Westkanada und Alaska 2018 Home/Reiseberichte Über uns/Kontakt

 

Newsletter vom 12. Juni 2018: Auf dem Cassiar Highway gegen Norden bis Whitehorse

Manchmal sind wir von den alltäglichen Dingen hier schlicht überfordert. Zum Beispiel das mit den Einkaufswägeli. Man muss einen Loonie (1 Kanadischer Dollar) reinstecken um das Wägeli freizubekommen. Aber anstatt dass wie bei uns durch das Einstecken der Münze die Kette zum nächsten Wägeli freigegeben wird, muss man hier die Münze und die Kette des eigenen Wägelis reinstecken, damit die Kette des nächsten Wägelis freigegeben wird und damit auch die Münze drinbleibt. Oder so... Ich kann's nicht einfacher beschreiben, weil es nicht einfach ist. Wir brauchten auf jeden Fall Hilfe und kamen uns ziemlich dämlich vor.
Anderes Beispiel: wir kauften einen 10-Liter-Behälter Wasser. Dieser hat einen Hahnen und wenn man diesen nach oben drückt, kommt Wasser raus. Aber nur etwa zwei Deziliter, dann wird der Unterdruck im Behälter zu gross und es kommt kein Wasser mehr. Wir haben die Lösung mit vereintem Hirnschmalz nicht gefunden und mussten schliesslich den gesamten Deckel mit Gewalt entfernen um an das Wasser zu kommen (womit der Kanister natürlich unbrauchbar wurde :-(

Die Moskitos haben uns im Griff - aber nicht nur uns. Leid können einem zum Beispiel die Strassenarbeiter tun. Vor allem die armen Menschen, die da stundenlang das Stop resp. Go-Schild in die Höhe halten dürfen. Einem jungen Mann mussten wir zehn Minuten dabei zusehen, wie er wild mit dem Schild vor seinem Gesicht herumwedelte, dabei einen kleinen Indianertanz aufführte und sich vor lauter Verzweiflung den Pullover über den Kopf zog. Und natürlich in seiner Pein nicht mehr daran dachte, welche Seite des Schildes denn nun gilt.
Man erzählte uns auch, dass die Moskitos oder die Black Flies eine Todesgefahr darstellen können. Dann nämlich, wenn wegen grossen Moskitowolken die Elche durchdrehen und unvermittelt aus dem Wald auf die Strasse rennen.
Oder wenn Tara beim Einweisen des Campers mit den Händen sinnlose Bewegungen macht um die Moskitos abzuwehren und Zoltan diesen "Anweisungen" folgen und in den Strassengraben fahren würde...

Anstelle des Alaska Highways nahmen wir für unsere Fahrt Richtung Norden den Stewart Cassiar Highway, eine einsamere und schönere Alternative. Der Cassiar führt von Kitwanga bis nach Watson Lake durch unendliche Wälder, vorbei an vielen Seen und immer begleitet von schneebedeckten Bergen.

Von Meziadin Junction aus machten wir einen Ausflug nach Hyder, in die Welt der Bären und der Lachse. Leider war es noch zu früh für die Lachse, diese werden erst in etwa zwei Monaten flussaufwärts schwimmen um zu laichen. In Hyder kann man dann direkt neben der Strasse den Bären beim Fischen zusehen. Ausser einem Einzelgänger der wohl etwas zu früh aufgewacht ist, liessen sich diese aber noch nicht blicken. Kurz vor Hyder (das Dorf hat etwa 100 Einwohner) überquert man übrigens die Grenze nach Alaska, also in die USA. Wir fuhren dann noch 20 Kilometer auf der Salmon Glacier Road - einer Sackgasse - nach Norden bis zur Zunge des gleichnamigen Gletschers und bis wir durch tiefen Schnee an der Weiterfahrt gehindert wurden. Die Landschaft dort ist grandios, ringsherum hohe Berge mit Gletschern und ewigem Schnee, tiefen Canyons und unzähligen Wasserfällen. Und dann durften wir wieder zurück nach Kanada. Der kanadische Grenzbeamte, der uns drei Stunden zuvor bei der Ausreise gesehen hatte, wollte nun ganz genau wissen, was wir alles mitführen. Eigentlich ein Quatsch, denn an dieser Sackgasse könnte man - selbst wenn man wollte - nichts einkaufen.

Viel Verkehr hatte es auf dem Cassiar Highway nicht, vielleicht ein Auto alle Viertelstunde und natürlich auch kein Mobilfunknetz. Selbst in der Bell Lodge - ein wichtiger Rastplatz am Cassiar Highway mit Hotel, Tankstelle, Restaurant und Campingplatz (offen seit 1. Juni, also einem Tag bevor wir ankamen) hat es nur Satellitenempfang. Diese Abgeschiedenheit und diese Distanzen sind wir uns aus der kleinräumigen Schweiz absolut nicht gewohnt.
Im Restaurant der Bell Lodge assen wir übrigens unser erstes Poutine, die Nationalspeise Kanadas. Bestehend aus Pommes Frites, darauf Käse verteilt (kanadischer Halbhartkäse) und das Ganze mit viel heisser, dicker Bratensauce (Gravy) übergossen. Ein kulinarischer Tiefflieger sondergleichen, aber das Ganze hat was.... Die anschliessenden Spareribs waren dann trotzdem eher nach unserem Geschmack. Und zum Essen hatten wir erst noch Gratis-Unterhaltung. Denn es war Samstag Abend und wahrscheinlich alle Bewohner und Strassenarbeiter aus einem Umkreis von hundert Kilometern trafen sich hier am Stammtisch (also etwa zehn Leute). Wir konnten uns fast nicht sattsehen an diesen skurrilen Gestalten.

Etwa 200 Kilometern weiter nördlich erreichten wir den Alaska Highway und damit die kanadische Provinz Yukon, wo es gleich viele Bären wie Menschen hat und etwa doppelt so viele Elche.
Der Alaska Highways wurde 1942 vom Militär erbaut weil man Angst vor einer Japanischen Invasion hatte. Man schaffte es, die immerhin 2200 km lange Strasse innert acht Monaten fertig zu bauen. Damals noch eine Schotterpiste, ist der Alaska Highway heute durchgehend asphaltiert und somit kein grosses Abenteuer mehr
Den ersten Stopp machten wir in Watson Lake, der drittgrössten Stadt Yukons mit etwa 1500 Einwohnern. Die grosse Sehenswürdigkeit von Watson Lake ist der Sign Post Forest (Schilderwald). Ein heimwehkranker Soldat hatte hier einst ein Schild seiner Heimatstadt an einen Baum genagelt, die Leute taten es ihm nach und mittlerweilen sollen rund 100'000 Schilder an Bäumen und Pfosten, die die Stadtverwaltung laufend neu aufstellt, angebracht sein.

Einen grösseren Umweg machten wir nach Atlin, einem kleinen Nest fast 100 km vom Alaska Highway entfernt. Hierher haben sich vor allem Aussteiger verirrt, entsprechend alternativ und bunt kommen auch einige Häuser daher. Es hat eine Tankstelle, eine Kirche, einen kleinen General Store, einen Videoverleih und eine Schule - was ein Dorf halt so braucht. Im einzigen Restaurant an der Tankstelle feierte der örtliche Frauenverein den Geburtstag eines Mitgliedes und am anderen Tisch trafen sich die Büetzer. Im Lichtspielhaus wird zwei- oder dreimal im Monat ein Film gezeigt, aktuell "Back to the Future I". Insgesamt hat Atlin einen ganz eigenen Charme und die Lage kann kaum schöner sein.

Einen längeren Aufenthalt legten wir in Whitehorse ein, der grössten Stadt im Yukon. 75% der gesamten Bevölkerung Yukons leben hier - immerhin fast 29'000 Einwohner. Für uns ein perfekter Versorgungsort, an dem wir sogar eine deutsche Bio-Bäckerei fanden und auch wiedermal ins Museum konnten. Eines der Museen ist Beringa gewidmet. Das Gebiet Beringa umfasste Alaska, Teile Sibiriens und das Beringmeer, welches damals noch über dem Meeresspiegel lag. Hier kamen die ersten Ureinwohner Amerikas von Sibirien her und hier fand man im auftauenden Permafrost viele Knochen von urzeitlichen Tieren wie dem Wollmammut, dem Säbelzahntiger und dem Urpferd.

In Whitehorse mussten wir uns auch entscheiden, ob wir nach Süden fahren (Richtung Skagway) oder nach Norden via Dawson City auf den Dempster Highway. Der ursprüngliche Plan sah vor, von Skagway aus nach Juneau zu verschiffen und dann einen Ausflug in die berühmte Glacier Bay zu machen. Aber es wäre schade, den teuren Ausflug in die Glacier Bay bei schlechtem Wetter zu machen und die Wetterprognosen sahen für die nächsten Tage gar nicht gut aus. Den Ausschlag gab aber schlussendlich der Punkt, dass Skagway in Alaska liegt und die amerikanischen Zöllner scheinbar keinen Spass in Bezug auf frisches Fleisch und Gemüse verstehen. Und wir den Kühlschrank voll damit haben.

Wenn möglich übernachteten wir in den letzten Tagen auf einem der rund 50 staatlichen Campingplätze des Yukon. Diese sind in der Regel wunderschön gelegen, meistens an einem See oder Fluss. Eine Übernachtung kostet 12 Kanadische Dollar (die man in einem Couvert in eine bereitstehende Box wirft). Es hat meistens ein Plumpsklo, an jedem Platz einen Picknicktisch und eine Feuerstelle und das Holz wird auch noch gratis zur Verfügung gestellt. Man muss aber eine Axt dabeihaben um die Strünke zu zerkleinern. Es hat immer bärensichere Abfalleimer und oft bärensichere Schränke, damit die Zeltler ihre Lebensmittel verstauen können. Manchmal hat es auch "Galgen", also Aufhängevorrichtungen für Lebensmittel (wenn diese mindestens 4 Meter über dem Boden und einen gewissen Abstand zu den nächsten Bäumen haben, sind sie für Bären unerreichbar).
Auf diesen sehr naturnahen Campgrounds ergibt sich schnell sowas wie ein Gemeinschaftsgefühl. Man grüsst einander, man schwätzt miteinander (und da wir in Kanada sind darf es durchaus auch mal politisch sein) und man hilft sich aus, zum Beispiel mit einer Axt.

Wir fühlen uns wohl im Yukon. Es ist eigentlich das, was wir uns von Alaska erträumt haben - Weite, Einsamkeit, schöne Natur. Nur dass wir hier als weiteres Plus in Kanada sind. Wir müssen nicht immer daran denken, dass die Hälfte der Bevölkerung so dumm ist, einen Idioten gewählt zu haben.

Leider müsst ihr noch etwas auf das erste Bären-Foto warten. An uns liegt es nicht, denn wir haben am Rande des Highways schon viele grosse und kleine Bären gesehen. Dazu jede Menge Rehe, Wölfe und Elche, Stachelschweine und eines Morgens auch noch einen nackten Mann, der sich an einer Frischwasserpumpe am Strassenrand gemütlich einseifte. Leider haben all diese Lebewesen den Drang zu verschwinden, sobald wir zum Fotografieren anhalten.

Die Nächte sind übrigens bereits sehr kurz und werden immer kürzer, je weiter nach Norden wir fahren. Die Sonne scheint momentan über 20 Stunden am Tag. In ein paar Tagen werden wir den Polarkreis überqueren und dann wird sie gar nicht mehr untergehen.
Wir werden die nächsten etwa 10 Tage auf dem Dempster Highway unterwegs sein (ein kleines bisschen Abenteuer muss sein). Dort gibt es kein Mobilfunknetz und erst recht kein Internet. Und wir werden zum ersten Mal unseren Reservekanister mit Diesel füllen, da die längste Distanz zwischen zwei Tankstellen über 300 km beträgt. Drückt uns die Daumen, dass uns unser Auto nicht im Stich lässt.

 

Der Fish Creek bei Hyder

 

 

Die Salmon Glacier Road (resp. Granduc Rd.) führt zum ...

 

 

... Salmon Glacier

 

 

Schilderwald in Watson Lake

 

 

Auf dem Alaska Highway

 

 

Totempfähle beim Tlingit Heritage Center in Teslin

 

 

Wunderschöner Campground am ...

 

 

Snafu Lake

 

 

Ein neugieriger Beobachter

 

 

Blick auf First Island in der Bucht von Atlin

 

 

Wasserflugzeug auf dem Atlin Lake

 

 

Der Supermarkt von Atlin

 

 

Mount Minto

 

 

Im Restaurant "Ribs & Salmon" in Whitehorse

 

 

Chili con Carne aus der Camperküche

 

  Vorheriger Bericht   Nächster Bericht