verkaufsraum findet man kaum zum eigentlichen Grund des Besuches. Wenn man sich aber mal durch die Menschenmassen bis zur Degustations-Theke durchgedrängelt hat, erwarten einen ein paar wunderbare Tropfen, für die diese Gegend nicht zu Unrecht berühmt ist.

Auf dem Weingut "Brookland Valley Vineyard" bei Margaret River  

Auf dem Weingut "Brookland Valley Vineyard" bei Margaret River

Sonntag, 13. Oktober 2002

Drei Kellereien - zwanzig verschiedene Weine, eine Käsefabrik, eine Schokoladenfabrik, nochmal zwei Kellereien und nochmal ein Dutzend verschiedener Weine - Hicks!

Prösterchen!  

Prösterchen!

Montag, 14. Oktober 2002

Zum Glück können wir nicht gut Flaschen transportieren, sonst wäre die Weintour ziemlich teuer geworden!
Als Ausgleich zum gestrigen Besäufnis (nein, nein, so schlimm war's nicht), unternahmen wir heute ein paar Spaziergänge. Die Gegend ist sattgrün (kein Wunder bei dem vielen Regen) und die Kühe und Schafe untypisch wohlgenährt. Wären da nicht die doch ziemlich fremd anmutenden Bäume und Tiere, könnte man sich direkt im Emmental wähnen.
Im Leeuwin Nationalpark bekommt man eine Ahnung von der wilden Schönheit der ursprünglichen Buschlandschaft, bevor weisse Siedler das Land rodeten. Hier wachsen auch bereits die speziellen Karri-Bäume, eine Eukalyptusart, welche bis zu achzig Meter hoch werden kann. Busch und Wald sind voller Wildblumen und jeder Spaziergang ein Erlebnis.
An dieser Küste gibt es auch über 200 Höhlen, von denen wir die romantische Lake Cave besichtigten. Der Reiz dieser eher kleinen Höhle liegt im unterirdischen See, in welchem sich die unzähligen Stalaktiten spiegeln (natürlich mit Hilfe künstlicher Beleuchtung).
Auch den Leuchtturm beim Cape Leeuwin, wo sich der Southern und der Indische Ozean treffen, besuchten wir - eine ziemlich windige Angelegenheit.

Cape Leeuwin  

Cape Leeuwin

Australien kennt im Moment nur noch ein Thema - der Bombenanschlag in einem balinesischen Nachtclub vor zwei Tagen. Über hundert - zumeist junge - Australier wurden in den letzten 24 Stunden bereits in australische Spitäler evakuiert, viele von ihnen mit lebensgefährlichen Verbrennungen und über zweihundert Australier werden noch vermisst. Die Nation ist geschockt und für nächsten Sonntag wurde ein Trauertag angesagt. Bali ist das beliebteste Ferienziel der Australier, billiger als Ferien im eigenen Land und nur ein paar Flugstunden entfernt. So waren in den letzten Wochen (während den Schulferien) auch Zehntausende von Australiern dort. Eine Tragödie für viele australische Familien und eine Tragödie für die balinesische Wirtschaft, die vor allem vom Tourismus lebt.

Dienstag, 15. Oktober 2002

Grüne Weiden und ausgedehnte Wälder bestimmen das Landschaftsbild des Südwestens.
Nach einer regenreichen Nacht in Augusta schien heute Früh die Sonne auf die frischgewaschenen, mit Blumen bedeckten Wiesen, die Luft riecht würzig und etwas nach Eukalyptus - was für ein schöner Morgen.

Die Familie Forrest wohnt im Karri Forest  

Die Familie Forrest wohnt im Karri Forest

Und was für ein Gegensatz zu den grausigen Bildern aus Bali, die via Fernsehen, Radio und Zeitung zu uns kommen. Man spricht schon vom "Australischen 11. September" und die Fahnen hängen überall auf Halbmast.

Unser Weg führte uns heute durch einige Nationalparks, in denen die riesigen Karri-Bäume wachsen. Diese Giganten unter den Bäumen haben einen völlig geraden Stamm und ausserordentlich hartes Holz und wurden früher für den Haus- und speziell für den Schiffsbau verwendet. Deshalb findet man die grossen Exemplare fast nur noch in den Nationalparks. Auf den Allerhöchsten wurden Feuerbeobachtungsplattformen eingerichtet und die Schwindelfreien können sich den Eisenstangen entlang, welche spiralförmig in den Stamm geschlagen wurden, nach oben hangeln. Ohne Netz und Boden und immerhin über sechzig Meter hoch! Die weniger Mutigen können derweilen im umgebenden Wald die bunten Papageien füttern, die gar nicht schüchtern sind und einem auch schon mal auf dem Kopf landen und von dort aus die Aussicht geniessen.

Eigentlich sollte man wildlebende Tiere ja nicht füttern...  

Eigentlich sollte man wildlebende Tiere ja nicht füttern...

Auf schmalen Pfaden ging es weiter durch diese spektakulären Wälder, in denen man sich wie eine winzige Ameise fühlt. Kurz vor Northcliffe, wo wir heute übernachten, gab es noch eine aufregende Flussdurchquerung. Plötzlich stand uns das reissende Wasser bis zum Trittbrett, aber Zoltan und Rosinante meisterten die ungemütliche Situation meisterhaft (der Fluss führte nach den andauernden Regenfällen der letzten Zeit wohl besonders viel Wasser).

Mittwoch, 16. Oktober 2002

Unsere Wirtin zeichnete uns vor der Abfahrt noch einige Skizzen mit Wegbeschreibungen (damit wir auch ja keinen Höhepunkt dieser Gegend verpassen) und erzählte uns, dass ihr Enkel letztes Jahr in Bali war und wie schrecklich das alles sei.

Ein etwa fünfzig Kilometer langer Rundweg führt durch den Shannon Nationalpark - noch mehr und noch schönere Wälder mit noch höheren Bäumen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir kaum einer Menschenseele begegneten, denn öfters fühlten wir uns wie im Märchen "Zwei Däumelinge im Zauberwald".

Im Shannon Nationalpark (der kleine schwarze Fleck auf dem Weg ist Rosinante)  

Im Shannon Nationalpark (der kleine schwarze Fleck auf dem Weg ist Rosinante)

Die Flora hier im Südwesten von Australien ist so vielfältig wie sonst kaum auf der Welt. Auch hier im tiefen Wald ist der Boden bedeckt mit den verschiedensten Blumen und manchmal sieht man nur noch ein violettes oder gelbes Blütenfeld, woraus die riesigen, schnurgeraden Bäume bis in den Himmel zu wachsen scheinen.

Eine Collage mit einigen der Blumen, welche im Shannon Nationalpark wachsen  

Eine Collage mit einigen der Blumen, welche im Shannon Nationalpark wachsen

Leider regnete es heute praktisch ununterbrochen und so suchten wir uns am Nachmittag in der Nähe von Walpole eine Unterkunft, um besseres Wetter abzuwarten. Gefunden haben wir ein Häuschen (mit Cheminée-Ofen) ganz für uns alleine und wenn man auf der gedeckten Veranda sitzt, sieht man auf den Fluss mit den Pelikanen, auf den wilden Busch ringsherum und auf die vielen bunten Papageien, die auf der Wiese vor der Veranda nach Futter suchen. Ein kleines Paradies!

Donnerstag, 17. Oktober und Freitag, 18. Oktober 2002

Wir setzten gestern und heute keinen Fuss vor die Türe. Es regnete immer wieder in Strömen, begleitet von orkanartigen Winden. Im Fernsehen sahen wir, dass in der Nachbarschaft Häuser abgedeckt und Bäume geknickt wurden und in der Nähe von Perth waren schon wieder Tausende von Haushalte ohne Strom. Als "unüblich für diese Jahreszeit" wurde diese kräftige Kaltfront bezeichnet. Gleichzeitig leidet der Norden unter einer unglaublichen Hitzewelle und Dürre und an der Ostküste wüten Waldbrände.

Da die Wetteraussichten für die nächsten Tage auch nicht gerade rosig sind, werden wir diesen Südwest-Zipfel von Australien nun wahrscheinlich ziemlich rasch Richtung Osten verlassen.

Samstag, 19. Oktober 2002

Wann immer man in den Wäldern unterwegs ist, begleitet einen der meckernde Ruf des Kookaburras, auf deutsch "Lachender Hans" genannt (wer ihn einmal gehört hat weiss, warum der Vogel so heisst).
Einer der Höhepunkte dieser Gegend ist sicher der "Tree Top Walk" im "Valley of the Giants" (im "Tal der Giganten"). Eine hängebrückenartige Metallkonstruktion führt auf Gipfelhöhe durch den Wald, teilweise bis zu 40 Meter über dem Boden. Mindestens ebenso faszinierend war der "Ancient Empire Walk", ein Spaziergang durch 400 Jahre alte Baumriesen, den Tingle Trees (eine der über 500 Eukalyptusarten Australiens). Hindurchlaufen kann man bei einigen tatsächlich, ist doch das charakteristische Merkmal älterer Exemplare der durch Feuer, Pilze und Insekten ausgehöhlte untere Teil des Stammes. Mit einem Umfang bis zu 15 Metern und einer Höhe bis zu 80 Metern sind das wahrlich Giganten unter den Bäumen.

Vierzig Meter über dem Boden durch die Baumwipfel: der Tree Top Walk  

Vierzig Meter über dem Boden durch die Baumwipfel: der Tree Top Walk

Einen kurzen Abstecher machten wir auch zur wunderschönen Williams Bay, wo rostrote, riesige Felsbrocken die stürmische See von der türkisblauen Bucht abhalten. Die Besitzerin des Chalets, in welchem wir die letzten Tage verbrachten, hat uns gesagt, dass wir Williams Bay auf keinen Fall verpassen dürfen - recht hatte sie. Und sie empfahl uns auch einer Bekannten in Albany, welche das ehemalige Wohnhaus der Eltern als Ferienhaus vermietet. Wir haben ja schon an den verschiedensten, nicht immer berauschenden Unterkünften die Anpreisung "a home away from home" gesehen, aber hier trifft es wirklich zu. Bis auf die persönlichen Sachen ist das Haus komplett eingerichtet, nicht einmal die CD- und Videosammlung fehlt. Wie üblich bekamen wir den Schlüssel in die Hand gedrückt und die Leute kennen nicht einmal unseren Namen.
Und dank dem Backofen gibt es zum Abendessen endlich Taras Lieblingsgericht - Hörnliauflauf.

 

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