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Newsletter vom 20. Juli 2017: Wein und Schokolade im Sonoma Valley und noch mehr Flower Power in Mendocino

Am 4. Juli feiern die Amerikaner ihren Geburtstag resp. Unabhängigkeitstag. Viele haben frei und wer kann, macht einen Ausflug in die Natur. Deshalb hatten wir Glück, einen der letzten Plätze in einem Regionalpark in der Nähe von Oakland zu erwischen. Mitten in einem Wald auf einer Anhöhe und weit weg von der Stadt. Genau das Richtige nach einer Woche Megacity (wir glaubten schon fast, den allgegenwärtigen Uringestank nicht mehr aus der Nase zu bekommen) und genau das Richtige, um der Knallerei zu entgehen. Wir wähnten uns also in Sicherheit, denn wegen der Waldbrandgefahr war jedes Feuerwerk im Wald untersagt.
Doch wir konnten dem 4. Juli nicht entkommen. Ungefähr so muss es sich anhören, wenn man in der Nähe einer belagerten Stadt lebt. Wir hatten bis weit nach Mitternacht eine Geräuschkulisse vom etwa 10 Kilometer entfernt liegenden Grossraum Oakland, wie wenn im Sekundentakt Raketen abgeschossen werden und einschlagen. Das Ratatata von Mörsern tönt wahrscheinlich ähnlich wie die in Serie geschalteten Knallkörper (zum Glück wissen wir das nicht so genau). Auf jeden Fall herrschte ein unglaublicher Lärm! Dagegen ist unser Nationalfeiertag geradezu ruhig...

Am nächsten Tag wachten wir also ziemlich gerädert auf nur um festzustellen, dass unsere Pannenserie wohl noch nicht zu Ende ist. Denn der Kühlschrank/Tiefkühler hatte mitten in der Nacht schon wieder von Gas auf Strom umgestellt (obwohl die Gasflasche noch mindestens halb voll war) und da wir im Wald keinen Strom haben, hat er alle Energie aus der Wohnraumbatterie gesogen und diese praktisch entladen. Wir konnten den Kühlschrank nicht mehr auf Gas umstellen und mussten so rasch wie möglich losfahren, damit wir nicht den ganzen Inhalt wegwerfen müssen. Den Slideout konnten wir mit dem letzten Strom noch knapp einfahren, für die Wasserpumpe reichte es schon nicht mehr. Und so starteten wir ungewaschen und ohne Frühstück in den Tag. Natürlich fuhren wir zuerst zu einer RV-Servicestelle wo man feststellte, dass die Zündkerze und der Brenner völlig verdreckt und voll Russ war (nimmt uns schon wunder, welcher Teil des Auftrages "kompletter Service" vor zwei Monaten beim Hersteller nicht richtig verstanden wurde).

Auf dem Weg nach Norden wollten wir eigentlich das Muir Woods National Monument nördlich der Golden Gate Bridge besuchen. Leider blieb es beim Wollen. Im Umkreis von etlichen Kilometern gab es keinen einzigen freien Parkplatz. Es war weder Wochenende noch Ferienzeit, aber überall ist alles überlaufen und ausgebucht. Manche Sehenswürdigkeiten kann man gar nicht mehr besuchen, so wie eben die Muir Woods oder wie Alcatraz, wo für die nächsten paar Monate keine Tickets mehr erhältlich sind. Wie wird es hier wohl aussehen, wenn ab nächstem Wochenende in Europa die Ferien beginnen? Es wird wohl langsam Zeit, dass wir Kalifornien verlassen...

Unser nächstes Ziel war Santa Rosa. Hier hat die Brokerin, bei welcher wir unser Auto versichert haben, ihr Büro. Wir hatten schon Anfangs Jahr abgemacht dass wir vorbeischauen, wenn wir in der Gegend sind. Und dann wollten wir auch die 250 Dollar einfordern, die wir in Ventura fürs Abschleppen bezahlen mussten, obwohl Abschleppen in der Versicherung eigentlich eingeschlossen ist. Das war grundsätzlich kein Problem, aber natürlich bekamen wir - wir sind ja in Amerika - einen Scheck. Dieses Papier ist in Europa fast ausgestorben, aber hier immer noch das geläufigste Zahlungsmittel. Um einen Scheck einlösen zu können, sollte man mit Vorteil über ein Bankkonto in den USA verfügen. Da wir uns das keinesfalls antun wollen (mit der amerikanischen Bürokratie und vor allem der Steuerbehörde wollen wir so wenig wie möglich zu tun haben), brauchten wir ein paar Anläufe, um zu unserem Geld zu kommen. Bei Western Union hat es schliesslich gegen eine kleine Gebühr geklappt.

Dann hiess es Köfferchen packen, denn wir verbrachten drei Tage bei einem ehemaligen Arbeitskollegen von Zoltan, der uns liebenswürdigerweise eingeladen hat und dessen Adresse wir benutzen dürfen, wann immer eine amerikanische Adresse von Nöten ist (ziemlich oft also). Er wohnt mit seiner Familie im hübschen Santa Rosa, etwa eine Autostunde nördlich von San Francisco, mitten im Paradies von Gourmets und Weinliebhabern.
Tom liebt wie wir gutes Essen und guten Wein und so war es für ihn Ehrensache, uns diese kulinarischste Ecke Amerikas zu zeigen, wo Organic (Bio) grossgeschrieben wird und wo die Bewegung "Farm to table", also lokal produzierte Lebensmittel in den Läden und Restaurants zu verkaufen, ihren Anfang nahm (wir kennen das ja als Label "Mini Region" oder für Migros-Kinder "Aus der Region, für die Region"). Und wir genossen es (insbesondere Zoltan), herumkutschiert zu werden und profitierten enorm davon, einen gebietskundigen "Führer" zu haben.
Natürlich gehörte da eine Weindegustation dazu und natürlich konnten wir nicht widerstehen und bestückten unseren "Weinkeller" mit vier sehr guten Flaschen aus dem Sonoma Valley. In Europa ist ja das benachbarte Tal - das Nappa Valley - viel bekannter und es wird entsprechend touristisch auch noch etwas mehr ausgeschlachtet.
Man findet in dieser Gegend Schokolaterien, Mikrobrauereien, italienische Spezialitätengeschäfte (die man besser nicht besucht wenn man hungrig ist) und sogar eine der vier Ausbildungsstätten des "Culinary Institute of America" ist in St. Helena zu Hause. Übrigens mit einem top sortierten Küchenladen - alleine die Kugelausstecher von Rösle gibt es hier in jeder je produzierten Grösse.

An einem der Tage besuchten wir den Armstrong Redwoods State National Reserve. Nachdem wir die Muir Woods wegen Überfüllung ja nicht sahen, war dieser Wald hier eine gute Alternative. Fast keine Leute, aber sicher ebenso eindrücklich. Redwoods stehen praktisch nur noch in geschützten Gebieten, nachdem sie als perfektes Material für Haus- und Schiffsbau gnadenlos abgeholzt wurden. Dabei könnte man besonders am Fusse solcher Giganten empfänglich für den Glauben an eine Art Seele dieser Bäume zu werden. Die Grössten sind über 110 Meter hoch (was etwa einem 40-stöckigen Hochhaus entspricht) und über 2500 Jahre alt. Die ältesten dieser Bäume standen also schon hier, als die Griechen die Akropolis bauten...

Nebst all dem Kulinarischen und der schönen Natur hat die Gegend auch künstlerisch einiges zu bieten. An der Florence Avenue in Sebastopol zum Beispiel herrscht ein Wettkampf unter den Häusern, wer die schöneren Fantasiefiguren aus Blech im Vorgarten hat. Vom motorradfahrenden Skelett über die besenreitende Hexe bis zu Snoopy erfreuen die Kunstwerke die Passanten. Snoopy ist übrigens in Santa Rosa noch prominenter vertreten, denn der Schöpfer der Peanuts, Charles M. Schulz, wird hier mit einem eigenen Museum gewürdigt

Nach zwei tollen Tagen verabschiedeten wir uns von Tom und seiner Familie. Wir fanden es sehr interessant, mal in einen "Amerikanischen Haushalt" reinzuschauen und uns zu überzeugen, dass flügeltürige Kühlschränke und Syphons mit eingebautem Reste-Zerhacker nicht nur eine Erfindung Hollywoods sind ;-)

Nördlich von Bodega Bay ist die Küste unbewohnt, viele Gebiete sind als State Parks ausgeschieden und überall kann man an den Strand. Das nutzen auch sehr viele Leute, trotz des eiskalten Windes. Ab etwa Stewarts Point ist die Küste dann in Privatbesitz. Weit verstreut aber alles Land besetzend stehen hier die Villen, aufgelockert von Golfplätzen und Pferderanches und alle Strassen sind deutlich als Privatstrasse gekennzeichnet. Dem kalifornischen Gesetz, dass die Küste für alle Menschen zugänglich sein muss wird insofern Genüge getan, als alle paar Kilometer ein Schild auf einen Strandzugang hinweist, gleichzeitig der dazugehörende Parkplatz aber nur für knapp 8-10 Autos ausreicht und Camper verboten sind. Wir hatten also keine Chance, auch nur einen Blick auf diesen Küstenabschnitt zu werfen.
Übrigens ist der Strand nur innerhalb der durchschnittlichen Fluthöhe öffentlich. Oder anders gesagt: wo der Sand feucht ist, darf man spazieren...

Ab kurz vor Point Arena war die Küste dann wieder zugänglich, aber offenbar nicht mehr gänzlich in amerikanischer Hand. Denn als wir im Garcia River Casino um Erlaubnis für das Übernachten auf ihrem Parkplatz fragten, sagte uns der Wachmann unter Anderem, dass wir jetzt nicht mehr in Amerika seien. Nun, da hat er ein wenig übertrieben. Tatsache ist, dass indianische Stämme einen speziellen Status unter amerikanischem Recht und in gewissen Bereichen sogar eine gewisse Souveränität haben. Bezüglich Casinos ist es so, dass ein Staat (in dem Fall Kalifornien) den Indianern nichts verbieten kann, was auf Bundesebene erlaubt ist. Deshalb stehen alle Casinos in Kalifornien auf Indianergebiet.

Wir folgten dann der Traumstrasse Amerikas, der Number One bis nach Legget, wo sie offiziell zu Ende ist und sich mit dem 101 vereint. Die Küste nördlich von San Francisco ist mindestens so schön wie der Streckenabschnitt zwischen Los Angeles und San Francisco (mit dem grossen Vorteil, dass es weniger Touristen hat). Die steilen Klippen werden von kleinen Buchten unterbrochen, vorgelagert stehen die Reste abgenagten Landes in der tosenden Gischt, auf den Felsen sonnen sich Seelöwen und ab und zu sahen wir sogar den Blas von Buckelwalen auf ihrem Weg in den Norden.
Immer wieder kleben hoch auf den Klippen kleine Ortschaften, eine davon ist Mendocino. Wahrscheinlich sind wir nicht die Einzigen, die bei diesem Wort automatisch den uralten Song "Mendocino" vom Sir Douglas Quintett summen (keine Ahnung, ob das was miteinander zu tun hat). In den Siebziger-Jahren war Mendocino ein Ort für Aussteiger und Künstler, heute ein beliebter Ferienort. Man feiert im Moment 50 Jahre Sommer of Love und wie jedes Jahr finden im Juli die Musikwochen statt. Und als wir ankamen war auch gerade Farmers Market, entsprechend viele Leute hatte es. Wir bummelten durch den Ort, Tara kaufte sich ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk und etwas handgemachte Schokolade fand auch noch den Weg in unseren Rucksack. Der Mini-Supermarkt befindet sich in einer kleinen Kapelle und man wird wohl Mühe haben, hier etwas zu finden, das nicht Bio ist. Wahrscheinlich sind auch die Produkte im danebenliegenden Hanf-Shop bio ...
Apropos Hanf: der Anbau (max. 6 Pflanzen), Besitz (max. 30 Gramm) und Gebrauch von Cannabis ist seit letztem Jahr auch in Kalifornien erlaubt. Theoretisch. Denn kaufen kann man Hanf nach wie vor nur mit einem ärztlichen Rezept. Kalifornien tut sich noch schwer mit den Ausführungsbestimmungen und Regulierungen für dieses neue Gesetz. Ziel für die Umsetzung ist Anfangs 2018 und man darf gespannt sein, wie das fortschrittliche Kalifornien mit dieser Legalisierung umgehen wird.

Kurz nach Mendocino übernachteten wir im Standish Hickey State Park. Ein dichter, dunkler, kühler Wald mit einem Campground. Ein richtiges Kontrastprogramm nach der gleissenden Helligkeit an der Küste. Der Standish Hickey State Park befindet sich im Bärenland, deshalb steht an jedem Platz eine abschliessbare Speisekammer. Gewissenhaft wie wir sind, entfernten wir auch die Crackers aus dem Handschuhfach und die Täfeli aus dem Seitenfach und sogar die Handcrème nahmen wir mit in den Camper, damit auch ja kein Geruch einen Bären anlocken könnte. Aber wir hätten uns diese Mühe sparen können. Es war Wochenende und deshalb war im Park bis weit nach Mitternacht Party angesagt - da macht jeder vernünftige Bär einen weiten Bogen darum herum.

Durch die "Avenue of the Giants", welche mitten durch einen Wald mit riesigen, alten Redwood-Bäumen führt - richtigen Giganten eben - erreichten wir Eureka. Die Stadt ist etwa so gross wie Biel und bietet in Old Town je Menge viktorianischer Hinterlassenschaften. Berühmt ist sie aber vor allem für Austern. Eureka liegt in der Humboldt-Bay und von hier kommen die meisten Austern, die in Amerika gegessen werden.

In der Nähe von Eureka übernachteten wir übrigens wieder auf dem Parkplatz eines Casinos. Wir finden diese Möglichkeit toll! Erstens kostet es nichts, zweitens findet man in der Regel auch Restaurants in den Casinos und so entfällt das kochen und drittens - am Wichtigsten für uns - sind diese Parkplätze sicher, da rund um die Uhr von Angestellten oder Kameras bewacht.

Nach Eureka verliessen wir die kühle Küste und sind nun seit ein paar Tagen in der nordöstlichsten Ecke Kaliforniens, in den Cascade Ranges unterwegs, der nördlichen Fortsetzung der Sierra Nevada. Doch davon mehr im nächsten Newsletter.

 

Weinprobe mit Tom

 

 

An der Florence Avenue in Sebastopol

 

 

Wiedermal ein Selfie

 

 

Nördlich von Bodega Bay an der Westküste

 

 

In der Nähe von Point Arena an der Westküste

 

 

Cascet Rock bei Elk (Südlich von Mendocino)

 

 

Mendocino, Mendocino, ...

 

 

Im Reedwood-Forest ...

 

 

... wirkt sogar unser Auto winzig

 

 

Die Hauptstrasse von Eureka

 

 

Das Carson Mansion in Eureka

 

 

Verschnaufpause

 

 

Hübsche Libelle

 

 

Campground am Trinity River

 

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