Erster Teil
Wir wussten nicht, auf was wir mehr gespannt waren: auf die Gruppe oder
auf die Wüste? Was würde uns mehr beschäftigen: Sanddünen
oder gruppendynamische Prozesse? Aber diese Fragen beschäftigten
uns wohl nur, weil wir noch nie in einer Gruppe gereist sind.
Der letzte Tag vor der Abreise wurde noch ziemlich hektisch, weil wir
herausfanden, dass eine der Autobatterien nicht mehr in Ordnung ist. Aber
natürlich schafften wir es trotzdem locker, mit Einkaufen, Autoservice,
Coiffeurbesuch von Zoltan, Einbau der neuen Batterie, Packen und so weiter
rechtzeitig fertig zu werden.
In strömendem Regen fuhren wir am Samstag, den 16. Oktober 2004 nach
Airolo, wo wir den ersten Teil der Gruppe trafen. Einige Leute aus Deutschland
hatten auf dem Rastplatz oder im dazugehörenden Motel übernachtet,
andere sind heute Nacht um 2 Uhr losgefahren. Da hatten wir es schon gemütlicher.
Am Hafen von Genua stiessen dann noch die letzten zwei Personen zu uns
und zusammen ging's auf die riesige Fähre C.F.Carthage.
Wir sind insgesamt 14 Personen (5 davon Frauen) und 8 Autos (3 Land Cruiser,
3 Land Rover, 1 Nissan und 1 Mercedes).
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Vor der riesigen Fähre C.F.Carthage
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Sonntag, 17. Oktober 2004
Bei ziemlich hohem Seegang und mit nur einer Stunde Verspätung stachen
wir gestern um 18 Uhr in See. Tara etwas beduselt vor lauter Tabletten
gegen Seekrankheit, aber geholfen hat es immerhin. Anderen ging es da
schlechter und beim Abendessen waren wir dann auch nicht vollzählig.
Doch der Wind hat sich gegen Mitternacht gelegt und wir verbrachten eine
sehr ruhige Nacht in der kleinen, aber gemütlichen Kabine.
Heute gab es dann einigen Papierkram, welchen man aber glücklicherweise
grösstenteils schon an Bord erledigen kann.
Es hatte viele Tunesier an Bord und so wurde mindestens fünf Mal
am Tag irgendwo in den Gängen ein Teppich ausgebreitet und zu Allah
gebetet. Ausserdem ist seit zwei Tagen Ramadan. Gläubige Muslime
dürfen in dieser Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang
nichts essen oder trinken. Entsprechend gross gestern Abend der Andrang
in den Restaurants, als endlich die Sonne unterging. Und entsprechend
leer waren heute alle Bars und Restaurants an Bord. Und als Paar sollte
man sich spätestens jetzt die islamischen Gepflogenheiten wieder
in Erinnerung rufen: keine Berührungen oder gar Küsse in der
Öffentlichkeit.
Die fromme Hoffnung mit "dem Papierkram grösstenteils an Bord
erledigen" hat sich dann allerdings zerschlagen. Fazit des heutigen
Tages: gehe besser nicht mit einem GPS nach Tunesien (oder verstecke es
wenigstens gut) und mit einem Funkgerät schon gar nicht. Und diejenigen,
welche keine Fotokopien der wichtigsten Dokumente dabei hatten, hatten
zusätzlich Pech: der zolleigene Fotokopierer war natürlich gerade
defekt. Nun, wir sind zum Glück Bürokratieerprobt und nach ein
paar Stunden hatten alle den Zoll hinter sich und wir fuhren noch etwa
80 km bis Nabeul, wo wir im Hotel Jasmins Zimmer bezogen. Den Ort muss
man sich merken. Nicht, weil die Zimmer so berauschend wären, sondern
wegen der Möglichkeit, auf dem Hof unter Olivenbäumen zu campen
(es hat sogar relativ saubere Toiletten und Duschen). So ist der Platz
auch voll mit sandblech- und schaufelbewehrten Fahrzeugen.
Montag, 18. Oktober 2004
Fahrtag! Etwa 550 km, über Kairouan, Gafsa, Tozeur, durch den Chott
El Jerid bis nach Douz, wo wir nun auf dem Desert Campground unser Lager
aufgeschlagen haben.
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Auf dem Desert Campground in Douz
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Wegen dem Ramadan fanden wir unterwegs übrigens kein einziges offenes
Café oder Restaurant. Wir kamen hier kurz vor Sonnenuntergang an
und bevor es dunkel wurde, wollten wir noch schnell etwas einkaufen. Die
Marktstände wurden schon abgedeckt und in grosser Eile verkaufte
man uns noch einige Äpfel, Datteln und Oliven. Die Sonne ging um
Zehn vor Sechs unter (was auch mit einem Böllerschuss verkündet
wird) und dann dauerte es keine fünf Minuten mehr und die Strassen
waren buchstäblich leergefegt. Bis auf ein paar streunende Katzen
und uns Ungläubige bewegte sich keine Seele mehr in den Gassen. Endlich
Essenszeit!
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Ramadan, 17.50 Uhr, kurz nach dem Böllerschuss
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Dienstag, 19. Oktober 2004
Volltanken, Reifendruck senken - die erste Bewährungsprobe für
unsere Rosinante steht bevor. Sie ist - im Gegensatz zu den anderen Fahrzeugen
im Konvoi - etwas schwach auf der Brust (motorenmässig) und mit dem
Wohnausbau auch etwas schwer, aber sie wird es schon schaffen.
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Verschnaufpause auf dem Chott El Jerid
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16 Uhr, irgendwo mitten in den Dünen südlich von Douz, wir
stecken wieder mal fest. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag kommen Seil
und Schaufel und vereintes Schieben zum Einsatz. Georg, der dritte Schweizer
im Team, hatte besonderes Pech. Sein Reserverad hat sich vom Dachträger
gelöst und ist auf die Windschutzscheibe geknallt. Diese ziert nun
mitten hindurch ein schlimmer Spalt und wir hoffen, dass sie trotzdem
hält.
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Irgendwo im Nirgendwo...
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... ein Café welches trotz Ramadan offen
hat!
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Sand, soweit das Auge reicht, eine atemberaubend schöne Dünenlandschaft!
Etwas weiniger heiss dürfte es allerdings sein (es ist etwa 40 °C
am Schatten). Und die Fliegen machen einen fast wahnsinnig! Aber es hat
immer wieder Kamele und Esel und wo es Tiermist hat, sind diese Mistviecher
nicht weit.
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Die Kamele nehmen sofort reissaus, wenn sie
uns sehen
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Knapp vor dem Eindunkeln kamen wir in der Oase Ksar Ghilane an. Georg
hatte zum zweiten Mal Pech und musste unterwegs einen Reifen wechseln.
Fast alle sind irgendwann mal stecken geblieben. Das und der starke Wind
ist schuld, dass wir uns fühlten wie panierte Schnitzel. Aber die
Belohnung wartete auf uns: ein warme Quelle bildet mitten in der Oase
einen kleinen See - eine unbeschreibliche Wohltat nach so einem Tag! Und
nach dem Gemüse-Weizen-Eintopf gab's dann noch ein paar Gläser
Tee und eine Wasserpfeife und erst jetzt fühlen wir uns tatsächlich
wie in den Ferien.
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Ohne Kommentar
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Mittwoch, 20. Oktober 2004
Heute ging's erst weit nach Mittag los, weil Bernd (unser "Häuptling")
noch die Genehmigung für das Sperrgebiet in Tataouine holen musste
(eigentlich war das für Gestern geplant, aber die viele Buddelei
hat uns mindestens drei Stunden gekostet).
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Unser Konvoi (während einer Rast)
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Durch flache Buschlandschaft ging es etwa 50 km geradeaus nach Süden,
auf einer felsigen Piste, welche ab und zu von Dünenzungen bedeckt
ist. Wäre die Erde rot statt gelb, könnte man sich in Australien
wähnen. Auf einem Hügel (den wir beide zuerst umrunden mussten,
weil unsere Rosinante den Dünenhang nicht bewältigen konnte)
schlugen wir das Nachtlager auf. Eine kleine Wagenburg und in der Mitte
unsere Tische und Stühle.
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Zuerst mal ein Apéro, bevor die Kocherei
beginnt
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Dummerweise haben wir ein Problem. Die Wohnraumbatterie lädt nicht
mehr (die Solarpanels sind eigentlich in Ordnung, wahrscheinlich ist einfach
die Batterie am Ende) und wir konnten nicht mal mehr den Kocher anmachen.
Kühlschrank ade und morgen Mittag wird der Käse wohl in der
flüssigen Butter schwimmen.
Zoltan hat dann den Spannungswächter runtergedrückt gehalten,
damit wir wenigstens den Kocher anmachen konnten und uns etwas Warmes
zu Essen machen. Schöne Sch...!
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Gibt es einen schöneren Ort für ein
Nachtlager???
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Abendspaziergang (mit Schaufel) in den Dünen
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Donnerstag, 21. Oktober 2004
Kai (der Begleiter von Bernd) hat uns heute Morgen mit dem Elektrischen
geholfen und wir haben festgestellt, dass am Tag der Strom aus den Solarpanels
und via Lichtmaschine genügt, um den Kühlschrank zu betreiben.
Immerhin!
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Buschmechanik...
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Wir brauchten 10 Minuten, einen guten (!) Kugelschreiber pro Auto als
Bakschisch und Christian gab noch ein paar Einwegrasierer drauf, dann
waren wir über die Grenze zum militärischen Sperrgebiet. Wir
wollten Richtung El Borma fahren, kamen aber nicht sehr weit. Der Weg
führte immer weiter in die Dünen rein und wir beide blieben
wiederholt stecken.
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Give me the shovel!
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Beim ersten Mal reichte noch vereintes Schaufeln und Ziehen. Gegen Mittag
und bei einer enormen Hitze wurde der Sand wie flüssig und da half
nur noch die Seilwinde (an welcher auch prompt ein Scherbolzen brach)
und die Sandbleche. Als gar nichts mehr ging und andere Fahrzeuge auch
stecken blieben, blieb uns nichts anderes übrig, als praktisch den
gleichen Weg zurück aus den Dünen wieder rauszufahren. Um 16
Uhr waren wir nicht viel weiter als an unserem Ausgangspunkt heute Morgen.
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Auch der Erfahrendste bleibt mal stecken
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Und auch die Rosinante darf zwischendurch selbst
ziehen (und nicht nur gezogen werden)
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Eine weitere Schicht Panade klebt uns am ganzen Körper und Tara
findet, dass Schaufeln bei 40° im Schatten definitiv nicht zu ihren
Hobbys gehört.
Zwischen hohen Dünen haben wir unser Nachtlager aufgeschlagen und
diejenigen zwei, die heute nicht stecken blieben (und die die Lust am
Sand für heute noch nicht verloren hatten), drehten noch ein paar
Ehrenrunden in den steilen Dünenhängen.
Unsere Koordinaten: N 32.03.463, E 09.25.534
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Wo sind wir eigentlich ganz genau?
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Bericht
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