Newsletter vom 13. August 2017: Art Deco Brücken, Sanddünen und Seeotter an Oregons malerischer Küste
Wenn man Kalifornien über Land erreicht, erwarten einen an den wichtigsten Hauptstrassen Grenzposten vom California Departement of Food and Agriculture. Dort wird man gefragt, ob man Gemüse oder Obst dabei hat (um zu verhindern, dass Schädlinge, Pflanzenkrankheiten oder invasive Arten eingeführt werden). Davon hatten wir keine Ahnung und waren so überrumpelt von der Frage, dass wir ganz spontan und deshalb wohl ziemlich überzeugend nein sagten und durchgewunken wurden. Zum Glück haben sie unseren Kühlschrank nicht geöffnet...
Aber das wissen wir nur, weil wir einen kleinen Schlenker zurück nach Kalifornien machen mussten, da der direkteste Weg über das Gebirge an die kühle Küste nur unter Todesgefahr eingeschlagen werden kann. Das versichern einen wenigstens die vielen roten und gelben Warntafeln. Die Strasse werde nicht unterhalten und man fahre da wirklich auf eigene Gefahr und wenn man eine Panne habe, komme da imfall wochenlang niemand vorbei... Mit Rosinante hätten wir es riskiert. Aber so fuhren wir halt den sicheren Umweg und wurden unterwegs immerhin mit einem der schönsten Redwoodwälder - dem Jedediah Smith Redwood State Park - belohnt.
Und dann rollten wir die ganze Küste Oregons von unten nach oben auf. Also eigentlich nicht die ganze Küste, denn etwa auf der Höhe von Lincoln City hatten wir genug vom Nebel und fuhren wieder landeinwärts. Leider ist die Küste im Sommer praktisch ständig vom Nebel verhüllt. Aber wir mussten uns entscheiden, ob wir lieber 40 Grad und Sonne oder 15 Grad und Nebel wollen. Was bei der Entscheidungsfindung auch eine Rolle spielte war die Empfehlung, als alte oder lungenkranke Person möglichst nicht aus dem Haus zu gehen. Wegen den vielen Waldbränden ist die Feinstaubbelastung im Landesinneren von Oregon gefährlich hoch (Portland rangierte diesbezüglich diese Woche knapp hinter Bejing).
In Oregon haben sie ein gutes Orientierungssystem. Nach jeder Meile steht am Highway 101 ein Schild mit der Anzahl der zurückgelegten Meilen. Die Nummerierung beginnt an der nördlichen Grenze zu Washington bei Null und endet an der südlichen Grenze zu Kalifornien bei Meile 363. Es gibt Prospekte und Reiseführer die "Mile-by-Mile" beschreiben, was es da entlang des Highways so hat (Sehenswürdigkeiten, Orte, Freizeitaktivitäten etc.). Das gleiche System wird auch bei den Ost-West-Verbindungen angewandt, wo die Nummerierung am Pazifik bei Null beginnt. Nur dass es da (mangels Sehenswürdigkeiten?) keine Mile-by-Mile-Führer gibt.
Die Küste von Oregon ist sehr fotogen, mit den vielen im Meer verstreuten Felsen, den historischen Leuchttürmen und den schönen Art Deco Brücken (sofern man all das durch den dichten Nebel überhaupt sieht).
Ausserdem erhascht man auch immer wieder nahe Blicke auf die vielfältige Tierwelt. Sei es auf die Robben, die nahe am Strand neugierig den Kopf aus der Brandung strecken. Oder auf den Seeotter, der neben unserem Stellplatz auf dem Rücken durch die Seerosen schwamm. Oder auf die grosse Herde von Roosevelt-Elks, die in den renaturierten Marschgebieten am Umpqua River heimisch sind. Ein Elk ist übrigens kein Elch, sondern ein Hirsch (Elche heissen in Amerika "Moose").
Übernachtungstechnisch herrschte bei uns grosse Abwechslung. Manchmal waren wir auf einem komfortablen Campground wie zum Beispiel demjenigen, auf dem die Stellplätze ein eigenes SPA (einen Whirlpool) haben. Gemäss Prospekt wird hier nicht gecampt sondern geclampt (Glamping = Glamourous camping). Da sich die Suche nach schönen Campgrounds aber immer schwieriger gestaltete (viele Leute wollten der Hitze entfliehen, ausserdem sind immer noch Sommerferien), suchten wir uns häufiger einen Platz, auf dem man frei stehen darf.
Zum Beispiel auf dem Parkplatz etwas oberhalb des Hafens von Port Orford (mit ein paar guten Restaurants in Gehdistanz). Die Fischer in Port Orford verrichten ihren Job übrigens unter erschwerten Bedingungen. Es gibt nämlich keinen natürlichen Hafen und da die Boote im offenen Meer nicht ankern können, müssen sie immer aus dem Wasser genommen werden, wenn sie nicht im Einsatz sind. Das gilt für das kleine Freizeit-Angelboot wie auch für die grösseren Fischkutter. Auf einem felsigen Vorsprung wurde eine Art Mole gebaut mit zwei Kränen. Diese hieven die Boote nacheinander aus dem Wasser. Nur etwas für schwindelfreie Kapitäne, denn die Höhe zwischen Wasser und festem Boden beträgt mindestens zehn Meter. Dem Ganzen sagt man übrigens Dolly Port und solche Ports (Hafen) gibt es scheinbar nur sechs Mal auf der ganzen Welt. Wir verbrachten den halben Nachmittag auf unseren Stühlen hinter unserem Camper und beobachteten das Treiben auf dem Dock und im Wasser unter uns.
Oder am Strand von Bastendorf (in der Nähe von Coos Bay) auf dem Parkplatz des County Parks. Leider kein Geheimtipp, fanden sich doch je später am Nachmittag je mehr Wohnmobile ein. Aber es handelte sich um eine sehr spezielle Klientele. Vom ausrangierten Schulbus mit zehn Althippies an Bord über den uralten VW-Bus mit dem stark gehbehinderten Vietnam-Veteranen (steht auf jeden Fall so am Bus angeschrieben) bis zum arg derangierten Riesen-WoMo mit der seit fünf Jahren alleinreisenden Frau plus ihren Katzen, die frei am Strand spazieren dürfen. Wir hatten jede Menge Gratis-Unterhaltung. Auf einer noch warmen Kühlerhaube wurde irgendetwas aufgetaut, nebenan gab es kalte Tortillas mit Erdnussbutter und Konfitüre bestrichen (angerichtet auf dem Autodach) und einige versuchten, ihr Abendessen direkt am Strand zu angeln. Viele scheinen nur den Bus oder das Auto als Heim zu haben und sehen entsprechend verwahrlost aus. Auch kamen immer mehr Jugendliche mit Autos und Zelten an, die hier das Wochenende feiern wollten.
Und dazwischen wie überall jede Menge Hunde. Die meisten laufen frei herum und es kommt niemandem in den Sinn, die Hinterlassenschaften zu entsorgen. Seit wir in Amerika sind, richten wir unseren Blick meistens zu Boden um den Kothaufen auszuweichen. In Kalifornien war es noch nicht soo schlimm (schlimm genug!), aber hier in Oregon kann man keinen Meter gehen, ohne einem Haufen ausweichen zu müssen. So natürlich auch hier. Ein Strandspaziergang ist nur bei Tageslicht möglich und wir schauten aus unserem Auto heraus zu, wie die Hunde an die Zelte pissen (oder die beiden Katzen jagen). Anders geht es auf den (kostenpflichtigen) Campingplätzen zu. Praktisch auf jedem Platz hat es eine spezielle Spazier- und Versäuberungsstelle für Hunde. Das ist auch nötig, lebt doch in jedem zweiten Wohnwagen mindestens ein Hund. Meistens kleinere Exemplare, häufig auch zwei oder drei. Campen und Hunde scheint bei den Amis irgendwie zusammen zu gehören. Folgerichtig findet man in der landesweiten Kette "Camping World" auf fast der halben Verkaufsfläche Artikel für die mobile Hundehaltung. Dazu gehören auch mobile Laufställe, also Gitter, die ein gewisses Areal vor dem eigenen Wohnwagen einzäunen.
Der südliche Küstenabschnitt Oregons ist wohltuende Provinz. Der Farmers Market von Port Orford zum Beispiel bot einen Kübel Wildblumen, ein Dutzend Eier, zwei Zucchetti, handgetöpferte Tassen und Schmuck aus Draht. Und überall Platz zum Parken. Daneben fand eine Mini-Demo statt. Eine der Teilnehmerinnen forderte mehr Rechte für Kinder ein und eine tat auf ihrem Schild kund, dass sie kein Fan von Trump ist respektive dass Russland nicht der Freund der USA sei.
Die State Parks verlangen kein Eintrittsgeld, ebenso wenig wie das historische Hughes House am Cape Blanco (Spende natürlich willkommen). Bezüglich Hughes House ist vielleicht auch noch erwähnenswert, dass das Haus während 20 Jahren leer stand und kein einziges Fenster eingeschlagen oder sonstiger Vandalismus verübt wurde. Und das Glas Wein kostet wieder halb so viel wie in Kalifornien.
Andererseits werden die Autos zerbeulter, die Häuser baufälliger, die Kinder zahlreicher und die Zähne schlechter.
Nördlich von Coos Bay/North Bend beginnt der Küstenabschnitt Oregons, an welchem man hohe, weisse Sanddünen findet. Und mit den Sanddünen die ganze dazugehörende Freizeitindustrie. Campingplatz folgt auf Campingplatz, dazwischen reihen sich die Vermieter der Dünenbuggies und Motocross Motorrädern ein. Wir halten wenig von diesen lärmproduzierenden Fun-Mobilen und versuchen den Orten auszuweichen, wo sie massiert auftreten.
Wegen dem ständigen Nebel haben wir viele Höhepunkte an der Küste Oregons nur verschwommen gesehen: das Heceta Head Lighthouse, den phantastischen Blick von den Klippen bei Cape Perpetua, das hübsche Städtchen Yachat und überhaupt jede Menge Aussicht. Also haben wir uns gesagt, dass wir nochmal an die nördliche Küste zurückkommen (vielleicht nächstes Jahr) und haben die Waffen gestreckt, heisst aufgegeben. Nächstes Mal werden wir im Frühjahr oder Herbst kommen, wenn die Chance auf Sonne gegeben ist und wenn es weniger Touristen hat. Denn je weiter nach Norden man kommt, umso mehr Leute hat es und umso touristischer wird es (inklusive den wieder auftauchenden Gruppen asiatischer Touristen). Die Grossstadt Portland ist nicht weit entfernt und wer kann, entflieht der Hitze und der schlechten Luft. In den kleinen Ortschaften reiht sich ein Souvenirladen an den anderen und die Freizeitindustrie ist vor allem mit Walbeobachtungsbooten und "Schnorcheln mit den Walen" vertreten (und tatsächlich, als wir für eine Verschnaufpause auf einen Parkplatz fuhren, sehen wir ganz nahe an der Küste einen Wal und nicht weit davon entfernt zwei Schnorchler).
Bei Lincoln City verliessen wir also die Küste und steuerten Portland und die Grenze zu Washington an. Wir wollen auf dem Weg nach Osten (der Yellowstone ist das weit entfernte Ziel) einen Schlenker zum Mount St. Helens machen. Doch davon nächstes Mal.
In einer Woche findet in Amerika eine totale Sonnenfinsternis statt. Der Schatten trifft auch grosse Teile Oregons und es werden hier über eine Million Leute erwartet. Den Nachrichten können wir entnehmen, dass im Bereich des Kernschattens sämtliche Hotels und Campingplätze ausgebucht sind. Kaum vorstellbar, dass noch mehr Menschen hierherkommen. Ist doch jetzt schon praktisch alles wegen der Ferienzeit und sonstiger Events wie Rodeos oder Pow Wows (Indianerzusammenkünfte) voll.
Auf jeden Fall haben wir bis jetzt noch gar nicht richtig mitbekommen, WAS für ein Mega-Event in Amerika daraus gemacht wird. Jedes noch so kleine Kaff entlang des Kernschattens rüstet sich, so viele Besucher wie noch nie (und voraussichtlich auch nie mehr) zu empfangen. Örtchen mit 200 Einwohnern erwarten 20'000 bis 50'000 Leute und haben schon mal vorsorglich ihre Felder abgeerntet, damit sie dort Plätze für Wohnwagen und Zelte zur Verfügung stellen können. Diese Plätze haben keinen Schatten, kein Strom, kein Wasser und für Aberhunderte von Leuten vielleicht eine mobile Toilette - aber man bezahlt zwischen 250 und 500 Dollar pro Nacht. Und jeder Platz ist ausverkauft! Auch Kirchen und Schulen machen beim Geldverdienen mit und vermieten ihre Parkplätze für unverschämt viel Geld. Wir haben uns bis jetzt noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wo wir an diesem Tag, am 21. August sein werden. Irgendwo auf der Strasse ist eventuell auch keine gute Idee. Polizei und Feuerwehr werden aus dem ganzen Land zusammengezogen und rüsten sich für das grosse Chaos. Wir dürfen uns gar nicht vorstellen was passiert, wenn irgendwo ein Brand ausbricht und Tausende von Autos mit ihren panischen Insassen die Strassen verstopfen. Aber wir werden schon noch ein Plätzchen finden...
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Ein kleines Walmart-Sandwich - Yummi |
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SPiced hAM = SPAM |
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Sonnenuntergang am Strand von Gold Beach |
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Campingleben am Hunter Creek |
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Die Rogue River Bridge bei Wedderburn |
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Fangfrisch |
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Ohne Kommentar |
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Hier gehts zum Ozean |
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Die Dolly Docks von Port Orford |
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Der Nebel erreicht die Küste |
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Grosse Anti-Trump-Demo in Port Orford |
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Leuchtturm am Cape Blanco |
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McCullough Memorial Bridge bei Coos Bay |
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Heceta Head Lighthouse |
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