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Newsletter vom 11. Juli 2018: Der Dalton Highway von Fairbanks bis an den Arktischen Ozean

In Fairbanks, der nördlichsten "Grossstadt" der USA (immerhin 32'000 Einwohner) kreuzten wir eine Kundgebung gegen die Praxis der Trump-Regierung, die Kinder illegaler Immigranten von ihren Eltern zu trennen. Es gibt also sogar im zutiefst republikanischen Alaska einige Gegner der trumpschen Politik.

Und mit einer besonders skurilen, amerikanischen Gesetzgebung wurden wir auch wieder konfrontiert - den "Emotional Support Animals". In Amerika ist Hunden an vielen Orten wie Besucherzentren, Aussichtspunkten oder Unterkünften jeglicher Art der Zutritt verboten. Ausser es handelt sich um einen Assistenzhund respektive Service Dog. Viele Leute trennen sich ja nicht gerne von ihren Hunden und natürlich gibt es da kreative Lösungen. Wenn man im Internet nach "Hund überall mitnehmen" sucht, stösst man auf Ratgeber, die einen mit Tipps&Tricks versorgen wie man seinen Hund zu einem Assistance Dog machen kann und wo man die gewünschten Bestätigungen und Ausweise bestellen kann. Weil ein Assistenz-Hund ja - wenn manchmal auch nur zum Schein - irgend etwas können muss, gibt es noch einen einfacheren Weg: man erklärt sein Haustier einfach zum "Emotional Support Animal", welches man wegen psychischen Problemen wie zum Beispiel Flugangst oder Angst vor Menschenmengen braucht. Auch die dafür erforderliche Bestätigung eines Therapeuten gibt es für wenig Geld im Internet und schon kann man seinen Hund (oder Katze oder Pony oder Schwein) gratis ins Flugzeug, Museum und überhaupt überallhin mitnehmen.

In Fairbanks verbrachten wir einige Tage, gingen in zwei der vielen Museen die es hat, brachten unser Auto zum kleinen Service und füllten unsere Vorratsschränke, den Kühlschrank und den Tiefkühler. Zum Glück hat es in Fairbanks so attraktive Läden wie Lulu's Bread and Beagles, wahrscheinlich ursprünglich Schweizer und mit richtig knusprigem Brot. Oder den Co-op (alles Bio und vieles unverpackt) und auch einer Lachsräucherei statteten wir einen Besuch ab.

Während wir auf den Termin für den Auto-Service warteten, machten wir einen Ausflug zu den Chena Hot Springs, einem Resort bestehend aus Hotel, Bungalows, Jurten und einem einfachen Campground. Und - wie der Name schon sagt - warmen Quellen.
Unterwegs übernachteten wir auf einem hübschen Campground mitten im Wald und wurden völlig traumatisiert - mückentraumatisiert! Die Mücken dort waren derart zahlreich, riesig und hungrig, wir sind schier ausgeflippt. Jedes Mal wenn einer von uns in den Camper musste, schlüpften einige mit rein. Sie warteten schon zu Dutzenden an der Türe oder liessen sich huckepack auf unserem Rücken mit reintragen. Die Abendunterhaltung bestand also aus Mückenklatschen. Natürlich erwischten wir nicht alle und mussten mitten in der Nacht aufstehen und das Moskitonetz über dem Bett befestigen. Und am Morgen entdeckten diese Monster eine kleine Undichtigkeit bei der Ablufthaube und drangen wieder zu Dutzenden ein. Als Zoltan zum Abfalleimer rannte (!), jagte ihm eine ganze Wolke hungriger Moskitos hinterher. Und dann schwirren sie lauernd um die Autotür und nach dem Einsteigen muss man erstmal ein paar abmurksen, um einigermassen in Ruhe fahren zu können. Es war absolut grauenvoll und wir schworen uns, nie mehr in einem Wald in Alaska zu übernachten.
Bei den Chena Hot Springs hätte es auch sehr schöne Übernachtungsplätzchen im Wald, aber nach unserem Trauma stellten wir uns fast mitten auf den Parkplatz, nicht sehr schön aber mit viel weniger Moskitos.
Glücklicherweise hatte es über dem nach Schwefel riechenden Wasser des Outdoor-Beckens keine Moskitos. Das Wasser war allerdings nicht warm sondern extrem heiss, deshalb hielten wir es nicht lange drinnen aus. Doch im Winter muss es traumhaft sein!
Was wir dort übrigens zum ersten Mal sahen: grosse 2-Liter-Moskito-Spraydosen um die Reitpferde einzusprühen.

Wieder zurück in Fairbanks hatten wir Mühe, auf dem Campground überhaupt einen Platz zu bekommen. Der 4. Juli - der Nationalfeiertag der USA - lag vor uns und nebst den Touristen aus Übersee war ein guter Teil der Einheimischen dabei, Ferien zu machen. Für uns war das ein Grund, die touristischen Highlights wie den Denali aufzuschieben und dem ganzen Trubel irgendwo in der Einsamkeit zu entgehen. Also machten wir uns auf zum Dalton Highway und in die Arktische Tundra ganz im Norden von Alaska, dorthin, wo es noch viel mehr Moskitos hat.

Im Gegensatz zum Dempster (welcher in den kanadischen Territorien Yukon und North West Territories liegt) scheint der Dalton Highway in Alaska tatsächlich immer noch ein Abenteuer zu sein. Die verschiedenen Reiseführer und Broschüren werden auf jeden Fall nicht müde zu betonen, wie gefährlich die Strecke sei, wie viele Unfälle und Tote es schon gegeben habe und dass man mindestens zwei Ersatzräder inkl. Felgen dabei haben muss (haben wir nicht). Und dass man auf jeden Fall Funk dabei haben soll, damit man mit den Lastwagenfahrern kommunizieren kann (haben wir auch nicht). Und dass es wirklich wahnsinnig viele Moskitos habe und ohne Kopfnetz und Deet gar nichts gehe (haben wir :-)
Während der Dempster eine vorwiegend von Touristen befahrene Strecke ist, kann man das vom Dalton nicht behaupten. Hier verkehren vor allem riesige Lastwagen, welche die Ölfelder in der Prudhoe Bay versorgen sowie die PKWs der Arbeiter, die für den Unterhalt der Trans Alaska Pipeline zuständig sind. Etwa die Hälfte der rund 800 km sind denn auch asphaltiert und die andere Hälfte ist Schotter, mal perfekt flach, mal schlimmes Wellblech und mal Horrorstrecke mit tiefsten Löchern. Der Highway wurde wegen dem vielen Wasser und wegen dem Permafrost fast überall höhergelegt. Das heisst, links und rechts geht es steil runter und das bei einer schmalen Strasse ohne Seitenstreifen. Die Lastwagen fahren alle viel schneller als wir und so waren wir permanent auf der Suche nach Ausweichstellen. Doch wir haben das ultimative Werkzeug zur Hand - "The Milepost, the bible of North Country Travel". Ein Logbuch, welches Meile um Meile alle Strassen in Alaska und die Zubringerstrassen nach Alaska beschreibt. Da wird bis auf hundert Meter genau jede Sehenswürdigkeit, jede Möglichkeit zum Wildcampen, jede Ausweichstelle, jede Tankstelle, jeder Abzweiger und Parkplatz und jedes Kaff aufgeführt. Das Buch macht uns auch auf den Strassenzustand aufmerksam und auf Tiere, die man gewöhnlich an diesem Strassenabschnitt beobachten kann. "The Milepost" wird jedes Jahr neu verlegt und ist das Vademekum aller Reisenden in Alaska.

Der Dalton Highway von Fairbanks an den Arktischen Ozean führt durch drei verschiedene Landschaftszonen. Im Süden dominiert der Boreale Wald (borealis bedeutet einfach "nördlich", der Ausdruck wird hier aber sehr viel gebraucht) in der Mitte müssen die Brooks Range überwunden werden und im Norden erstreckt sich die unendlich scheinende, baumlose Tundra von Horizont zu Horizont. Die Tundra ist eigentlich ein einziger Sumpf, da das Schmelzwasser wegen dem gefrorenen Boden (eine 600 Meter dicke Eisschicht!) nicht versickern kann. Es hat auch noch viele Schneefelder und schon bald wird es wieder schneien und der lange Winter Einzug halten. Aber jetzt ist erstmal Sommer und es grünt und blüht überall.
Die Landschaft hier ist einfach nur atemberaubend, majestätisch, einzigartig. Besonders wenn man an einem milchigblauen wilden Fluss steht, im Rücken die schneebedeckten Gipfelzüge der Brooks Range weiss und auf der anderen Seite nach Norden auf die Weiten der Tundra blickt, das Ganze unter einer Decke stahlgrauer, phantastischer Wolkenformationen und alles in das knappe Licht der fahlen Sonne getaucht - dann fehlen wiedermal die Worte. Und der Kamera fehlt leider die Fähigkeit, dieses staunende, überwältigte Gefühl festzuhalten.

Nebst einer grandiosen Landschaft und riesigen Feldern voller Wildblumen sahen wir auch jede Menge Tiere. Natürlich vor allem die in rauen Mengen vorhandenen Beutetiere wie Erdhörnchen (Arctic Ground Squirell), grossen und kleinen Hasen und ganz kleinen Mäusen; aber auch vielen Zugvögeln und ihren Küken. Doch die Raubtiere, die sich von ihnen ernähren - Füchse, Wölfe, Vielfrasse, Wiesel, Adler und Grizzlies - waren wohl leider alle satt, denn ausser einem Polarfuchs bekamen wir diese nicht zu Gesicht. Dafür sahen wir einige Moschusochsen und ganz im Norden viele kleine und eine grosse, mehrere Hundert Tiere zählende Herde von Rentieren (Karibus).

Es hatte sehr wenig Touristen auf dem Dalton Hwy. Einzig beim Arctic Circle entstand ein klein wenig Dichtestress, ist diese Tafel doch ein beliebtes Ausflugsziel ab Fairbanks. Viele fahren nur bis zu dieser imaginären Linie beim 66ten Breitengrad, wo am 21. Juni die Sonne nicht unter den Horizont sinkt und am 21. Dezember nicht über den Horizont steigt, damit sie das obligate Beweisfoto machen können (als Steigerung könnte man im Visitor Center von Coldfoot sogar ein Zertifikat kaufen: "Ich überquerte den Polarkreis") und drehen dann wieder um.

Wir brauchten vier Tage bis Deadhorse, einer kalten, ungemütliche Containerstadt, die für Touristen nichts bietet. Auch die Hotels sind auf die Arbeiter der Ölfelder und der für den Betrieb und Unterhalt notwendigen Beschäftigten eingestellt. Wenn man einige Zeit zum Voraus reserviert, bekommt man vielleicht noch ein Zimmer und eine Mahlzeit, aber immer nur in zweiter Priorität, nach den Arbeitern. Und es hat auch keinen offiziellen Campground. Zelten darf man sowieso nicht, weil es hier viele Bären (auch Eisbären) hat.
Aber wenn man sucht, dann findet man alles was man braucht. Dank hilfsbereiten Einheimischen konnten wir eine Abwasserstation benutzen und Frischwasser auffüllen und in einem der Hotels konnten wir für 10 Dollar pro Person auch duschen.

Deadhorse liegt ungefähr auf dem gleichen geografischen Breitengrad wie Hammerfest, aber nicht direkt am Ozean. Um mit einem Bus dorthin zu kommen (Individualverkehr ist nicht gestattet), bezahlt man pro Person happige 65 Dollar. Wir dachten, dass da auch ein Besuch eines Ölfeldes mit inbegriffen ist, aber da dachten wir falsch. Was inbegriffen ist sind Frotteetücher, um sich nach dem Bad in der Beaufortsee abzutrocknen. Da die Hälfte der Bucht sich noch unter einer Eisdecke befand und das Wasser entsprechend kalt war, machten wir von diesem Angebot keinen Gebrauch. Obwohl der Himmel blau war und die Sonne schien (laut unserem Fahrer sei das schon "seit Ewigkeiten" nicht mehr vorgekommen), wehte ein eiskalter Wind. Einige Unentwegte entledigten sich zwar ihrer Schuhe und tauchen die Zehen ins Wasser, ansonsten war Windstopper und Daunenjacke angesagt.
Was ebenfalls inbegriffen war, waren die Geschichten und Informationen des Fahrers. So erfuhren wir etwa, dass die rund 2000 Arbeiter die sich hier in der Regel aufhalten, im 2-Wochen-Takt leben: Während zwei Wochen wird an jedem Tag 12 Stunden gearbeitet, dann fliegt man nach Fairbanks oder Anchorage und hat zwei Wochen frei. Die Unterkünfte sind komfortabler als die Containerbauten von aussen vermuten lassen. Es hat Satelliten-TV, Internet, guten Handyempfang, Fitness-Anlagen inklusive Baseball-Hallen sowie Bücher und Spiele für die langen, dunklen Wintermonate. Was es nicht hat ist Alkohol, Waffen sind ebenfalls verboten.
Alle grossen Ölfirmen wie zum Beispiel Exon oder BP sind in der Prudhoe Bay vertreten und besetzen grosse Gebiete mit ihren vielen Ölförderpumpen und sonstigen Anlagen. Im Gegensatz zu einer einzigen, grossen Plattform mit einem grossen Förderrohr werden hier pro Firma Dutzende von kleinen Rohren bis 4000 Meter tief in den Boden getrieben. Das Öl-Gas-Gemisch wird von jeder Förderpumpe aus zu den zentralen Zentrifugen geleitet und dort in Öl und Gas aufgetrennt. Das Gas wird vor Ort für die Energieversorgung genutzt und das Öl durch die Pipeline bis nach Valdez geführt (rund 1400 Kilometer) und dort auf grosse Tanker verladen.
Der Fahrer erzählte auch von den durch den Ort streifenden Grizzlies und den Eisbären, die hier vor allem auftauchen wenn die Walfänger unterwegs sind. Und von den grossen Karibu-Herden; einmal musste er 40 Minuten in seinem Auto warten, bis die ganze Herde die Strasse überquert hatte.
Natürlich war auch das Wetter ein Thema. So erfuhren wir, dass es hier das ganze Jahr über schneien kann, spätestens aber im August. Das bedeutet, der Sommer (wenn die Temperaturen über 10° klettern können, findet im Juli statt.
So verwundert es auch nicht, dass jeder Parkplatz in Deadhorse (wie vielerorts in Alaska) über einen Stromanschluss verfügt. Lange Schienen sind etwa drei Meter über den Parkplätzen montiert und alle 2-3 Meter hängt ein Elektrokabel bis fast zum Boden. Als Gegenstück schaut bei jedem Auto, welches mit einer elektrischen Motorheizung ausgerüstet ist, vorne unter dem Kühlergitter ein Stecker hervor.

Für den Rückweg nach Fairbanks brauchten wir dann nur drei Tage. Das lag vor allem daran, dass wir auf dem Hinweg schönes Wetter hatten und es auf dem Rückweg nonstop regnete.
Geschlafen haben wir übrigens immer umsonst, auf mehr oder weniger offiziellen Campingplätzen abseits der Strasse, wenn möglich mit Aussicht und gerne auf einer freien Fläche, damit der Wind die Wolken von Moskitos wegblasen konnte.

Voller toller Eindrücke werden wir uns jetzt ein paar Tage in Fairbanks erholen. Wir müssen uns die nächste Etappe überlegen, die Vorräte auffüllen und vor allem den Camper aussen und innen gründlich putzen.

 

"Niemand ist illegal auf gestolenem Land"

 

 

Chillen in Fairbanks

 

 

Der Beginn des Dalton Highways

 

 

Mückenaufzuchtsbecken

 

 

Der unendlich scheinende Dalton Highway

 

 

Zwischendurch muss man sich die Beine vertreten

 

 

Die Oelpipeline ist ständiger Begleiter am Dalton Highway

 

 

Campground am Galbraith Lake, nördlich des Polarkreises

 

 

Arktische Lupinen (oder Alaska-Lupine)

 

 

Oelförderung in der Beaufortsee

 

 

Im Schlamm helfen nur noch Raupenfahrzeuge

 

 

In der Prudhoe Bay liegt im Juli noch Eis

 

 

Rentiere resp. Karibus

 

 

Junges Karibu

 

 

Moschusochse

 

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